Schattenrat-Umfrage März
Die deutsche Wirtschaft dürfte zu Jahresbeginn 2012 bestenfalls knapp an einer Schrumpfung vorbeigekommen sein. Zu diesem Urteil kommen die führenden deutschen Konjunkturexperten in der März-Umfrage des FTD-Schattenrats. Danach rechnen sieben von 15 Experten nur mit einem Minimalwachstum von 0,1 Prozent im ersten Quartal. Drei Schattenräte sagen, dass die Wirtschaftsleistung sogar geschrumpft ist – was im Schnitt der Experten mit einer Wahrscheinlichkeit von 36 Prozent beziffert wird.
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt war nach zwei Jahren Boom bereits Ende 2011 abrupt geschrumpft. Nach zwei Minusquartalen hintereinander sprechen Ökonomen in der Regel von einer Rezession. An einer raschen Rückkehr zum Aufschwung, wie sie Optimisten zwischenzeitlich erhofft hatten, ließen zuletzt sinkende Auftragszahlen und Einkaufsmanagerindizes zweifeln. Ähnliches zeigte gestern die neue Umfrage des Münchner Ifo-Instituts, wonach sich das Geschäftsklima im März kaum mehr verbessert hat.
Das Risiko, dass es im ganzen ersten Halbjahr zu keinem nennenswerten Wachstum in Deutschland kommt, schätzen die Schattenräte immerhin auf 30 Prozent. Stark bremsend wirken nach Einschätzung der Chefökonomen und Konjunkturchefs vor allem die Auswirkungen der Sparprogramme bei wichtigen Handelspartnern: Quer durch Europa wird konsolidiert – Italien und Spanien stecken in der Rezession. „Da die deutsche Wirtschaft immer noch stark von Exporten abhängt, spielt die Rezession in der Euro-Peripherie eine dominante Rolle als Bremsfaktor“, sagte Carsten Klude, Chefvolkswirt der Privatbank M.M. Warburg.
So seien die Auftragseingänge aus dem Inland zuletzt nur leicht rückläufig, während das Minus aus dem Ausland wesentlich größer war – speziell bei Bestellungen aus der Euro-Zone, so Klude. Dorthin gehen rund 40 Prozent der deutschen Ausfuhren – davon allein zehn Prozent auf direktem Weg in die derzeitigen Hauptkrisenländer Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und Irland. „Damit ist diese Ländergruppe als Absatzmarkt fast genauso wichtig wie die großen Schwellenländer der Bric-Gruppe, in die etwa zwölf Prozent der Güter ausgeführt werden“, sagte Klude. Zu den Bric-Staaten gehören Brasilien, Russland, Indien und China. Die schwächelnde Konjunktur in den Schwellenländern nannte immerhin ein Drittel der Schattenräte als wichtigen Bremsfaktor für die deutsche Erholung.
Der deutlich gestiegene Ölpreis scheint dagegen noch kein allzu großes Problem zu sein. Nur knapp 20 Prozent der Befragten sehen ihn als großes Hindernis für die hiesige Konjunktur. Deutlich an Schrecken verloren hat auch die Schuldenkrise. Nur etwa zehn Prozent halten die Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Staatsschuldenkrise für einen Bremsfaktor.
Entwarnung geben die Schattenräte in dieser Hinsicht jedoch auch nicht. Nur ein knappes Fünftel der Befragten äußerte die Einschätzung, dass die Euro-Krise bereits vorbei sei. Immerhin jeder Vierte rechnet sogar mit einer Eskalation. Die Hälfte der Befragten sagt, dass die Krise zumindest noch eine Weile vor sich hin schwelen wird.
Im Laufe des Jahres werde es auf die politische Stabilität der Krisenstaaten des Währungsraums ankommen, sagte Bert Rürup, einstmals Chef im Sachverständigenrat und heute Vorstand der Beratungsfirma MaschmeyerRürup. Das größte Risiko seien die Wahlen in Griechenland. „Auch in Italien kann es zu einer instabilen politischen Lage kommen, da das Land derzeit eine nur bedingt demokratisch legitimierte Regierung hat“, sagt Rürup.
An den Märkten wird derzeit vor allem über Portugal als nächsten Umschuldungsfall spekuliert. Die Schattenräte sehen das mehrheitlich gelassener: Mit 13 Prozent glaubt nur eine Minderheit, dass es dieses Jahr zu einer Umschuldung in Portugal kommt. Fast die Hälfte der Befragten rechnet nicht damit. Zugleich räumen allerdings 40 Prozent der Experten ein, dass eine solche Umschuldung nicht prognostizierbar sei.
Trotz der anhaltenden Risiken sehen die Experten für die Europäische Zentralbank (EZB) derzeit keinen Handlungsbedarf. Gut die Hälfte der Schattenräte urteilt, dass die EZB ihren Leitzins auf absehbare Zeit unverändert lassen sollte. Erst wenn sich die konjunkturellen Warnsignale noch einmal deutlich verstärken, sollten die Währungshüter die Zinsen weiter senken, sagt jeder dritte Experte. Nur Rürup ist der Ansicht, dass der Leitzins in den kommenden Monaten erhöht werden sollte.
Eher gelassen sehen die Experten denn auch die große Liquiditätsspritze der Frankfurter EZB vom Dezember und Februar. Nur einer der Schattenräte sagt, dass die Inflationsgefahren im Euro-Raum für die nächsten zwei Jahre dadurch stark gestiegen sind. Gut die Hälfte der Ökonomen sieht das Risiko nur leicht gestiegen; 40 Prozent schätzen, dass die Inflationsgefahr überhaupt nicht gestiegen ist.
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28. März 2012 um 08:585 vor 10: Italien, Bildungskosten, Pharmamarkt, Schattenrat, Grafik-Rap | INSM Blog