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John McCain: Back to Reagonomics?

31. Juli 2008

Der US-Präsidentschaftskandidat John McCain könnte sich an der Wirtschaftspolitik Ronald Reagans orientieren. Das hätte sowohl Chancen, als auch Risiken.


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Das letzte Mal, als ein US-Präsidentschaftswahlkampf mit dem Beginn einer Rezession zusammenfiel, war 1980: Jimmy Carter und Ronald Reagan traten in einem makroökonomischen Kontext gegeneinander an, der Barack Obama und John McCain heute bekannt vorkommen dürfte.

Auch 1980 hatte sich die Rezession im späten Frühjahr angekündigt, und es war unklar, wie lang sie dauern würde. Auch 1980 war das Schlüsselsymptom eine Stagflation, die aus der Kombination von steigenden Energiepreisen und fallender Verbrauchernachfrage sowie fallenden Immobilienpreisen resultierte. Auch 1980 war das Haushaltsdefizit der USA mit 3 Prozent auf einem Stand, der den fiskalischen Handlungsspielraum des neuen Präsidenten von vornherein einschränkte.

Soweit zu den Gemeinsamkeiten. Denn es gibt auch drei zentrale Unterschiede. 1980 stand der Amtsinhaber zur Wahl. (Ronald Reagan formulierte damals lapidar: „Es ist eine Rezession, wenn Ihr Nachbar den Job verliert. Es ist eine Depression, wenn Sie ihren Job verlieren. Und es ist Aufschwung, wenn Jimmy Carter seinen Job verliert.“) 1980 war der Amtsinhaber ein Demokrat, was die wirtschaftspolitische Diskussion bei den Republikanern erleichterte. Schließlich – und das ist der wahrscheinlich wichtigste Punkt – hatte der republikanische Kandidat 1980 ein klares ökonomisches Konzept. Ronald Reagan trat mit einer wirtschaftspolitischen Strategie an, die ebenso risiko- wie chancenreich war: fiskalische Expansion kombiniert mit geldpolitischer Restriktion.

Es gibt drei Möglichkeiten, auf die heutige US-Krise zu reagieren. Möglichkeit eins: alle Ampeln auf Grün – niedrige Zinsen, weiter steigende Verschuldung, ein schwacher US-Dollar, hohe Inflationsraten. Das ist die jetzige Politik. Sie ist nicht nachhaltig und macht die Krise mittelfristig nur noch schlimmer. Möglichkeit zwei: alle Ampeln auf Rot – hohe Zinsen, Sanierung des Haushalts, Disinflation und ein starker U-Dollar. Dieses Szenario wäre falsch, es hätte eine lange Rezession zur Folge. Möglichkeit drei: manche Ampeln auf Grün, andere auf Rot – hohe Zinsen zur Bekämpfung der Inflation, kombiniert mit fiskalischer Expansion, dem hohen Defizit zum Trotz. Und das heißt: Reagonomics.

John McCain wäre gut beraten, sich dieses Konzept genau anzusehen. Bislang hält er sich mit seiner wirtschaftspolitischen Strategie zurück. Und der schon fast legendäre Satz, er habe sein ökonomisches Fachwissen aus der Autobiographie Alan Greenspans, wird von demokratischer Seite noch oft genug gegen ihn verwendet werden.

Die fiskalische Expansion könnte er unter dem Vorwand verkaufen, er wolle niedrigere Steuern und damit weniger Staat. Die Steuersenkungen würden massiv auf Unternehmen und Gutverdiener ausgerichtet. Ähnlich wie Reagan könnte er im Gegenzug die Steuerbasis erweitern („tax-cut-cum-base-broadening“) und Sozialversicherungssteuern erhöhen.

Der größte Vorteil der Reagonomics-Strategie wäre jedoch, dass sie Barack Obama in eine schwierige Position bringen würde. Sollte Obama die Karte der Haushaltsverantwortung zücken, so könnte McCain ihn endgültig als einen Steuern-Rauf-Kandidaten brandmarken. Sollte Obama die Steuersenkungen als ungerecht bloßstellen, könnte McCain im Gegenzug die klassische rechts-links Diskussion eröffnen; die Demokraten seien für Gerechtigkeit, die Republikaner für Wachstum. Genau auf diese Diskussion hoffen die Republikaner, damit Obama seinen Nimbus als Kandidat der Mitte verliert.

Zwei große Risiken hätte ein solcher Reagonomics-Wahlkampf McCains. Aus taktischer Sicht könnte er nur erfolgreich sein, wenn ihn die Wähler nicht mit der Wirtschaftspolitik Bushs in Verbindung bringen würden. Aus ökonomischer Sicht würde er ein zentrales Problem außer acht lassen: den hohen Schuldenstand. Das Gesamtschuldenniveau der US-Wirtschaft liegt bei 235% des BIP. Die Schulden der Privathaushalte liegen bei 100% des BIP. Steigende Zinsen hätten in diesem Kontext Folgen, die auch eine massive fiskalische Expansion nicht auffangen könnte. Aber das dürfte für John McCain zurzeit kaum zählen. Wichtig ist nur der 4. November.

Von Henrik Enderlein