Aufsteiger-Check: Brasiliens Krise könnte von kurzer Dauer sein
Lange trotzte Brasilien erstaunlich robust der globalen Krise. Seit heute steht jedoch fest: Auch Südamerikas größte Wirtschaft steckt nun mittendrin. Im vierten Quartal ist die Wirtschaftsleistung massiv eingebrochen. Trotzdem könnte es eines der ersten Länder sein, dass aus der Krise wieder rauskommt.
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Brasiliens Wirtschaftsleistung ist im vierten Quartal um 3,5 Prozent geschrumpft. Auf den ersten Blick etwas verwunderlich, angesichts der Tatsache, dass der Großteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vom Konsum kommt und dieser – getragen von Lohnsteigerungen und einem florierenden Arbeitsmarkt – die meiste Zeit des Jahres auf Hochtouren lief. Noch im Dezember wurde ein Jahrestiefstand der Arbeitslosenquote von 6,8 Prozent erreicht – trotz aufkeimender Krise. Sensationell für brasilianische Verhältnisse.
Die andernorts passende Erklärung, dass der globale Nachfrageinbruch die Wirtschaft über die Exporte in die Knie zwang, kann im Fall Brasiliens also nicht gelten. Zwar kriselt es in exportorientierten Bereichen der Industrie gewaltig und die Exporteinbrüche schmerzen. Doch der Anteil der Exporte am gesamten BIP ist zu gering, um die ganze Wirtschaft mitzureißen. Und dennoch schrumpfte das brasilianische BIP stärker als das einer exportabhängigen Wirtschaft wie Deutschland.
Das Problem liegt in einer ausgeprägten Vertrauenskrise. Während die Exporte im vierten Quartal um 2,9 Prozent zum Vorquartal sanken, ging der Konsum fast genauso stark um 2 Prozent zurück. Vor allem aber zeigten sich die Unternehmen höchst verunsichert: Die Investitionen brachen um 9,8 Prozent ein. Hier wirkte sich auch eine Verschärfung der Kreditbedingungen aus – auch das, ein vermeintliches Zeichen der Vertrauenskrise. Denn der brasilianische Bankensektor ist im Vergleich zu anderen Ländern eigentlich nur gering von der Finanzkrise getroffen. Dennoch scheint die Verunsicherung hier sehr groß gewesen zu sein.
Hinzu kommt, dass die Regierung im Vergleich zu anderen Ländern lange kaum fiskalische Maßnahmen ergriff und die Zentralbank aus Furcht vor Inflation Zinssenkungen scheute – erst im Januar kam die erste Senkung.
Doch all das macht Brasilien zugleich zu einem der Hoffnungsträger in der aktuellen Krise. Denn: Brasiliens Wirtschaft hat im Vergleich zu anderen Ländern wie den USA weniger Probleme, die abgearbeitet werden müssen. Die Reformen der letzten Jahre lassen die Wirtschaft in Kern sehr gesund dastehen – anders als früher, wo Brasilien zu Abschwüngen meist selber einiges beitrug. Einige Volkswirte rechnen daher bereits im zweiten Quartal mit einer Erholung.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Russland, Indien und Brasilien. Nächste Woche: China
Von Birgit Marschall