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Die Kolumne – Amerika stöhnt auf hohem Niveau

28. September 2012

Die wirtschaftliche Bilanz von Barack Obama gilt als Flop. Dabei stehen die USA gemessen an den historisch üblichen Folgen einer Megafinanzkrise unter dem Präsidenten ziemlich gut da.

Amerikas Konjunktur scheint wieder zu schwächeln. Im Land sind Millionen mehr Menschen arbeitslos als früher. Und selbst ehemalige Anhänger sind bitter enttäuscht von Barack Obama. Hat der US-Präsident, der vor vier Jahren begeistert gewählt wurde, versagt? Gemessen an der Ernüchterung wirkt das so.

Die Frage ist nur, ob das nicht überhöhten Erwartungen geschuldet ist – und einem gewagten Verständnis davon, was es bedeutet, in einer Post-Bubble-Economy zu leben: einer Wirtschaft, die von den Nachwehen einer geplatzten Vermögensblase und strukturellem Bankenkriseln so geprägt ist, wie es zuletzt in den schlimmen 30er-Jahren der Fall war.

Gut möglich, dass die Amerikaner da gar nicht so schlecht dastehen. Zumindest besser, als es nach so einem Schock vor vier Jahren zu befürchten war. Die Bilanz könnte gar nicht so weit von dem entfernt sein, was erreichbar war.

Was anders ist als 1929

Es hätte eine Menge dafür gesprochen, dass sich die Tragödie wiederholt, die mit dem Börsencrash von Oktober 1929 begann. Damals wie Mitte 2007 war eine jahrelange Euphorie geplatzt. Damals wie diesmal verdienten Banker im Schnitt am Ende 60 bis 70 Prozent mehr als andere. Damals wie jetzt löste der Crash eine Kettenreaktion aus, weil offenbar wurde, wie sehr die Vermögen der einen die Schulden der anderen waren. Und beide Male kam es mehr als ein Jahr nach Krisenstart – 1931 wie 2008 – zu Bankenkollaps und Panik.

In den 30ern führte all das in eine Depression ohne Ende. Die US-Industrieproduktion brach um fast die Hälfte ein, vom Export blieb gerade ein Drittel. Bis 1933 stieg die Arbeitslosigkeit von 1,5 auf knapp 13 Millionen, jeder Vierte war ohne Job. Da fielen die Preise, setzte eine gefährliche Deflation ein. Und als es Anzeichen für eine Besserung gab, folgte die nächste Rezession – bis 1941 die Kriegswirtschaft für schwindende Arbeitslosigkeit sorgte.

Auch wenn es heute Einlagensicherungsfonds gibt, die Bankruns verhindern: Dass die Weltkonjunktur in den Monaten nach dem Lehman-Schock ähnlich einbrach wie 1930, lässt erahnen, was zu befürchten war und nicht eingetreten ist. Amerikas Industrie hat einen Großteil der Verluste von 2009 wettgemacht. Die Leistung der US-Wirtschaft erreichte 2011 wieder Vorkrisenniveau, dafür brauchte es nach 1929 eineinhalb Jahrzehnte. Die Arbeitslosenquote stieg zwar, blieb aber weit unter den 25 Prozent 1933 – und ist seitdem auf gut acht Prozent gefallen. Immerhin.

Die Verschuldung der US-Unternehmen ist derweil auf dem niedrigsten Stand seit 2001, die der Finanzbranche auf dem Niveau von 2003. Und: Amerika verkauft weltweit heute sogar zehn Prozent mehr als vor Krisenausbruch. Das ist ein Anstieg, der selbst deutsche Exporteure in der Zeit alt aussehen lässt.

Es spricht viel dafür, dass Regierende und Notenbanker in den 30er-Jahren unfreiwillig dazu beitrugen, aus dem Crash eine Tragödie werden zu lassen. Schnell ließ US-Präsident Herbert Hoover zwar Steuern senken und Konzernchefs zusammenkommen, damit sie jetzt nicht Investitionen kippen und Leute entlassen. Nur half der nette Wille bei zunehmender Depression wenig, und auch der Kaufkraftgewinn war bescheiden, wie der Berliner Wirtschaftshistoriker Carl-Ludwig Holtfrerich erklärt.

Zehn Jahre Horror

Ansonsten wollte Hoover bloß keine Schulden für Konjunkturpakete, bibberte vor Inflation, wo Deflation drohte (Gruß an Herrn Weidmann), ließ dafür Importzölle anheben und weigerte sich, den Dollar vom Gold abzukoppeln und abzuwerten – was es der Notenbank ermöglicht hätte, Wirtschaft und kriselnde Banken mit Geld zu stützen. Worin führende Ökonomen wie Barry Eichengreen den Grund für das Desaster sehen. Nur so lässt sich verstehen, warum mancher Obama-Berater am liebsten noch mehr Konjunkturprogramme auflegen würde; warum es keine Importzollmanie gibt; warum Notenbankchef und Wirtschaftshistoriker Ben Bernanke wie kirre Liquidität in eine Wirtschaft zu geben versucht, die in Deflation zu rutschen droht, weil alle Privaten Schulden abzubauen versuchen – siehe oben. Wie im Horrorjahrzehnt nach dem Crash von 1929.

Wie die US-Ökonomen Carmen und Vincent Reinhart beim Vergleich etlicher Bankenkrisen herausfanden, folgen so einem Schock selbst in weniger gravierenden Fällen meist viele Jahre, in denen das Wirtschaftswachstum im Schnitt einen Prozentpunkt niedriger ausfällt als vorher – Länder sind in solchen Phasen anfällig für neue Rezessionen, die Untergangsspezialisten wie Nouriel Roubini seit Jahren prophezeien.

Vergebens. Der Double Dip blieb bislang aus. Und die US-Wirtschaft wuchs in den vergangenen beiden Jahren im Schnitt um knapp zwei Prozent – das ist nicht einmal ein Prozentpunkt weniger als in den fünf Jahren vor der Krise. Sprich: historisch nicht so schlecht. Eher gut.

Natürlich gab es all das nicht umsonst, zur Bilanz gehört auch die Gegenseite: eine bislang kaum abgebaute Neuverschuldung und eine aufgeblähte Notenbankbilanz. Und natürlich gilt es, diese Lasten abzubauen, je stärker die verbleibende Rückschlagsgefahr abnimmt. Es spricht nach aller historischer Erfahrung nur vieles dafür, dass es besser war, die Tragödie erst abzuwenden, um mit neuer Kraft die Schulden abzubauen. Was noch zu beweisen bleibt, klar (dazu mehr in den nächsten Wochen).

Wer heute gegen Geldfluten und Staatsschulden wettert, muss belegen, dass ein Absturz wie damals ohne all dies ausgeblieben wäre. Über Inflationsgefahr und Schulden wurde auch 1932 geschimpft – das Ergebnis ist bekannt. Und dass so etwas auch heute noch passieren kann, zeigen Griechen wie Spanier, denen Austerität empfohlen wurde, als hätte es die 30er-Jahre nicht gegeben. Jetzt haben sie die Arbeitslosenquote, die Deutsche und Amerikaner 1933 hatten.

Es wäre natürlich besser, Amerika hätte gar keine Arbeitslosen mehr, und es gäbe wieder stabile Konjunktur wie früher. Und Obama hätte das ein oder andere seit Herbst 2008 noch besser machen können. Nur lassen sich die Folgen einer solchen Bankenkrise nunmal nicht wegzaubern. Selbst vom Messias nicht.

Email: fricke.thomas@guj.de

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  1. EXE
    30. September 2012 um 00:30

    Der Unterschied liegt ja auch im Detail.

    Klar waren staatliche Stützungsmaßnahmen notwendig, um einen Zusammenbruch der Wirtschaft zu vermeiden, wenn man der Meinung ist, es organisatorisch meistern zu können. Es ist auch richtig, makroökonomisch vernünftig zu handeln, und eine ‚double dip‘-Recession zu vermeiden, wenn diese droht.

    Deshalb sind trotzdem 6 Billionen Dollar Defizit eine stolze Summe für die Herr Obama verantwortlich ist. Die Krise kam ihm gerade recht, ordentlich Geld rauszuhauen. Sogenannte Konjunkturpakete (alias Korruptionsmittel) haben noch nirgends nachhaltige Effekte gehabt, außer nicht zu unterschätzende psychologische Wirkungen.

    Das heißt im Klartext, dass Obama bereits vier Freischüsse beim „Russisch-Roulette“ verballert hat. Werden die Haushaltsprobleme (Fiskal cliff) nicht plötzlich durch einen Aufschwung [Woher soll er in den gesamten USA kommen?] gelöst, bleibt außerdem kein Freischuss mehr zur Unterstützung der Wirtschaft durch die Notenbank wie dies etwa unter einem erheblich restriktiveren Kurs unter Clinton der Fall war, oder man nimmt den Inflationstod in Kauf.

    Zweifellos darf man nicht den Fehler machen wie Japan, doch ohne Haushaltskürzungen (gefühlt mit der Kettensäge) sehe ich die USA mittelfristig auf einem relativen Abstiegskurs, da viele Probleme (Konsum-Geschäftsmodell, Wegbrechen von Steuereinnahmen durch Outsourcing, Probleme durch Kapitalimporte) nicht weginflationiert werden können, sondern Zeit brauchen.

    Die USA sind ein großes Land mit ebenfalls unterschiedlichen Regionen. Staaten mit guten naturwissenschaftlichen Fakultäten und Unternehmen stehen doch ganz anders da, wie die ganzen Staaten, die etwa mit NRW zu vergleichen sind.

    PS: Übrigens hatte Hoover die Steuern auf 63% Spitzensteuersatz erhöht, wodurch die Arbeitslosigkeit erhöht wurde und die Depression sich ausbreitete. 75% war dann Roosevelts ‚New Deal‘.

  2. R.B.
    29. September 2012 um 10:32

    Amerika. Du hast es besser.
    Dieses schönfärberische Bild, das im Artikel gezeichnet wird, hat leider mit der Lebenswirklichkeit einer zunehmenden Zahl von Amerikanern wenig zu tun.
    Folgender Artikel ist vor Kurzem in der ZEIT erschienen, die ja einen ähnlichen wirtschaftspolitischen Ansatz wie die FTD verfolgt und insofern relativ unverdächtig ist:

    Zeit des Zorns
    Auf den Spuren John Steinbecks – eine Reise durch den kaputten Süden der USA“
    http://www.zeit.de/2012/35/USA-Sueden-Oklahoma

    Eine rhetorische nicht ernstgemeinte Frage:
    Ist es nicht besser Fehlentwicklungen und Blasen gar nicht erst entstehen zu lassen als diese hinterher, nachdem sie sich manifestiert haben, zu bekämpfen?

    Jeder Arzt wird sagen: „Vorsorgen ist besser als heilen“.
    Ich vermute das ist Motivation und Anliegen unseres Bundesbankpräsidenten.

  3. David
    29. September 2012 um 03:58

    30iger Jahre und heute sind sicher schwer vergleichbar. Vermute mal, das in dieser Zeit die beiden wichtigsten Regionen in eine Krise verfallen sind (Europa und USA). Mir fehlt die Betrachtung wie sich der starke Wechselkursverfall zu Waehrungen wie Renmimbi, BRL, AUD, CND usw. auswirken sowie generell der Einfluss der wachsenden Schwellenlaender auf die US Zahlen. Ich frage mich, ob es Amerika wirklich so gut geht, wenn man mal so die abermillionen Essensmarken an Beduerftige betrachtet… aber ok, es ist eine Kolumne, die einen Fakt auf den Punkt bringen moechte… :o) ..

  4. Randnotiz
    28. September 2012 um 23:38

    Herr Obama ist nur ein höherer Sachwalter von Zions (Rothschilds) Gnaden, so wie alle Präsidenten seit 1913 vor ihm. Kein amerikanischer Präsident hatte und hat Macht im landläufigen Sinne. Er tut, was ihm gesagt wird. Wenn nicht – siehe Kennedy. Der hat US-Dollar an der FED vorbei ausgegeben und sich dem Vietnamkrieg verweigert. Das hat ihn das Leben gekostet. Nixons erste Amtshandlung war es, die Dollars wieder einzukassieren und Amerika in den Krieg zu schicken.
    Obamas Pech ist es, nun der Konkursverwalter des totgelaufenen Zinseszins-Schneeballsystems zu sein. Obamacare – geschenkt. Das ist die Spielwiese, die man dem jeweiligen Statthalter zugesteht. Der Rest ist alles nur Show, das, was Amerika eben am besten kann. Das System ist mausetot. Jeder weiß es. Ich bin sicher, auch der Autor weiß es. Der Crash von 1929 wird sich gegen den anstehenden Supergau in der der Rückschau wie ein laues Lüftchen ausnehmen.
    Tschüß, Amerika. Du warst mal unterhaltsam, jetzt bist Du nur noch am Ende, ein sterbender Riese. Ein angebissener Apfel allein macht heute keine Weltmacht mehr.

  5. Alexander
    28. September 2012 um 22:48

    Ich frage mich, wenn doch so viel Liquidität in den Markt gepumpt wird, warum schlittert die USA derzeit wieder in ein Double Dip? Die Schulden explodieren, die Wirtschaft legt Entlassungsprogramme auf, Umsätze und Gewinne brechen ein, das Transportgewerbe sackt ab, der Einzelhandel hat mit über 9% einen herben Einbruch erlitten, wir haben über 40 Millionen Menschen, die ohne Essensmarken nicht überleben können und die USA steht vor einem fiskalischen Kliff.

    In wie fern, ist die Krise besser verlaufen? Sie ist ja noch nicht ein mal vorbei, alle Indizes verweisen auf eine Verschärfung der Krise, wie kann man rückblickend über eine Krise sprechen, die noch im vollen Gange ist?

  6. 28. September 2012 um 21:17

    Reblogged this on SCHLEUDERGANG und kommentierte:
    Ich bin irgendwie ziemlich gespannt, ob die Amis noch einmal Obama wählen. Nicht, dass ich nicht auch ein wenig enttäuscht von ihm wäre – und das mit dem Friedensnobelpreis war echt eine blöde Idee – aber niemand soll sagen, er habe das Land nicht zum Besseren gewendet und niemand soll sagen, Romney könnte es besser.

  1. 28. September 2012 um 11:33
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