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[MarktWirtschaft] Aktien, Anleihen und Rohstoffe: Widersprüche erhöhen die Spannung

15. März 2012

Die Strategen der Tiberius Asset Management AG legen in einem heute veröffentlichten Positionspapier überzeugend dar, warum die Aktien-, Renten- und Rohstoffmärkte wegen zuletzt vollkommen widersprüchlicher Kursentwicklungen vor markanten Bewegungen stehen. Alarmiert sind sie vor allem bei Anleihen und dem Ölpreis.

Die Analysen der eigentlich auf Rohstoffe spezialisierten Tiberius Asset Management AG schätze ich sehr: Nicht nur, dass sie sich als bankenunabhängiges Haus eine freie, eigene Meinung leisten können. Vor allem aber sind die Analysen sachlich und „ideologiefrei“. Bei vielen sonst unabhängigen Vermögensverwaltern ist das anders; häufig liest man eine gewisse Befangenheit heraus, mit der Belege dafür gesucht werden, dass das eigene Weltbild von den Kapitalmärkten stimmt, sei es, dass Aktien bald dramatisch steigen werden, Teufelszeug sind oder Gold kräftig steigen muss.

Die heute verschickte Analyse legt meiner Meinung nach präzise dar, dass die Kapitalmärkte (Aktien, Anleihen, Rohstoffe) derzeit stark widersprüchliche Signale senden, die objektiv schwer erklärbar sind, allerdings kaum noch lange Bestand haben können. Und wie das nun mal so ist mit seltsamen Kursentwicklungen: Monatelang läuft es komisch, binnen Tage, wenn nicht Stunden, normalisiert sich dann alles wieder. Auch dieses mal?

Im einzelnen:

  • Einer muss lügen: Der Aktien- oder der Anleihenmarkt?
    Seit Oktober steigen die Kurse an den Aktienmärkten kräftig an, alleine der DAX legte fast 40 Prozent vom Tief zu, weltweit geht es aufwärts. Dieser Anstieg ist aber nicht mit einem Anstieg der Renditen für Bundesanleihen einher gegangen, wie man eigentlich vermuten könnte. Die Zehnjährigen rentieren weiter bei 1,8 Prozent. Das signalisiert, dass die Investoren am Anleihenmarkt weiter pessimistisch für die Wirtschaft sind – und Inflation überhaupt nicht als Gefahr sehen, andernfalls müssten sie die Papiere zu diesen Minizinsen unterhalb der Teuerung abstoßen. Die Tiberius-Analysten sehen darin eine Marktverwerfung, die auf Dauer nicht haltbar sei. Denn weder sei in einer brummenden Konjunktur ein Rückgang der Teuerung wahrscheinlich, noch sei hinreichend eingepreist, dass Deutschland für einen Großteil der Euro-Probleme eintreten müsse.
    Doch wer kauft Bundesanleihen  zu einem negativen Realzins auf diesem Niveau und angesichts der Risiken? Das sind, so Tiberius, schlicht die Banken, die eine einfache Wette eingehen: Geld zum Festzins von der EZB leihen – in der Summe über 1000 Mrd. Euro über die beiden „Dicke-Bertha“-Refinanzierungsoperationen – und es in Bundesanleihen stecken. Das ist besonders für die Geschäftsbanken der Euro-Peripherie attraktiv, zumal deren lokale Anleihen inzwischen wieder weit niedrigere Renditen abwerfen als noch im November. Die Ausfallrisken für die Bundespapiere sind minimal. Für dieses Modell spricht auch, dass die Banken schlicht sonst nicht wissen, wohin mit dem Geld – die Kreditnachfrage konnte ja schon vor den EZB-Manövern bestens bedient werden.
    Der „Haken“ ist natürlich, dass dabei unter dem Strich nur 0,8 Prozentpunkte Gewinn p.a. herausspringen – und man sich das Geld für 12-18 Monate leiht, die Anleihen aber zehn Jahre laufen. Das heißt, schlimmstenfalls schmieren die Bundesanleihen ab, ehe man das EZB-Geld zurück zahlen muss.  Was heißt das nun für die Anleihenmärkte? Beginnen die Anleihenrenditen zu klettern, drohen den Banken schnell herbe Verluste aus der Fristentransformation – und die Renditen der Bundesanleihen könnten sehr schnell nach oben schießen, weil Banken die Anleihen zur Verlustverhinderung bzw. -begrenzung „glattstellen“. Eine starke Abwärtsbewegung, folgern die Tiberius-Experten, stehe bei den Bundesanleihen unmittelbar bevor.
  • Einer muss falsch liegen: Der Aktien- oder der Rohstoffmarkt
    Von dem Geldsegen der Notenbanken und dem Konjunkturoptimismus profitieren zwar die Aktienmärkte, nicht aber die Rohstoffmärkte. Seit Oktober tritt der Dow Jones-UBS Commodity-Index auf der Stelle, lediglich Öl (s.u.) ist ein Sonderfall. Das sei, so Tiberius, insgesamt zwar in Teilen den Fundamentaldaten geschuldet und dem stärkeren US-Dollar. Es sei allerdings kaum wahrscheinlich, so die Tiberius-Strategen, dass das Spiel der „Inflationierung“ der Vermögenspreise  mit dem Notenbankgeld und der Konjunkturoptimismus nur zu steigenden Kursen am Aktienmarkt führe, aber der Rohstoffmarkt sogar Deflationsszenarien durchspiele, wie es etwa bei Agrarrohstoffen der Fall ist. (Hier exemplarisch einige Preisentwicklungen innerhalb der letzten zwölf Monate: Nickel  minus 34 Prozent, Zink minus 19 Prozent, Zinn minus 27 Prozent, Weizen minus 36 Prozent, Baumwolle minus 42 Prozent, Kaffee minus 30 Prozent, Kakao minus 39 Prozent, Erdgas minus 49 Prozent – bei Aktienmärkten, die auf Jahressicht mindestens behauptet oder wie der DAX klar im Plus sind)
  • Einer muss falsch liegen: Die Aktienmarkt oder der Ölmarkt  
    Im Umfeld ansonsten schwacher Rohstoffpreise hat der Ölpreis ein Eigenleben und klettert stetig an, alleine Brent-Öl um 15 Prozent seit Jahresbeginn. Paradoxerweise sei aber gerade der Ölmarkt derjenige, in dem der Preisanstieg überhaupt nicht von Fundamentaldaten gestützt werde, schreibt Tiberius: Der Rohölmarkt sei in einer Überschusslage, die USA machen sich unabhängig von Importen, die Energieagenturen korrigieren die Nachfrageprognosen 2012 herunter – als preistreibenden Faktor identifizieren die Tiberius-Analysten einzig den Iran-Konflikt und dessen drohende Eskalation. Allein: „Der Rohölmarkt besitzt [die Angst vor dem] Super-GAU exklusiv“, so Tiberius. Denn tatsächlich hätten ein kriegerischer Konflikt und ein dramatisch ansteigender Ölpreis ja auch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine globale Rezession oder zumindest böse Wachstumsdämpfer zur Folge. Um diese Gefahr scheren sich aber die Akteure am Aktienmarkt überhaupt nicht derzeit. Entweder greift also die Angst bald auf den Aktienmarkt über, oder aber aus dem Ölpreis muss „Luft“ entweichen.
  • Einer muss falsch liegen: Der Goldpreis oder alle anderen Metalle 
    Zugegeben: Der Gold-Pessimismus ist eine kleine Spezialität der Tiberius-Experten. Nun werden sie aber mutig: „Der von uns im Kapitalmarktausblick 2012 prognostizierte Übergang zu einem Bärenmarkt hat wohl begonnen“, heißt es in der heutigen Studie.  Der lange Aufwärtstrend stehe ebenso zur Disposition wie die (chartechnisch wichtige) 200-Tage-Durchschnittslinie, zumal noch immer große spekulative Kaufpositionen offen seien. Tatsächlich konnte sich der Goldpreis bislang standhaft dem Abwärtssog anderer Metalle auf Jahressicht entziehen; mit einem Plus von 20 Prozent ist es auf Sicht von zwölf Monaten noch der stärkste Rohstoff überhaupt.

Es dürften daher höchst spannende Wochen bevorstehen!  Besonders der Anleihenmarkt, wo die Renditen entgegen jeder Logik partout nicht steigen wollen (in den USA, wo das Fristentransformationsspiel ebenfalls läuft, auch nicht), lohnt derzeit einen ganz genauen Blick.

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  1. 17. März 2012 um 11:03
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