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Holger Schmieding – Das griechische Risiko

4. Juni 2012

Das Warten auf den Ausgang des griechischen Dramas hält die Märkte in Atem. Zwar haben die griechischen Parteien, die den Spar- und Reformkurs stützen, in einigen Umfragen zuletzt einen Vorsprung erreicht. Aber das Risiko, dass eine linksradikale Regierung in Athen das Land aus dem Euro herauskatapultieren könnte, bleibt groß.

Hellas ist klein. Griechenland trägt gerade 2,2 % zur Wirtschaftsleistung der Eurozone bei. Nur etwa 0,5 % der deutschen Ausfuhr geht nach Griechenland. So gesehen könnte unsere Konjunktur einen Ausfall Griechenlands leicht verkraften.

Das eigentliche Thema in der Euro-Krise ist die Gefahr, dass Probleme in kleinen Randländern auf den wesentlich gesünderen Kern überspringen könnten. Mithilfe des im Mai 2010 aufgespannten Euro-Rettungsschirmes war es der Eurozone bis Mitte 2011 gelungen, die Schuldenkrise auf die kleinen Randländer Griechenland, Irland und Portugal zu begrenzen. Im Juli 2011 hat dann allerdings die Entscheidung eines EU-Gipfels, griechische Staatsanleihen umzuschulden, ohne das weit größere Italien gegen Ansteckungsgefahren abzusichern, derart massive Finanzmarktturbulenzen ausgelöst, dass selbst das strukturell gesunde Deutschland (mit einem Staatsdefizit von 1 % seiner Wirtschaftsleistung in 2011) unmittelbar von der Hochkonjunktur Mitte 2011 in einen leichten Rück-gang der Wirtschaftsleistung Ende 2011 gestürzt ist. Wie in einem Teufelskreis haben sich nach dem EU-Gipfel von Mitte Juli 2011 der Konjunktureinbruch, die Finanzmarktturbulenzen und die daraufhin ausufernden Finanzierungsprobleme der Banken gegenseitig immer weiter verstärkt. Erst mit den Dreier-Beschlüssen vom Dezember 2011 (EZB flutet das Bankwesen mit Dreijahresgeld, Bundesbank bietet dem IWF Geld an, nahezu alle EU-Staaten einigen sich im Grundsatz auf einen neuen Fiskalpakt) konnte die damalige Welle der Krise abebben und die deutsche Konjunktur sich Anfang 2012 wieder stabilisieren.

Ein griechischer Euro-Austritt kann erhebliche Ansteckungsgefahren auslösen. (i) Viele Anleger könnten ein gestiegenes Risiko sehen, dass auch andere Länder dem Beispiel folgen würden. Ein noch ausgeprägterer Käuferstreik für spanische und italienische Staatsanleihen könnte wie im Spätsommer 2011 zu massiven Turbulenzen an den Märkten führen. (ii) Aus Angst davor, dass auch ihre Einlagen dereinst von Euro in eine nationale Weichwährung umgestellt werden könnten, würden Sparer in Italien, Spanien und anderen Randländern vielleicht ihre Bankguthaben abziehen und in andere Länder überweisen wollen. Ein solcher Run auf Banken wäre die wohl größte unmittelbare Gefahr für die Stabilität der Eurozone insgesamt.

Allerdings sprechen viele Gründe dafür, dass Europa die Ansteckungsgefahren nach einigen ernsthaften Turbulenzen doch in den Griff bekommen könnte.
1. Vorangekündigte Katastrophen bleiben oftmals aus. Anleger und Sparer haben jetzt Zeit gehabt, sich auf den Eventualfall vorzubereiten.
2. Europa hat seinen Schutzwall gegen Ansteckungsgefahren gerade erheblich gestärkt. Mit dem neuen ESM und dem bestehenden EFSF stehen insgesamt € 550 Mrd. zur Verfügung, die noch nicht für andere Zwecke vorgesehen sind. Rechnet man die Mittel dazu, die für das zweite griechische Hilfspaket vorgesehen sind, aber noch nicht ausgezahlt wurden, erhöht sich der verfügbare Gesamtbetrag auf über € 600 Mrd.
3. Im Ernstfall könnte Europa wohl IWF Kreditlinien von bis zu € 150 Mrd. in Anspruch nehmen. Das entspräche etwa dem Betrag, mit dem europäische Länder die Ressourcen des IWF aufstocken wollen.
4. Anders als im Sommer 2011 ist den Entscheidungsträgern in Regierungen und Zentralbanken wohl mittlerweile bewusst, wie ernst Ansteckungsgefahren zu nehmen sind. Deshalb wäre im Ernstfall mit raschen und zielgerichteten Entscheidungen zu rechnen.
5. Die beiden größten Länder an der Euro- Peripherie, Spanien und Italien, haben mittlerweile erhebliche Wirtschaftsreformen eingeleitet. Deshalb würde es den anderen Euro-Ländern und im absoluten Ernstfall auch der EZB leichter fallen, sie gegen Ansteckungsgefahren abzusichern, als das vor den Regierungswechseln in Rom und Madrid im Herbst 2011 der Fall war.
6. Einer akuten Bankenkrise zu begegnen, ist das ureigenste Gebiet der Zentralbank. Sollte es zu einem Run beispielsweise auf spanische und italienische Banken kommen, würde die EZB vermutlich sofort mit den jeweiligen nationalen Zentralbanken versuchen, mit massiven Liquiditätsspritzen das Bankensystem zu stabilisieren. Auf eine ausgeprägte Konjunkturschwäche könnte die EZB im Sommer notfalls auch mit einer weiteren Zinssenkung reagieren. Wir halten dies nicht für wahrscheinlich, aber zumindest für möglich.

Auch der mögliche Einfluss eines griechischen Euro/Austritts auf den weiteren Verlauf der Euro-Krise ist unklar. Zum einen könnte eine griechische Katastrophe den Willen in anderen Ländern stärken, auf jedem Fall einem ähnlichen Schicksal zu entgehen. Darüber hinaus würde vermutlich die Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds aus dem Athener Debakel lernen und künftig die Sparauflagen für andere Länder etwas zeitlich strecken. Dieser Prozess hat offenbar begonnen. Andererseits könnten aber auch die drohenden Verluste für die Steuerzahler der Geberländer dazu führen, dass in den Geberländern der Widerstand gegen Hilfskredite für andere Euro-Länder steigt. Auch innerhalb der EZB könnte der Widerstand gegen weitere Käufe von Staatsanleihen noch einmal zunehmen. Sollten die aufgeschreckten Anleger befürchten, dass Ländern wie Spanien oder Italien im Notfall doch nicht geholfen würde, könnte dies das Risiko eines ausgeprägteren Käuferstreiks für Anleihen dieser Länder noch erhöhen.

Letztlich mag es für Europa kein Nachteil sein, dass die griechische Frage und das spanische Bankenproblem sich derzeit zuspitzen. Bisher haben die europäische Politik und die EZB auf Turbulenzen zwar oftmals spät aber dann doch reagiert. Wenn die Politik auch diesmal schlussendlich angemessen reagieren sollte, könnte sich die Lage nach der aktuellen Phase gesteigerter Risiken wieder entspannen. Hoffentlich ist auch Griechenland noch dabei. Aber sehr wahrscheinlich wäre dann wenigstens das spanische Bankenproblem gelöst.

  1. John Doe
    7. Juni 2012 um 20:17

    Da haben doch die beiden „blutsaugenden“ (Guy Verhofstadt) Parteien (Pasok und Nea Dimokratia), die über 30 Jahre und laut EU-Kommission insgesamt über 380 Mrd. Euro an internationalen Hilfen benötigten, um Griechenland auf den Status eines … Entwicklungslandes zu führen!

    Was erwarten Sie bloß von diesen beiden Parteien?

  2. John Doe
    5. Juni 2012 um 18:35

    Lieber Herr Schmieding,

    es ist schon erstaunlich auf welche Hilfstruppen Sie sich verlassen wollen.

    Da haben doch die Ihnen genehmen Hilfstruppen, die über 30 Jahre und laut EU-Kommission insgesamt über 380 Mrd. Euro an internationalen Hilfen benötigten, um Griechenland auf den Status eines … Entwicklungslandes zu führen!

    Sie wollen weiter des Troika-Versagens nach Plan, eigentlich wird nur der Washington Consensus exekutiert, den Vorrang geben.

    Sie wollen doch nicht, dass diejenigen gewählt werden, die ihr Geld im Ausland gebunkert haben und die Steuerflucht nicht nur zulassen, sondern noch fördern. Einer der größten Banker ist Herr Latsis. Über die Steueroase Zypern, die Schweiz ist er jetzt in Liechtenstein beheimatet.

    Sie scheinen dem Junkerschen Junktim zu folgen: „Wenn es ernst wird, muss man lügen!“

    Wen, Herr Schmieding, wollen Sie letztlich gerettet sehen?

  3. 4. Juni 2012 um 21:19

    Ich habe nur ein paar Fragen: Wer, kann sich für diese genannten Summen noch Verschulden? In der privat Wirtschaft?

    Und wer investiert diese Gelder wo hin?

    Wenn mir das einer beantworten kann, gebe ich ne Kiste Krombacher aus.

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