Fabian Fritzsche – „Too low for too long“
Zu niedrige Leitzinsen und die daraus resultierende Immobilienblase gelten unter Experten als Auslöser der Finanzkrise. Aber der Rückkehrschluss – ein höheres Zinsniveau sei ein Garant für gesamtwirtschaftliche Stabilität und nachhaltiges Wachstum – ist ein Trugschluss.
Die Leitzinsen seien vor der Krise für eine zu lange Zeit zu niedrig gewesen. Die niedrigen nominalen und realen Zinsen hätten die Wohnungsmarktblasen in den USA, Spanien, Irland und Großbritannien ausgelöst oder zumindest wesentlich befeuert, das Platzen der Blase anschließend die aktuelle Krise mit verursacht. Dies ist mittlerweile eine weit verbreitete Annahme unter Wirtschaftsjournalisten und Ökonomen. Ausgehend von dieser Analyse wird dann ein grundsätzlich höheres Zinsniveau befürwortet, um spekulative Blasen zu vermeiden. Tatsächlich gibt es klare Hinweise auf einen Zusammenhang von Bauaktivität und dem Zinsniveau. Doch kann daraus der Schluß gezogen werden, ein höheres Zinsniveau wäre für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung besser?
Der Zusammenhang zwischen Hauspreisen und Zinsen ist bereits deutlich unklarer, der zwischen niedrigen Zinsen und steigenden Rohstoffpreisen wurde ebenfalls bislang nicht klar nachgewiesen. Führen niedrige Zinsen jedoch nicht einmal zu steigenden Immobilien- und Rohstoffpreisen, geschweige denn zu überbordender Verbraucherpreisinflation, stellt sich die Frage, wie sich die angebliche spekulative Blasenbildung niedriger Zinsen manifestiert. Denn eine höhere Bauaktivität ausgelöst durch Zinssenkungen ist gewünscht, es soll mehr investiert werden und mehr heißt schließlich nicht automatisch zu viel. So gab es sowohl in Großbritannien als auch in den USA vor der Krise kein bzw. nur ein begrenztes Überangebot an Häusern, welches längst abgebaut ist. In Irland und Spanien, wo es sowohl eine extrem starke Hauspreisentwicklung als auch ein massives Überangebot an Häusern gab und nach wie vor gibt, waren möglicherweise weitere Faktoren außer den niedrigen Zinsen ausschlaggebend.
Doch selbst wenn niedrige Zinsen eine Ursache von unerwünschten Entwicklungen ist, reicht dies nicht aus, um grundsätzlich höhere Zinsen zu begründen. Die Befürworter höherer Zinsen unterstellen explizit oder implizit, wenn niedrige Zinsen das Geld in eine falsche, unerwünschte Richtung lenken, würden es höhere Zinsen in die richtige Richtung lenken. Für diese Annahme gibt es jedoch keine Grundlage. Werden bei höheren Zinsen weniger Hypotheken nachgefragt und fließt weniger spekulatives Kapital auf die Rohstoffmärkte, führt dies keineswegs zu mehr Unternehmensinvestitionen. Im Gegenteil, auch für Unternehmen werden Investitionen dann teurer, es wird also insgesamt weniger investiert. Sollten spekulative Investitionen zudem im Durchschnitt eine höhere Rendite erwirtschaften als reale Investitionen in Maschinen und Anlagen, führt ein höheres Zinsniveau zwar zu sinkenden Investitionen in beiden Bereichen, der Anteil der spekulativen Anlagen in den Bankportfolien bzw. in der Volkswirtschaft wird aber sogar steigen. Ob höhere Zinsen also per se zu mehr volkswirtschaftlicher Stabilität führen, darf bezweifelt werden.
Dies schließ nicht aus, dass Zentralbanken auch die Preise von Vermögensgegenständen, Rohstoffen und Immobilien beobachten und interpretieren sollten und möglicher Weise ist auch ein Gegensteuern über Zinserhöhungen teilweise sinnvoll ist. Das Grundproblem ist jedoch, dass reale Investitionen im Vergleich zu vielen Finanzinvestitionen zu unattraktiv sind und dieses Grundproblem offenbar auch nicht durch ein dauerhaft höheres Zinsniveau gelöst wird. So einleuchtend die Forderung auf den ersten Blick sein mag – niedrige Zinsen verursachen spekulative Blasen, also müssen die Zinsen höher liegen – weder mehr gesamtwirtschaftliche Stabilität noch mehr reales, nachhaltiges Wirtschaftswachstum lassen sich auf diesem Wege erzielen. Um dies zu verwirklichen müssten statt dessen die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen verbessert werden, etwa über erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten, die (nicht kreditfinanzierte) Konsumnachfrage müsste steigen, um so Erweiterungsinvestitionen rentabel zu machen und schließlich müssten auch einige Finanzinvestitionen unattraktiver werden.
In GB gab es ( sicher auch durch die Preisentwicklung in den USA)eine zinshöhenunabhängige Erwartungshaltung an bessere Renditen über Hauskäufe als für andere Anlagen, die durch zusätzliche (geschürte) Inflationsängste verstärkt wurden..(wie zurzeit bei uns). Das in einigen Ländern der spekulationsindizierte Boom ausblieb, lag vermutlich an den restriktiveren Vergabekriterien (scorings) bei vergleichsweise niedrigen Einkommen. Standortvor- und -nachteile speilen eine weitere Rolle. Fazit, Niedrigzins ist ein Katalysator, die Erwartungshaltung bezüglich der Wertentwicklung und der berühmte Herdentrieb ein weiterer…
Steigende Preise bei gleichzeitigem Überangebot wie am Anfang der Entwicklung in Spanien oder Irland, gibt es auch bei uns. Ursache ist die Investorenrelevanz. In vielen deutschen Städten gibt es Ladenleerstände zu niedrigen Preisen en masse. Wenn aber alle Investoren im gleichen Viertel bauen, kaufen und vermieten wollen, weil sie dort die größte Nachfrage erwarten oder diese schon vorhanden ist, kommt Goldgräberstmmung auf. Selbst wenns fünf Straßen weiter aussieht, wie in einer vor hundert Jahren verlassenen
Goldgräberstadt.
Sie spielen auf Clinton an, der die Ansprüche der Amerikaner nach Wohneigentum befeuerte. Der frühe Vogel frißt den Wurm; und so profitierten auch die Käufer aus der zweiten Hälfte der 1990er trotz höherer Zinsen von der Blasenentwicklung durch die anfänglich niedrigen Angebotspreise und den später fallenden Zinsen zwischen 2001 bis 2008, während die sinkenden Zinsen unter Bush die Preise explodieren.ließen, durch den scheinbaren Zinsvorteil und die Wertsteigerungsraten der vorangegangenen Jahre .hunderttausende Amerikaner (und Institutionelle) immer spekulativer investierten; und anschließend in die Obdachlosigkeit, Schieflagen und Pleiten geschickt wurden.
Ihre Annahme, es gäbe lediglich unklare Zusammenhänge bezüglich Zinsen/Hauspreise wäre nicht nur damit widerlegt, sondern ist auch der Tatsache geschuldet, dass diese Entwicklung, wenn auch in abgeschwächter Form, bei uns im Land zu beobachten ist. Zinsen im Keller, während vor allem Bestandsimmobilien aus DM-Zeiten zu weit niedrigeren Baukosten unverhältnismäßig teuer geworden sind. .
Die Gier lag selbstverständlich auch auf Seiten der Banken, die mit immer höheren Forderungen die Bilanzen hübsch aufblähen konnten. Als man den Abschreibungsbedarf erkannte, kamen die Verbriefungen in Mode; den Letzten (Lehman) bissen die Hunde;. andere wurden mit in Staatsschulden umgewandelte Billionenpakete gerettet….
Unter den derzeitigen Bedingungen ist es sogut wie unmöglich, durch realwirtschaftliche Investitionen höhere Gewinne einzufahren als an den Märkten..Allerdings ist das Risiko ungleich höher. Für nachhaltiges Wachstum (BIP) sehe ich schwarz, selbst wenn man die Unternehmen weiter entlastet.. Diese Rechnung ist in den letzten 20 Jahren nicht aufgegangen, und wird mit einer Schuldenbremse ohne begleitende Maßnahmen auf der Einnahmenseite erst recht nicht.aufgehen…Zusätzlich werden der ESM und mögliche weitere “ politische Innovationen“ zu unkalkulierbaren Risiken auf der Ausgabenseite. .
Nachfragestärkung am Binnenmarkt über eine deflationäre Preisbaisse würde ich steigender Konsumnachfrage durch höhere Löhne (was anschließend wieder zu höheren Preisen führt)vorziehen.Schon klar, dass „der Markt“ nicht möchte, dass die gegenwärtige Stagflation aufgebrochen wird, indem wir die Marktmacht der Global Player und andere Marktkonzentrationen durch Regulierung wieder auf ein vernünftiges Maß zurückführen. Jedoch haben wir nur die Wahl zwischen weiter steigenden Schulden der Staatshaushalte und steigenden Konzern/Spekulationsgewinnen einerseits, und Reduzierung von Gewinnen und Vermögen auf Seiten der Konzerne und großen Kapital/Vermögenseigner zur Sanierung der Haushalte.andererseits. Die Vorhaben beider Seiten zu verwirklichen scheint bei Betrachtung der Entwicklung über die letzten 20 Jahre unmöglich.
Sagen wir es eher so: Das Ende der Tragfähigkeit ist bei höheren Zinsen schneller erreicht. Andererseits gilt auch: Soll eine bestimmte Eigenkapitalrendite erreicht werden, muss ich bei gegebener Gesamtkapitalrendite umso mehr Fremdkapital aufnehmen, je höher der Zins ist.
Bezüglich der US-Immobilienblase stimmt zwar, dass die Bonitätsprüfungen eher lasch waren und von Anbieterseite stetige Wertzuwächse prognostiziert wurden. Doch weshalb kam es dazu, weshalb waren die Prüfungen nicht gründlich genug und weshalb wurde nicht mit einem Ende des Booms gerechnet? Die gerne unterstelle Gier sollte es zudem bereits vorher gegeben haben und wenn nicht stellt sich die Frage, wieso die Kreditnehmer irgendwann in der zweiten Hälfte der 90er gierig wurden.
Die US-immobilienblase hatte zwei primäre Ursachen. lächerliche Bonitätsprüfungen und ins unendliche prognostizierte Wertzuwächse der Banken einerseits; und die Gier der Kreditnehmer, die jährlichen Wertzuwächse und eine damit verbundene bessere Bonität wieder über neue kredite verkonsumieren zu können. Zumindest in den USA hatten die niedrigen Leitzinsen damit wenig zu tun.
In Europa hat man sich über niedrige Leitzinsen für 3 -4 € einen € substanzloses Wachstum erkauft. Höhere Zinsen lenken das Geld nicht zwangsläufig in eine richtige Richtung; der Grad der Versuchung, sich bei steigenden Zinsen immer maßloser zu verschulden, wird jedoch mit Sicherheit abnehmen.