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[MarktWirtschaft] Mit Essen spielt man nicht – Renditegrab Agrarrohstoffe

26. Juni 2012

Die LBBW steigt bei ihren beiden Rohstoff-Publikumsfonds aus der Spekulation mit Agrarrohstoffen aus. Ein PR-Coup, der obendrein der Rendite gut tun dürfte. Denn auf Agrrarohstoffe als Anlageform war in den letzten vier Dekaden Verlass: Als Kapitalvernichter.

Ziemlich genau fünf Jahre ist es her, da galten Agrrarohstoffe als erstklassiges Langfristinvestment. In ganzseitigen Anzeigen für Rohstofffonds fuhren Erntemaschinen über Felder, und das Anlagemotiv klang so einfach wie plausibel: Die Weltbevölkerung wächst nun mal und brauch immer mehr zu essen, da müssen die Agrarrohstoffe zwangsläufig steigen, denn so schnell hält der Ausbau der seit 1965 unverändert großen Ackerflächen da nicht mit. Und wenn die Chinesen erst mal alle zwei Tassen Kaffee pro Tag trinken! Und wenn die Inder Lust auf Süßes bekommen….. Obendrein tourte Jim Rogers durchs Land mit seinem Faible für Rohstoffe, so dass gar nicht mehr ins Gewicht fiel, dass er jahrelang den immergleichen Vortrag hielt, an dem nicht einmal die eingestreuten Witze variierten.  

Heute hingegen sind Agrarrohstoffe „Bäh“ und ein echtes Imagerisiko, obwohl die preis- oder volatilitätstreibende Wirkung von Investoren im Rohstoffmarkt von ebensovielen Studien bestritten wie belegt wird.  Eine Adresse nach der anderen steigt dennoch vorsichtshalber aus der Spekulation mit Agrarrohstoffen aus, gestern etwa die LBBW. Moralisch ist das zu begrüßen. Aber ob hinter dem Schritt nur die Angst vor einem Imagedesaster steht? Denn der Rauswurf aller Agrarrohstoffe aus einem Rohstoffportfolio verbessert nicht nur die Außendarstellung, sondern auch die Chancen, überhaupt etwas zu verdienen, denn Agrarrohstoffe sind ein Renditegrab: Zieht man alleine die reinen Preisveränderungen der physischen Rohstoffe zur sofortigen Lieferung (Spotpreis) heran, so kletterte der S&P GSCI Rohstoffindex für Agrarprodukte (enthält u.a. Weizen, Mais, Soja, Baumwolle, Zucker, Kaffee, Kakao) seit 1970 um im Schnitt 3,4 Prozent pro Jahr. Nominal.  

Maßgeblich aus Sicht eines Bäh-Spekulanten mit Agrarrohstoffen sind aber nicht die Spotpreis-Veränderungen, denn mit der teuren Lieferung und Lagerung der Rohstoffe will er ja nichts zu tun haben, sondern die am Terminmarkt zu einer Lieferung in der Zukunft. Üblicherweise investiert ein Bäh-Spekulant in einen Terminkontrakt zu einer Lieferung zu einem künftigen Zeitpunkt, naht der Liefertermin, verkauft er den Kontrakt einfach und kauft einen mit einer längeren Laufzeit. Er ist so stets in den jeweiligen Rohstoff investiert, muss sich aber nie um Lieferung oder Lagerung sorgen.

Auch diese für Bäh-Investoren relevante Preisentwicklung wird in einem gesonderten Index abgebildet, dem so genannten „Excess Return“, im Gegensatz zum „Spot-Return“. Und gemessen daran haben Investoren mit Agrarrohstoffen seit 1970  im Schnitt 0,9 Prozent verloren – und das Jahr für Jahr. (Einen schönen Überblick liefert diese Seite, die Startwerte sind jeweils 1970 = 100). Lediglich die den Rohstoffinvestments eigenen Zinserträge (für ein Rohstoffengagement muss nur ein Teil der Anlagesumme in Terminkontrakte investiert werden, der Rest bleibt verzinst liegen) haben es geschafft, einem Bäh-Investor in Agrarrohstoffe seit 1970 wenigstens die Kaufkraft zu erhalten – die reale Rendite betrug 0,6 Prozent p.a., falls es jemand genau wissen will. Zum Vergleich: Bei Rohstoffen insgesamt waren es 9,1 Prozent pro Jahr.

Ansonsten ist der Markt für Agrarohstoffe für Buy & Hold-(Bäh-)Investoren eine No-Go-Area, will man kein Geld verlieren, es sei denn, man beherrscht die Klaviatur der Terminmarktkurven von Kaffee, Zucker & Co. oder hat die Märkte mit ihren jeweiligen Angebots- und Nachfragesituationen exzellent im Blick. Gegenwind hat man in jedem Fall, auch als Profi: Die negative Rendite von Agrarrohstoff-Investitionen über den Terminmarkt hat einen einfachen Grund: Weil niemand gerne für die Lagerung aufkommt, kostet eine Tonne Zucker, Mais, Kakao…. zur Lieferung in einem Jahr in der Regel mehr als eine Tonne zur sofortigen Lieferung. Stellt  ein Bäh-Spekulant somit einen bald fälligen Terminkontrakt glatt und kauft einen mit längerer Laufzeit, entstehen „automatisch“ Verluste. Entsprechend geben auch die meisten Zertifikate auf Agrarrohstoffe ein trauriges Bild ab.

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