David Milleker – Rohstoffpreise und die Grenzen des Wachstums
Der Markteintritt vieler Schwellenländer läßt die Preise für Rohstoffe steigen. Konkurrieren nun immer mehr Volkswirtschaften um endliche Rohtstoffe, stößt die Weltwirtschaft bald an „die Grenzen des Wachstums“: Dieses Szenario entwickelte der Club of Rome breits 1972 – allerdings schlossen die Experten dabei nicht Nachfragedämpfungseffekte und erneuerbare Energien in ihre Überlegungen mit ein. Unter diesen geänderten Rahmenbedingungen ist weiteres Wachstum nämlich zweifelsfrei möglich.
Erinnern Sie sich noch an die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts? Die Angst vor Rohstoffknappheit, politischer Instabilität im Nahen Osten und weltweiter Überbevölkerung? Wenn ja, dann erinnern Sie sich vermutlich auch noch an ein wissenschaftliches Werk, das damals nachhaltigen Einfluss auf unser Bewusstsein nahm.
1972 veröffentlichte der Club of Rome das Werk „Die Grenzen des Wachstums“. Grundaussage dieser Studie war, dass in einer endlichen Welt unendliches Wachstum letztlich nicht möglich sei. Zum Glück ist keine der düsteren Vorhersagen, die aus dieser These abgeleitet wurden, bis heute eingetroffen. Unbestritten erinnert allerdings heute vieles an die damaligen Rahmenbedingungen, insbesondere weil wir seit 2003 mit beständig steigenden Rohstoffpreisen konfrontiert werden. Hat sich der Club of Rome vielleicht einfach nur in seinem Zeithorizont vertan?
Bevor wir ins Detail einsteigen, wagen wir einen sehr langen historischer Blick zurück. Es mag vor dem Hintergrund der jüngsten Rohstoffpreishausse überraschen, aber ein breites Bündel aus Rohstoffen hat heute relativ zu anderen Gütern ziemlich exakt den gleichen Wert wie 1950. Es ist in der Summe also 60 Jahre lang überhaupt nichts passiert.
Rohstoffpreise waren nicht mehr und nicht weniger als eine Kompensation für den allgemeinen Preisauftrieb. Diese Langfristbetrachtung blendet freilich aus, dass es in diesem Zeitraum von 60 Jahren zwei starke Aufwärtsbewegungen gab. Die erste von 1973 bis 1980, dann eine zweite ab 2003, welche bis heute anhält. Jeweils vor und nach diesen Preisschüben sind die realen Rohstoffpreise unter Schwankungen jahrelang gesunken. So war etwa der Rohölpreis seit 1980 fast ein viertel Jahrhundert lang mit Ausschlägen um die 30 US-Dollar je Fass seitwärts gerichtet, so dass sich sein Wert relativ zu einem alternativen Bündel aus Waren und Dienstleistungen fortlaufend reduzierte.
Was erklärt nun den erstaunlichen Befund einer langfristigen Konstanz realer Rohstoffpreise bei periodisch sprunghaft ansteigenden Preisen? Zunächst einmal hat der Club of Rome recht mit seiner These, dass unendliches Wachstum in einer begrenzten Welt nicht möglich ist, sofern (!) es zu keinen Verhaltensänderungen kommt.
Diese Einschränkung ist wichtig, wie hier kurz an zwei Beispielen erläutert werden soll. Bis 1973 war es in jenen Staaten, die wir heute als westliche Industriestaaten bezeichnen, absolut üblich, dass der Ölverbrauch je Einheit produzierter Wirtschaftsleistung, das heißt die Energieintensität, zunahm. Zudem war es für den Verbrauch relativ unerheblich, ob der Ölpreis gerade mal stieg oder fiel. Man konsumierte die gleiche Menge.
Man kann sich das so vorstellen: Rohöl war ein Basisgut, über das nicht groß nachgedacht wurde und das unabhängig vom Preis verbraucht wurde. Mit den beiden Ölpreisschocks fand dann allerdings ein großes Umdenken statt. Ab 1974 in Europa, ab 1980 dann auch in den USA. Seither sinkt die Energieintensität kontinuierlich und erstaunlicherweise liegt der Ölverbrauch in dieser Region in absoluten Zahlen ausgedrückt heute auf dem gleichen Niveau wie 1980, bei einer Wirtschaftsleistung, die fünfmal höher ist. Es war diese Verhaltensänderung, die letztlich dazu geführt hat, dass seit 1980 der Rohölpreis 23 Jahre lang fast unverändert geblieben ist.
Wenn wir heute über steigende Rohstoffpreise reden, wird in einem Atemzug über den ungeheuren Rohstoffhunger der aufstrebenden Volkswirtschaften geredet, Chinas natürlich im Besonderen. In der Tat ist dies für Rohstoffmärkte wichtig. So hat sich etwa der Anteil der Rohölnachfrage aus den Emerging Markets, die jedes Jahr zusätzlich zu verzeichnen ist, von 13% Anfang der 80er Jahre inzwischen auf 50% erhöht.
Eines darf man dabei jedoch nicht unter den Tisch fallen lassen. Wir reden über Rohstoffnachfragestrukturen innerhalb dieser Länder, die unseren eigenen von vor rund 40 Jahren ganz gut entsprechen. Das gilt insbesondere mit Blick auf die nicht-vorhandene Nachfragedämpfung im Zuge steigender Rohstoffpreise, der sogenannten Preissensitivität.
Illustrieren lässt sich das mit einem kleinen Rechenbeispiel: Bei einem Wachstum von 9% würde unter den aktuellen Rahmenbedingungen China jährlich einen zusätzlichen Ölbedarf von 650.000 Fass pro Tag verzeichnen. Unterstellen wir im Gegensatz dazu perspektivisch ein Verbrauchsmuster, wie es in den USA heute anzutreffen ist, würde sich dieser jährliche Zusatzbedarf auf 306.000 Fass pro Tag reduzieren, bei einem Verbrauchsmuster wie in Deutschland auf 175.000 Fass pro Tag.
Kurz zusammengefasst, ist es unstrittig, dass die Welt mit Blick auf den Rohstoffverbrauch ihr gegenwärtiges Entwicklungsmuster nicht wird fortsetzen können. Allerdings wäre es ebenfalls unzutreffend, davon auszugehen, dass das gegenwärtige Entwicklungsmuster fortgesetzt wird. Sowohl auf der Verbrauchsseite (Niedrigenergiehäuser oder Hybridautos) als auch auf der Erzeugerseite (erneuerbare Energien) existieren bereits Technologien, die weiter steigende Wirtschaftsleistung bei gleichbleibendem oder sogar fallendem Bedarf an fossilen Energieträgern ermöglichen. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass sich diese Alternativen im Vergleich zur Verwendung konventioneller Erzeugungsmethoden derzeit betriebswirtschaftlich nur dann rechnen, wenn sie subventioniert werden.
Während die Grenzen des Wachstums in ihrer Verabsolutierung vermutlich ein Schreckensmärchen sind, ist die ökonomisch unangenehme Wahrheit für Verbraucherländer wie uns Europäer, dass es vermutlich einen Ölpreis in Regionen von 200 US-Dollar pro Fass braucht, um weltweit Verhaltensänderungen auszulösen, wie wir sie in den 1970er Jahren selbst durchlaufen haben.
Von David Milleker