[MarktWirtschaft] Schluss mit dem Target-Rumgejammer oder Erscheint Euch ständig der Untergang des Abendlands im Traum?
Es war ja so klar, das Geschrei war mal wieder groß. Nun weist die Bundesbank doch tatsächlich eine Target-Forderung von 700 Mrd. Euro gegenüber der EZB aus. Die Albträume der größten Euro-Skeptiker scheinen wahr zu werden. Die Deutschen haften und haften – Fässer ohne Böden, werden mal wieder auf Fässer ohne Böden gestapelt. Selbst wenn die Forderung in den nächsten Wochen und Monaten noch auf mehr als 800 Mrd. Euro steigt, es zeichnet sich längst ab, dass das nächste Problem gerade ganz woanders aufploppt.
Statt jeden Monat von neuem aufzuschreien, weil es wieder 50 bis 60 Mrd. Euro mehr an Target-Forderungen bei der Bundesbank geworden sind, lasst uns doch bitte alle etwas nüchterner die Zahlen betrachten. Sicher, die Summe ist gewaltig, die sich die Banken von der EZB für bis zu drei Jahre geliehen haben: zuletzt waren es mehr als 1100 Mrd. Euro, vergangenen Dezember waren es nur 665 Mrd. Euro.
Das Gute in der aktuellen Lage ist jedoch, dass sich diese Summe seit Anfang März praktisch nicht mehr ändert – bislang jedenfalls noch. Dies bedeutet zugleich, dass sich am Risiko der Bundesbank sowie der im Eurosystem zusammengeschlossenen Notenbanken und somit auch im Target-System rein gar nichts ändert – und das seit 14 Wochen. Aber dazu gleich etwas mehr!
In einer eher konservativen Grobschätzung hatten wir bereits Anfang März, also kurz nach dem zweiten Drei-Jahrestender, vorhergesagt, dass die Target-Forderung der Bundesbank in den folgenden Wochen und Monaten mindestens auf 700 Mrd. Euro steigen wird. Zum Vergleich: Ende 2011 waren es nur rund 460 Mrd. Euro. Diesen Anstieg konnte jeder erahnen, der sich auch nur ein bisschen die Zahlen angeschaut hat, auch ein Professor Sinn oder die anderen Diagnostiker eines angeblichen „Target-Wahnsinns“!
Denn solange niemand die Kapitalflucht und somit diese Krise im Euro-Raum stoppt (EZB als Kreditgeberin der letzten Instanz für Staaten, Gemeinschaftsanleihen – auch ohne gemeinsame Haftung, Bankenunion) fließt eben alles nach Deutschland. Wie gesagt, die 700 Mrd. Euro waren etwas konservativ geschätzt. Nehmen wir an, dass rund 75 Prozent der von der EZB vergebenen Bankdarlehen am Ende in Deutschland landen (so wie es 2011 bis zum November war), dann müssten wir schon längst bei mehr als 800 Mrd. Euro liegen.
Das nur als Hinweis für den Fall, dass sich wieder jemand Anfang Juli über die Target-Forderung der Bundesbank vom Juni wundern wird. Im Sommer werden wir uns noch über ganz andere Dinge den Kopf zerbrechen als die wachsende Target-Forderung der Bundesbank.
Kommen wir zurück zum wahren Risiko der Bundesbank, also dem Betrag, der nun schon seit einem Quartal stagniert. Es gibt eine Obergrenze für die Target-Forderungen oder -Verbindlichkeiten im Eurosystem. Das ist die Summe an Darlehen, die die EZB oder besser gesagt die nationalen Notenbanken an die Banken ausreichen, wobei die Finanzinstitute Sicherheiten mit einem Abschlag auf den Marktpreis hinterlegen müssen, – aktuell machen die Darlehen wie bereits erwähnt rund 1100 Mrd. Euro aus.
Die Bundesbank haftet für den Fall, dass Banken im Euro-Raum ausfallen und die hinterlegten Sicherheiten auch nach Jahren der Abwicklung nichts mehr Wert sind. Aktuell geht es hier um eine Summe von gut 300 Mrd. Euro für die Bundesbank, aber nur für den Extremfall, dass wirklich alle Geldinstitute (die sich Geld von der EZB geliehen haben) ausfallen und deren Sicherheiten sich nicht mehr losschlagen lassen.
Rein juristisch liegt die Haftungssumme also bei weit weniger als den 700 Mrd. Euro, die die Bundesbank aktuell als Target-Forderung ausweist. Das liegt daran, dass die Bundesbank nur 27 Prozent aller Verluste im Eurosystem der Notenbanken im Extremfall mittragen muss.
Die Target-Forderungen von 700 Mrd. Euro kommt wiederum dadurch zustande, weil Gelder nach Deutschland fließen, entweder zur Finanzierung von Einfuhren aus Deutschland oder aus welchem anderen Grund auch immer. Die Kapitalflucht läuft entweder als Darlehen an hiesige Finanzinstitute oder durch den Kauf von Staatsanleihen. Im Gegenzug fließen jedoch keine Mittel (als Darlehen deutscher Geschäftsbanken) mehr zurück.
Zum Großteil wird dieser grenzüberschreitende Geldzustrom über die EZB finanziert, weil deutsche Institute als traditionelle Finanzierungsquelle im Euro-Raum ausgefallen sind und sie ihre überschüssige Liquidität lieber bei der Bundesbank parken – Ende April waren es 450 Mrd. Euro inklusive einem kleinen Teil an Mindestreservehaltung.
Die Target-Forderung der Bundesbank sinkt dann wieder, wenn die Geschäftsbanken ihre EZB-Darlehen reduzieren, oder dann, wenn die Darlehen im Fall einen Euro-Austritts oder –Zusammenbruchs abgebaut werden müssten – in welchem Zeitraum auch immer. Nun fürchten Hans-Werner Sinn und andere Skeptiker, dass die Maximalhaftungssumme eben nicht bei den aktuell 300 Mrd. Euro liegt sondern eher bei den 700 Mrd. Euro, die die Bundesbank derzeit als Target-Forderung ausweist.
Als Grund nennt Sinn unter anderem, dass es keine Rechtsgrundlage für den Abbau der Darlehen und damit der Target-Salden für den Fall eines Euro-Austritts gibt. Es könnten ja Notenbanken in den Krisenstaaten auf Forderungen gegenüber den Banken sitzen bleiben, die somit ihre Verbindlichkeiten gegenüber der EZB und die wiederum am Ende gegenüber der Bundesbank niemals begleichen würden.
Nun gibt es genügend Gründe, weshalb man an dieser Targetpanikmache Sinns zweifeln sollte: Die Währungshüter können die Anleihen, die die Banken als Sicherheiten für ihre Darlehen hinterlegt haben, über Jahre gestreckt verkaufen oder sie warten einfach ab, bis diese getilgt werden – von Staaten, Unternehmen oder Banken.
Die Notenbanken wie die Bundesbank können theoretisch Jahre warten, weil sie auch nach einem Ende des Euro nie Pleite gehen werden – auch deswegen, weil sie als Hüterin einer neuen D-Mark weiterhin hohes Vertrauen genießen dürfte. Der deutsche Steuerzahler würde also rein gar nichts davon merken.
Zudem werden die hinterlegten Anleihen laufend zu Marktpreisen bewertet, die zudem auch nie vollständig beliehen werden können. Griechische Geldhäuser hinterlegen mittlerweile zum Teil EFSF-Anleihen, die sie durch die jüngste Rekapitalisierung von der griechischen Regierung zugeteilt bekommen haben, hier geht es um eine Summe von 18 Mrd. Euro. Ähnlich wird es jetzt auch bei den spanischen Banken ablaufen, wo eine Summe von bis zu 100 Mrd. Euro im Gespräch ist.
Wer noch mehr Chaos und Kontrollverlust fürchtet, etwa weil nationale Notenbanken sich eventuell nicht die Regeln im Eurosystem halten könnten, der sollte wissen, dass die Notenbanken auf deutlich mehr Sicherheiten sitzen, als die Banken tatsächlich in regulären Geschäften mit den Notenbanken beleihen. Dies dient unter anderem dazu, dass Banken Schwankungen im Liquiditätsbedarf (Salden im Zahlungsverkehr) ausgleichen, die innerhalb eines Tages auftreten können, wobei die Salden zum Tagesende jedoch immer wieder ausgeglichen werden.
Ende 2011 war es eine Summe von 2450 Mrd. Euro an Sicherheiten, die überall im Euro-Raum verstreut hinterlegt wurden. Zur Erinnerung: Ende 2011 hatte das Eurosystem Darlehen an Banken von damals „nur“ 864 Mrd. Euro ausstehen. Klar können die Notenbanken in normalen Zeiten auf diese Sicherheiten nicht zugreifen. Aber wir spekulieren hier über nicht so normale Chaoszeiten: In der Summe sind die Liquiditätsgeschäfte der EZB im absoluten Extremfall somit also fast dreimal so stark abgesichert.
Von 2450 Mrd. Euro an Anleihen, wurden Ende 2011 grenzüberschreitend 730 Mrd. Euro genutzt, d.h. die Sicherheiten waren in einem anderen Euro-Staaten hinterlegt, als dem Land, wo sich die jeweilige Geschäftsbank Geld bei der Notenbank geliehen hat. Und nun für die ganz großen Skeptiker: 227 Mrd. Euro davon lagen in Luxemburg, 119 Mrd. Euro in Belgien und immerhin noch 95 Mrd. Euro in Deutschland.
Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass die Bundesbank bei einer Verwertung von Sicherheiten auch auf Verlusten sitzen bleibt. Über eine Summe von 700 Mrd. Euro oder noch viel mehr würden wir tatsächlich aber erst dann sprechen, wenn all die Schuldner, deren Anleihen bei den Notenbank als Sicherheiten liegen, ausfallen und das auch erst dann, wenn all die Banken, die sich bei der EZB Geld geliehen haben, zuvor zahlungsunfähig geworden sein sollten – also irgendwas in der Größenordnung von 3500 Mrd. Euro an ausfallenen Darlehen.
Nun überlegen wir uns mal kurz, was passieren würde, wenn all diese Schuldner in den nächsten, sagen wir zehn Jahren, ihre Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen können, wenn zuvor all diese Banken ausfallen, die sich derzeit noch Geld von der EZB leihen. Richtig, wird reden hier von einer Massenpleite unvorstellbaren Ausmaßes, vom Untergang des Abendlandes gewissermaßen. Dabei ist es nun komplett einerlei, ob wir dann noch ein Target-System hätten oder nicht.
Nun stellen wir uns mal kurz hypothetisch vor, eine Abwicklung des Euro und des gesamten Zahlungssystem lässt das Abendland doch nicht untergehen – davon dürften ja zumindest die Befürworter eines Euro-Endes ausgehen – Milliardenverluste durch Chaos und Konjunktureinbruch eingeschlossen. Dann stellen wir uns mal vor, dass es die meisten der Schuldner mit den 700 Mrd. Euro an Anleiheschulden noch geben wird, dass auch ein Großteil der Banken irgendwie überlebt und sich nach ein paar turbulenten Jahren alles irgendwann wieder beruhigt. Ja, dann dürften die Verluste der Bundesbank auch bei deutlich weniger als den 300 Mrd. Euro liegen, die aktuell als Maximalrisiko bei der deutschen Zentralbank verbucht sind.
Deswegen ist Target so komplett irrelevant bei der Suche nach dem Risiko der Bundesbank – egal ob die Bundesbankforderung nun 700 Mrd., 800 Mrd. oder am Ende sogar 1100 Mrd. Euro ausmacht. Es sei denn natürlich, wir erwarten den Untergang des Abendlandes, dann sollten wir jedoch unsere verlassenen Atombunker schleunigst mit Konserven auffüllen nicht mehr über die nahende Target-Apokalypse schwadronieren! Lasst uns endlich über was anderes jammern!
Bisher bin ich gar nicht zu dem Punkt gekommen, den ich noch erwähnen wollte. Der Punkt hat allerdings auch mit Target zu tun, denn ein Gutes hat das Zahlungssystem ja schon, die Salden zeigen sehr schön, wo das Kapital flüchtet und wo es hin fließt. Hier kann man Herrn Sinn schon mal herzlich danken für die Entdeckung der Targetsalden, aber bitte für nichts mehr und nichts weniger!
Die obrige Grafik zeigt, wie die Refinanzierungssumme der italienischen Banken bereits vollständig als Target-Verbindlichkeiten gegenüber der EZB bei der Notenbank auftauchen. Das Erstaunliche ist nun, wie schnell diese Gelder Italien bereits wieder verlassen haben. Die Frage ist nun, wenn die Banken jetzt kein frisches Geld mehr bekommen, weil ihnen vielleicht die Sicherheiten fehlen, was dann passiert?
Es dürfte kein Zufall sein, dass ausgerechnet im April die Banken in Italien und Spanien fast schon aufgehört haben, Staatsanleihen ihrer eigenen Länder zu kaufen. Parallel dazu steigen auch wieder die Zinsen in den Ländern. Zudem erleben wir doch, wie krass sich überall im Euro-Raum die Konjunkturfrühindikatoren im April/Mai verschlechtert haben. Das wird kein gemütlicher Sommer werden, wenn in Deutschland die Exporte weiter einbrechen und die Krisenländer noch tiefer in den Abwärtssog gerissen werden und die Schuldenstände überall explodieren.
„Ja, dann dürften die Verluste der Bundesbank auch bei deutlich weniger als den 300 Mrd. Euro liegen, die aktuell als Maximalrisiko bei der deutschen Zentralbank verbucht sind.“
Reicht Ihnen das nicht? Mir schon. Ist annähernd das Volumen des Bundeshaushaltes.
Wenn man Target2 statisch sieht, dann erscheint alles harmlos: Es existieren zwischen Notenbanken ein paar Forderungen, die dazu (teilweise?) noch besichert sind. Nun diskutiert man sehr ausführlich darüber, was die Sicherheiten im Ernstfall wert sein könnten.
Wenn man Target2 allerdings als Indikator sieht, dass sich die Eurozone in einer schweren fundamentalen Schieflage befindet, die sich nicht so einfach korrigieren lässt, dann ist es durchaus berichtigt, sich große Sorgen um hohe Target2 Salden zu machen. Nehmen wir mal den wahrscheinlichen Fall an, dass die Südländer aufgrund ihrer mittlerweile zu hohen Löhne nicht mehr wettbewerbsfähig sind, dann gibt es nur noch zwei Alternativen:
1.) Die starken Länder transferieren permanent Kapital in die schwachen Ländern. Folge: Ständige, vermutlich sehr ernsthafte Konflikte zwischen den starken und schwachen Ländern. Ausgang ungewiss.
2.) Die schwachen Länder treten aus der EU aus und führen ihre eigene Währung ein, die daraufhin stark abwertet. Folge: Staatsbankrott dieser Länder (können die Verpflichtungen in Euro nicht mehr bezahlen). Immense Kosten für die starken Länder. Die Sicherheiten von Target2 sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind.
Was Herr Kühnlenz schreibt, ist gut und schön, wenn alle sich an die Regeln halten. Das haben sie schon bislang nicht getan, und im Falle des (angeblichen) GAU werden sie es noch viel weniger tun.
Klartext: Target2 wird relevant, wenn die Währungsunion zerbricht. Scharnier ist hier die EZB, sie ist formelle Gläubigerin (z.B. der griechischen Notenbank) und andererseits Schuldnerin (z.B. Deutschlands). Angenommen der Euro samt EZB verschwindet, oder der (süddominierte) EZB-Rat beschließt, die Forderungen abzuschreiben — was soll Deutschland dann machen? Krieg führen? Bei der EZB sind eben gerade KEINE Sicherheiten hinterlegt, und die nationalen Notenbanken haben bei Target2-Krediten gerade KEINE an die Bundesbank übertragen. Würden sie das im Falle eines Euro-Zerfalls nachholen? Gewiß nicht! Sie bräuchten die verbleibenden Sicherheiten dringend, um eine eigene, neue Währung zu starten. Am Ende würde man sich auf irgendeinen Kompromiß einigen, der – da gebe ich Herrn Kühlenz recht – nicht auf die völlige Abschreibung hinausliefe — aber eben doch auf eine sehr weitreichende.
Was bedeuten nun die „Kapitalflüsse“ nach Deuschland, daß (Paradebeispiel) „griechische“ Euros in „deutsche“ umgewandelt werden (die fehlenden Sicherheiten zur Rekapitalisierung der Bundesbank muß nachher der Staat, also der Steuerzahler, bereitstellen). Wenn z.B. griechische Rentner 100 Milliarden nach Deutschland überweisen, können sie nach einer Währungsreform damit genauso viel kaufen, wie deutsche Rentner mit 100 Milliarden „deutschen“ Euros. Der Gegenwert dieses Geldes muß von der deutschen Volkswirtschaft erwirtschaftet werden. Da nun griechische Euros in Wirklichkeit nur einen Bruchteil des nominellen Wertes besitzen – sie sind halt nicht gedeckt! – wird über den Zeitpunkt einer Währungsreform hinaus die deutsche Wirtschaftskraft der Zukunft teilweise ins Ausland verschenkt.
Es sei denn – und da liegt der Hase im Pfeffer – wir entwerten auch die deutschen Euros. Geld ist ja in unserem Kreditgeldsystem nur eine handelbar gemachte Forderung. Zu jedem (Geld-)Vermögenden gehört also ein Schuldner – und das ist allen voran Vater Staat. Der aber kann die Schulden nur begleichen, indem er sie den Vermögenden (oder den Erwerbstätigken, die in diesem Umfang dann kein Vermögen mehr aufbauen können) wegbesteuert! Volkswirtschaftlich eine reine Umverteilung ohne Schaden – entwertet man das Geld, dann entlastet man umgekehrt die Bürger. EIn Schaden entsteht nur für ausländische Gläubiger – z.B. unsere griechischen „Rentner“ oder für die Chinesen mit ihren Euro-Währungsreserven.
Dasselbe gilt natürlich umgekehrt für die Billionenforderungen Deutschlands gegen andere (EU-) Staaten, wenn diese ihrerseits Währungsreform machen. Das wird genau deshalb irgendwann auch geschehen. Denn: glaubt jemand ernsthaft, Griechenland, Spanien etc würden dieses Geld irgendwann real, also kaufkräftig, zurückzahlen? Hunderte Milliarden Euro aus spanischen Steuermitteln nach Deutschland transferieren? Nein. Sie werden die Rückzahlung wie bisher mit immer neuen, höheren Schulden vom Gläubiger selbst bezahlen lassen, solange das geht. Danach werden sie abwerten.
Fazit: eine große Währungsreform wird kommen. Je länger sie auf sich warten läßt, desto länger finanziert Deutschland mit seinen Handelsbilanzüberschüssen andere EU-Länder – formell auf Pump, in Wahrheit geschenkt. Daher: je eher, desto besser. Und: daran anschließend muß entweder wieder eine nationale Währung her oder ein Neo-Euro mit ganz anderen Mechanismen.
„Deswegen ist Target so komplett irrelevant bei der Suche nach dem Risiko der Bundesbank – egal ob die Bundesbankforderung nun 700 Mrd., 800 Mrd. oder am Ende sogar 1100 Mrd. Euro ausmacht.“
Quark, denn:
Die prozentual weltweit größten Nettoauslandsschuldner sind Portugal, Spanien, Irland und Griechenland mit über 100% Nettoauslandsschulden. Deren Pleite und damit notwendigen Streichung der Auslandsschulden ist unausweichlich. So als Argentinien 2001/2002 mit 60% Nettoauslandsschulden Pleite gegangen ist (Deutschland 1931 mit 70%) und diese durch die Insolvenz komplett los wurde und somit langsam neu durchstarten konnte. Target2, Rettungsschirme und Eurosystemanleihenkäufe dieser Länder sind Insolvenzverschleppung zu Lasten der öffentlichen Hände Hollands, Finnlands und Deutschlands. Ohne diese Instrumente wären diese Länder schon lange pleite, aber die Privatanleger hätten die Quittung bezahlen müssen und diese Länder hätten von Altlasten befreit , aber ohne neue Kredite, so wie Argentinien, auf sich selbst zurückgeworfen einen Neustart beginnen können. Übrigens, Länder wie Italien und Frankreich können keine neuen Nettoauslandsschulden vertragen ohne selber pleite zu gehen.
Hier sind mal ein paar gegensätzliche Meinungen:
Die Obergrenze der Target2 Forderungen ist zwar die Summe der Ausleihungen der NB an die Banken aller schwachen Ländern insgesamt, jedoch können sich die Banken dieser Länder scheinbar nur noch über die NB refinanzieren, so dass diese Ausleihen immer weiter ansteigen und es somit letztlich keine feste Grenze ist, es sei denn, die NBs finanzieren irgendwann die Bank komplett.
Die juristische Haftungsgrenze der BuBa wäre relevant, wenn alle anderen Haftungsgeber die gleiche Bonität hätten, was jedoch nicht der Fall ist.
Sicherheiten: Der Bankensektor von Griechenland oder Spanien scheint überschuldet zu sein. Auf der Aktivseite der Bankenbilanzen sind Kredite und Sicherheiten zu hoch bewertet und auf der Passivseite das Eigenkapital. Wenn sich diese Institute, wie sie am Beispiel Italien selbst ausführen, nur noch über die ZB refinanzieren können, wie kann dann die Zentralbank werthaltige Pfände und Sicherheiten besitzen?
Das Problem ist doch letztlich, dass viele Marktteilnehmer von einem Gleichgewichtsmodell ausgehen. Was wäre denn, wenn die Eurokrise in Wirklichkeit eine Krise der unterschiedlichen Kulturen in Europa wäre? Vielleicht funktioniert unsere Kultur nur mit einer harten Währung und andere Kulturen nur mit einer weichen Währung? Vielleicht kann man es nie ändern, dass Italien immer deutlich mehr Korruption als Deutschland hat? Wenn sich Kulturen aber nur sehr langsam ändern, haben wir dann letztlich eine unlösbare Krise? Ist das Scheitern jetzt schon vorprogrammiert?
Möglicherweise wären die schwachen Länder in der EU nur noch wettbewerbsfähig, wenn sie die Möglichkeit hätten, ihre Währung um 50% abzuwerten. Was wäre aber, wenn die schwachen Länder mit dem Euro die Löhne nicht um 50% senken und die starken Ländern gleichzeitig die Löhne nicht um 100% erhöhen können?
Das Target2 Risiko ist letztlich abhängig von der Stabilität der Euro-Staatengemeinschaft.