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Die Kolumne – Klimaschecks für alle

24. Juli 2008

Deutschland steuert in diesem Sommer mit gefährlichem Tempo auf eine Konjunkturkrise zu. Zeitgleich schwelt immer noch die Angst vor der Klimakatastrophe. Bei beidem kommt es vor allem deshalb zum Debakel, weil es den Menschen im Land an Geld fehlt. Bei beidem könnte die Regierung helfen – mit Steuerschecks für gute Zwecke.

Die Wirtschaft erlebt einen Ölschock, die Kaufkraft schwindet. Bei den Unternehmen implodieren die Geschäftserwartungen nach der neuen Ifo-Umfrage wie sonst nur in Rezessionen. Die Frage ist, ob dagegen wirklich so wenig getan werden kann, wie es Kanzlerin Angela Merkel seit Wochen relativ hilflos vermittelt.

Natürlich würde es gegen den Konjunkturschock wenig helfen, wenn für Bayern die Pendlerpauschale wieder eingeführt wird, zumal das eher kontraproduktiv in Sachen CO2-Abbau wäre. Ähnliches gilt für Forderungen, die Benzinsteuern zu senken.

Nur muss das nicht heißen, dass es keine bessere Idee gibt, konjunkturell das Schlimmste zu verhindern – ohne die Klimakatastrophe zu fördern. Warum sollte die Bundesregierung nicht rasch daran arbeiten, jedem im Land einen Scheck zu schicken, wie es die US-Regierung erfolgreich praktiziert? Nur dass das Einlösen des Schecks, anders als in Amerika, daran gebunden wäre, Dinge zu kaufen, durch die auf Anhieb der CO2-Ausstoß sinkt. Ein Konjunkturpaket fürs Klima – und ein Klimapaket für die Konjunktur.

Wenn es in Deutschland Grund zu Krisenängsten gibt, dann, weil den Menschen das Geld zum Ausgeben fehlt. In keinem großen Industrieland haben die Konsumausgaben seit 2001 so desaströs stagniert (siehe Grafik). Und die jüngsten Inflationsschübe trugen dazu bei, dass die Realeinkommen selbst nach gut zwei Jahren Aufschwung sinken. So funktioniert auf Dauer kein Wachstum.

Ähnliches gilt für die Klimakrise. Während die Industrie in den vergangenen Jahren eindrucksvoll investiert hat, um den eigenen CO2-Ausstoß um mittlerweile mehr als ein Drittel gegenüber 1990 zu verringern, kommen die Haushalte auf gerade zwölf Prozent (siehe Grafik). Dabei gebe es „gegenwärtig in keinem Bereich so viel Potenzial“ wie bei den Privathaushalten, „um die Klimaschädigung schnell zu verringern“, sagt der Wissenschaftler Carlos Jaeger vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Als Haupthindernis gilt, dass sich viele die relativ hohen Investitionskosten nicht leisten können. Kein Wunder. Nach Jahren des Verzichts auf zusätzliche Einkommen und drei Prozent Inflation haben die Deutschen eben auch kein zusätzliches Geld, um klimaschonende Kühlschränke zu kaufen.

In den USA verschickt die Regierung seit Mai Schecks, um die Konjunktur zu stützen: an jeden Steuerzahler 600 $. Vorbildlich. Die Bundesregierung könnte jedem Erwachsenen einen Scheck über 500 E zukommen lassen, Kindern die Hälfte. Diese Schecks dürften nur beim Kauf CO2-armer Kühlschränke, Solaranlagen oder Autos eingelöst werden. Die Verkaufsstellen könnten sich das Geld gegen Beleg dann beim Finanzamt abholen.

Für eine solche Aktion müsste nicht einmal die Bürokratie in Deutschland neu anlaufen: Was gut fürs Klima ist, ist in weiten Teilen durch Labels, Verordnungen und EU-Richtlinien definiert. Eine Klimaretter-Liste ließe sich damit rasch festlegen.

Darauf könnten A++-Kühlschränke stehen sowie Gefrierschränke und Spülmaschinen. Oder die Solaranlage, bei der ohnehin festgelegt ist, was gefördert wird. Mietern könnte man anbieten, dem Vermieter zu zahlen, dass er die Fenster isoliert, so Jaeger vom PIK.

Bei der Definition, welche Autos besonders klimaschonend sind, ließen sich die CO2-Klassen nutzen, die bald für die Kfz-Steuer gelten sollen. Der Scheck wäre ein zusätzlicher Anreiz zum Kauf solcher Wagen. Und warum soll nicht auch die Umweltjahreskarte für den öffentlichen Verkehr gefördert werden, wie der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick fordert – als Anreiz, vom Auto auf Bus und Bahnen umzusteigen. Oder ein Klimascheck als Startguthaben beim Carsharing. Oder zum Umrüsten des eigenen Autos für den Biosprit neuer Generation.

Die US-Praxis lässt vermuten, dass Schecks vom Finanzminister konjunkturpolitisch hocheffizient sein können. Studien zufolge gelang es den Amerikanern 2001 so, einen Konjunkturcrash zu verhindern. Als die Unternehmen gerade begannen, ihre Produktion stark herunterzufahren, kamen die Steuerscheck-Ausgaben gerade recht, um die kritischste Phase zu überbrücken. Die Aktion scheint in den USA auch diesmal zu funktionieren. Anders als Skeptiker befürchteten, ist die große US-Rezession bisher ausgeblieben – auch dank ausgebliebenem Konsumcrash.

Der Vorteil ist, dass Schecks als Einmalaktion daherkommen und den Staatsetat – anders als sinkende Steuersätze – nicht auf Dauer belasten. Der Vorteil ist auch, dass sie gezielt wirken, weil jeder etwas mit dem Scheck tun muss. Anders als die Amerikaner haben die Deutschen ja auch reichlich Nachholbedarf beim Geldausgeben.

Deutschland läuft derzeit Gefahr, dass sich der Abschwung verselbstständigt. Auch hier könnten Schecks vom Finanzminister der schockierten Wirtschaft eine Atempause verschaffen – bis vielleicht Ölpreis oder Euro nicht mehr so absurd nach oben spekuliert werden. Die Regierung könnte vermitteln, dass von der Konjunktur der letzten Jahre nicht nur der Finanzminister profitiert.

Anders als in Amerika hätten gezielte Schecks fürs Klima auch den Vorteil, langfristig und strukturell zu wirken. Wer seinen Studi-Kühlkasten von 1993 dank Klimascheck gegen einen Umweltgüte-Kühlschrank austauscht, reduziert den Energieaufwand im Schnitt um Größenordnungen von 80 Prozent, bei Gefrierschränken um 70 und bei Waschmaschinen um 40 Prozent. Er hat also dauerhaft mehr Geld. Das steigert die Kaufkraft und freut das Klima und den Einzelhandel. Dasselbe gilt für Leute, die sich Solaranlagen aufs Dach setzen, ihre Fenster isolieren oder CO2-averse Autos kaufen.

Wenn 80 Millionen Deutsche in ein paar Monaten 30 bis 40 Mrd. E für klimaschonende Investitionen ausgeben und Millionen CO2-Schleudern ins Jenseits befördern, würde das in Sachen Klimaschutz einen Sprung auslösen, der sonst erst in Jahren möglich wäre. Ganz zu schweigen davon, dass es im Land der Schnäppchenjäger monatelang darum gehen würde, wie und wofür der Klimascheck am besten auszugeben ist.

In Amerika haben Einzelhändler schon vor Monaten geworben, dass jeder, der seinen Steuerscheck bei ihnen einlöst, noch einen Rabatt obendrauf erhält. So viel Werbung kann die Bundesregierung für den Klimaschutz gar nicht finanzieren. Wer weiß, ob Deutschlands Boulevardblätter auf Seite eins nicht rasch die Topliste der besten Klimascheckverwendungen veröffentlichen.

Noch fehlt einiges, um das deutsche Ziel eines Abbaus von 40 Prozent der CO2-Emissionen zu erreichen. Nach einer Klimascheck-Aktion wäre das abgehakt. Dagegen wirkt der übliche Einwand des Finanzministers eher absurd, dafür kein Geld zu haben.

„Je länger wir mit dem CO2-Abbau warten, desto teurer wird es später“, so Klimaexperte Jaeger. Reparieren wird teurer. Ähnliches gilt konjunkturpolitisch: Je früher die Regierung gegensteuert, desto eher lässt sich der Absturz noch verhindern. Wenn die Rezession da ist, werden dem Finanzminister rasch die Steuern fehlen, um die neuen Arbeitslosen zu bezahlen. Dann wirkt der Etatausgleich 2011 bald ohnehin wie ein schräger Traum.

E-Mail fricke.thomas@ftd.de

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