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[MarktWirtschaft] Geldanlage im Facebook-Zeitalter: „Motif Investing“ geht an den Start

7. Juni 2012

Gibt es in der Anlagebranche eigentlich noch wirklich nützliche Innovationen – oder nur noch teuren Tinnef, aufgewärmte Garantiesysteme  („nach unten abgesichert, nach oben dabei“) und vor allem alten Wein in neuen Schläuchen? Falsch! Es gibt auch richtig gute Ideen. Wie etwa vom US-Startup „Motif Investing“, das am Montag an den Start ging.

Die Beschäftigung mit Geldanlage hat einen Nachteil: Sie ist fürchterlich unsexy. Riester-Rente, mickrige Tagesgeldzinsen oder die Frage nach einem unterbewerteten DAX-Wert sind wahrlich keine Themen für den Party-Smalltalk oder das Mittagessen. Dabei haben selbst Leute, die wenig oder nichts mit Aktien zu tun haben, bisweilen klare Thesen über  Trends in der Gesellschaft oder dem Konsum, sei es aufgrund ihrer Beobachtungsgabe, ihres Berufs oder ihrer Freizeitgestaltung: Machen Tablet PCs die Notebooks und Desktop-PCs platt? Werden Leute künftig mehr beim Discounter kaufen? Ist die Outdoor-Branche im Kommen? Steht die Biotechbranche vor einer Reihe von medizinischen Durchbrüchen bei Wirkstoffen? Daddeln wir bald alle vom Baby bis zum Greis mit unseren Smartphones mobil im Internet?

Wer an solche Trends glaubt, kann auch entsprechend sein Geld anlegen – kennt aber nur selten die richtigen Aktien dafür, es sei denn, er liest Anlegerzeitschriften.

Genau hier setzt das am Montag an den Start gegangene US-Startup „Motif Investing“ an: Auf der Seite des Finanzdienstleisters können sich Nutzer auf die Suche nach Investmentmotiven machen und ihr Geld gezielt in einen Korb von 20 bis 30 Aktien stecken, die von diesem Motiv profitieren dürften. Man sucht sich als Kunde eines der derzeit 90 Motive aus, investiert eine beliebige Summe an Geld und kann anschließend noch die Gewichtung der Aktien in dem entsprechenden Korb nach dem persönlichen Geschmack variieren. Oder den Vorschlag übernehmen. Der Preis für den Kauf eines solches Korbs: Schlappe 9,50 Dollar.

Bei den Motiven sind der Phantasie keinen Grenzen gesetzt: Bekannte Themen sind vertreten wie etwa das Motiv Mobile Internet (mit Aktien wie Qualcomm, Xilinx, Verizon, Apple), „Rezessionssicherheit“ (mit Heimwerker- und Konsumaktien und Titeln mit niedrigen Schulden), „Dividendenstärke“, aber auch sehr kreatives wie „Renaissance der Nuklearenergie“, „Most Likes“ (Aktien von Unternehmen mit der größten Facebook-Fangemeinde), „Discount Nation“ (mit Billigketten) oder „Caffeine Fix“ (mit lauter Kaffee-Titeln und Kaffeehausketten), „Retail-Stars“ (mit angesagten Modeketten) oder dem Motiv „Sieben Todsünden“ (wo im übrigen die Rubrik „Gier“ von Goldman Sachs und Morgan Stanley abgedeckt wird). Die Gewichtung innerhalb des jeweiligen Aktienkorbs wird vorgeschlagen, kann aber von Käufern verändert werden.

Im Kern ist Motif Investing somit ein (billiger) Aktien-Discountbroker, der es Kunden erheblich vereinfacht, ihr Geld halbwegs diversifiziert und anhand eines Motivs anzulegen, statt ihm die Suche zu überlassen. 

Eine lustige Spielerei, könnte man meinen. Und eine Menge Blödsinn ist natürlich auch vertreten bei den Motiven. Beides richtig. Und auch mit „Themeninvestments“ über Zertifikate und Fonds haben viele Anleger in der letzten Dekade auch keine guten Erfahrungen gemacht. Bei „Motif Investing“ wird allerdings nicht eine Sau von allen durchs Dorf getrieben (und in einem Jahr die nächste), sondern 90, Tendenz steigend, und der Anleger entscheidet, welche er für aussichtsreich hält. Nutzer können zudem selbst Motive vorschlagen oder weiterentwickeln.

Und was ist überhaupt so schlimm daran, wenn Geldanlage mit einem kleinen Teil des Vermögens auch mal Spaß macht und aus einer Intuition heraus forciert wird statt anhand komplexer Fundamentalanalyse? Im Alltag die Augen aufzumachen ist bei der Geldanlage jedenfalls ein guter Berater, und eine hohe Identifikation mit der Strategie und den Werten eines Portfolios (statt mit einem anonymen Indexfonds) doch etwas nettes: Wer jahrelang zufriedener Fahrer von BMW oder Hyundai ist, sollte womöglich einfach mal über Hyundai- oder BMW-Aktien nachdenken, und wer mit offenen Augen gesehen hat, wie rasant sich Iphones oder in den 90er Jahren Handys verbreitet haben, hätte vielleicht besser mal die Beobachtung umgesetzt.

In Deutschland hätte Motif Investing – gegründet übrigens von einer Ex-Merrill-Lynch-Bankerin und einem M&A-Spezialisten von Microsoft – vermutlich noch keine Chance und würde eher Spott der Besserwisser ernten, die ihr Geld auf Sparbüchern real verschimmeln lassen und Aktienanleger für geistig unzurechnungsfähig halten. In den USA hingegen fallen die ersten Reaktionen sehr wohlwollend aus, etwa im Blog des WSJ, oder der New York Times, dem Business Insider oder vielen weiteren Quellen, obwohl die Idee so neu gar nicht ist, wie Forbes ausführt. Vielleicht ermächtigt sich ja hierzulande jemand der Idee und kopiert sie einfach – die Herren Samwer, lesen Sie hier mit?

  1. John Doe
    7. Juni 2012 um 20:11

    Wie war das noch mal mit dem Beweis des Börsengangs durch Facebook. Wir sollten nur mal abwarten, das wird der Renner aller Zeiten! Was hatte JPM an Kommentar parat: Alle sind nur „Muppets“!

    Sucht dieser start-up auch nur „Muppets“?

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