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Aufsteiger-Check: Gründe für Russlands dramatischen Absturz

19. Mai 2009

Russlands Wirtschaft hat im ersten Quartal einen drastischen Absturz hingelegt. Die Wirtschaftsleistung schrumpfte nach vorläufigen Zahlen um 9,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Einen so starken Einbruch gab es seit 15 Jahren nicht mehr. Gegenüber dem vierten Quartal 2008 betrug das Minus sogar 23,2 Prozent!

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Damit ist Russlands Wirtschaft viel dramatischer eingebrochen als andere große Schwellenland-Ökonomien. Zum Vergleich: Chinas Bruttoinlandsprodukt legte nach offiziellen Zahlen um 6,1 Prozent zum Vorjahr zu. In Brasilien – wie Russland abhängig von Rohstoffexporten – rechnen viele Bankenvolkswirte mit einer Schrumpfung um etwas über einem Prozent. Verglichen damit sieht die Situation in Russland ziemlich mies aus.

Doch was hat die osteuropäische Wirtschaft so viel stärker abstürzen lassen? Vier Faktoren führen Ökonomen als Hauptursachen an:

* Unsicherheit durch den Rubelverfall

Speziell die Investitionen sind im ersten Quartal massiv eingebrochen. Das dürfte von den schwierigen Finanzierungsbedingungen, vor allem aber von der Verunsicherung durch den zu Beginn des ersten Quartals noch anhaltenden Rubelverfall herrühren. Erst im Laufe des Februars legte sich die Unsicherheit gegenüber dem Rubel-Kurs allmählich. Mit dem Anstieg des Ölpreises hat der Rubel zuletzt wieder an Stärke gewonnen. Das Problem dürfte sich im zweiten Quartal also verringern.

* Auswirkungen des globalen Produktionseinbruchs

Russland ist so einseitig vom Rohstoffexport abhängig wie kaum ein anderes großes Schwellenland. Öl und Gas machen fast zwei Drittel der russischen Ausfuhren aus. Aber auch die Stahl- und Metallindustrie spielen eine wichtige Rolle und haben den globalen Produktionseinbruch massiv zu spüren bekommen. Wenngleich die Einkaufsmanagerindizes sich zuletzt erholten, lässt sich diese positive Tendenz noch nicht in harten Zahlen ablesen. Die Industrieproduktion ist im April weiter eingebrochen – um 16,9 Prozent zum Vorjahr. Damit hat sich der Produktionsrückgang zum März sogar noch beschleunigt.

* Schlechtes Krisenmanagement der Regierung

Die Regierung war zum Jahreswechsel immer noch stark damit beschäftigt den kriselnden Bankensektor zu stützen – angesichts der traumatischen Erfahrungen der Russland-Krise von 1998 durchaus nachvollziehbar. Einige Ökonomen kritisieren jedoch, dass dabei die Stützung der restlichen Wirtschaft vernachlässigt wurde. Eine Studie der russischen Beratungsfirma FBK zum Beispiel kommt zu dem Ergebnis, dass die Maßnahmen der Regierung bisher wirkungslos blieben. Es sei nicht genug getan worden, um die Binnennachfrage anzukurbeln, heißt es in der Studie.

* Basiseffekt

Zumindest für den Vorjahresvergleich gilt: Die Zahlen werden durch eine starke erste Jahreshälfte 2008 nach unten gezogen. Damals bescherte die Ölpreisrallye der russischen Wirtschaft Boomraten. Dieser statistische Effekt wird wohl auch im zweiten Quartal die Vorjahresvergleichszahlen noch drücken.

An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Russland, Indien und Brasilien.

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