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Fabian Fritzsche – Einmal mehr ist Inflation ein großes Thema in Deutschland

18. Oktober 2012

Einmal mehr ist Inflation ein großes Thema in Deutschland, doch nicht etwa weil die letzten Preissteigerungsraten so hoch gewesen wären. Die Jahresrate wurde für den September mit 2,1% angegeben und der Trend zeigt seit Ende letzten 2011 nach unten und auch die Öl- oder sonstigen Rohstoffpreise gaben keinen Anlass zur Besorgnis.

Dennoch warnten Bundesbankpräsident Weidmann, Bankenverbandspräsident Schmitz, die Wirtschafsweisen in ihrem Herbstgutachten, Finanzminister Schäuble sowie ein großes deutsches Nachrichtenmagazin einhellig vor der kommenden oder gar schon stattfindenden Entwertung der deutschen Sparguthaben. Wie es zu übermäßig hohen Inflationsraten kommen soll, bleibt jedoch unklar, angeführt wird lediglich die expansive Geldpolitik der EZB, die in wenigen Jahren oder bereits jetzt zu Vermögensverlusten führe.

Für die angeblich schon jetzt stattfindende schleichende Enteignung wird jedoch allenfalls sehr indirekt die Inflation selbst verantwortlich gemacht. Vielmehr wird es als Problem für die Sparer angesehen, dass die Zinsen durch die EZB-Politik unterhalb der Inflation liegen. Das ist zwar insbesondere in Deutschland richtig, allerdings wäre es gerade für Kleinsparer wenig sinnvoll, die Inflation unter das Zinsniveau zu drücken. Denn dafür müssten die Lohnabschlüsse und damit letztlich die Rentenerhöhungen noch niedriger ausfallen als ohnehin schon. Der Preis für ein wenig mehr Realzins auf dem Sparbuch wären dann also reale Einkommensverluste. Und höhere Zinsen sind auch für Deutschland in einer Situation unterdurchschnittlichen und nachlassenden Wirtschaftswachstums keine zielführende Empfehlung. Zudem ist es fraglich, ob EZB-Zinserhöhungen überhaupt zu steigenden langfristigen Zinsen in Deutschland führen würden. Schon jetzt fließt viel privates Kapital aus den Krisenländern nach Deutschland und sorgt für sehr niedrige Zinsen. Zinserhöhungen, die das Wirtschaftswachstum belasten, würden diesen Trend wahrscheinlich eher verstärken und die langfristigen Zinsen hierzulande damit niedrig halten.

Die wirkliche Inflationsgefahr wird jedoch ohnehin in der Zukunft gesehen – das allerdings seit Jahren. Spätestens mit der Senkung des Refinanzierungssatzes auf 1% im Jahr 2009 wird mit Verweis auf die expansive Geldpolitik vor hoher Inflation in den kommenden Jahren gewarnt. Es ist jedoch schleierhaft, wie es bei deutlicher Unterauslastung der Produktionskapazitäten (auch in Deutschland), Rekordarbeitslosigkeit in der Eurozone, stagnierenden Einkommen und einer extrem schwachen Kreditvergabe zu Preisdruck kommen soll. Weder das Fehlen eines schlüssigen Wirkungsmechanismus noch die ständigen Fehlprognosen halten jedoch offenbar vor immer neuen Inflationswarnungen ab.

Auch in anderen Ländern gibt es gelegentlich eine Inflationsdiskussion, doch ist die Angst in Deutschland offenbar besonders ausgeprägt. Als Grund wird immer wieder die deutsche Hyperinflationserfahrung angeführt, die sich tief ins kollektive Gedächtnis eingeprägt habe. Das mag zwar stimmen, allerdings war Deutschland neben den USA auch am stärksten von der Weltwirtschaftskrise in den frühen 1930er Jahren und ihren bekannten Folgen betroffen und dabei handelte es sich um eine Deflationskrise. Die Erfahrung von Massenarbeitslosigkeit und drastisch fallenden Einkommen scheint demnach weniger dauerhaften Eindruck hinterlassen zu haben als die Geldentwertungen der frühen 1920er Jahre und nach dem Zweiten Weltkrieg. Wo auch immer die Gründe liegen, Tatsache ist, dass der Hinweis auf Inflationsgefahr in Deutschland populär ist, der Verweis auf die Notwendigkeit expansiver Politik in Zeiten der Krise hingegen als unseriös und leichtsinnig gilt. Auch diese Art von Populismus, scheinbar seriöse, vernünftige Forderungen zu stellen, sollten Politiker vermeiden. Denn sicherlich kann darüber gestritten werden, ob eine weitere Zinssenkung in der aktuellen Situation überhaupt noch Auswirkungen hat. Unbestreitbar sollte aber sein, dass eine expansive Politik bei tiefer Rezession und hoher Arbeitslosigkeit in der Eurozone notwendig ist. Inflationsgefahr droht nur dann, wenn die Politik auch in einem kräftigen Aufschwung expansiv bleibt, doch davon ist die Eurozone derzeit sehr weit entfernt.

  1. 30. Oktober 2012 um 23:50

    Die EZB Politik verhindert lediglich, dass die Zinsen zu hoch sind. Natürlich könnte sie mit einer restriktiven Geldpolitik die Zinsen hoch bringen in dem sie die Geldmenge verknappt oder weniger stark ausweitet. Dies würde aber letztlich zu Unterbeschäftigung führen und der Zins wäre auch nur deshalb hoch weil Preise starr sind. Der niedrige Realzins entspricht dem was ökonomisch sinnvoll ist, wenn die Nachfrage nach Ersparnisse derart hoch ist und man gleichzeitig einen Großteil potentieller Investoren (halbe Eurozone) meidet, weil die Solvenz fragwürdig ist. Ich sehe auch nicht, wie man in einer Situation mit hoher Verschuldung und hoher Sparnachfrage hohe Zinsen volkswirtschaftlich vertreten könnte. Die Auswirkungen der Zinsen habe ich hier mal prägnant dargestellt:
    http://makrointelligenz.blogspot.de/2012/10/die-auswirkungen-niedriger-realzinsen.html

  2. Peter Noack
    20. Oktober 2012 um 10:35

    Sehr geehrter Herr Fritzsche!
    Sie kritisieren die immer gleiche Debatte um Inflation in Deutschland. Auch bei 2 % jährlich sinken die Vermögen in 20 Jahren fast um die Hälfte, wenn Nullzins bestehen bleibt. Andere Wirtschaftsprobleme bleiben dabei völlig unberücksichtigt. Geringes Wirtschaftswachstum unter Eins % dürfte die Banken schwer treffen. Wie wird sich die Wirtschaft im Future entwickeln, wenn Unternehmen und Privathaushalte nicht stärker investieren und konsumieren. Kann jemand mit den Wortgruppen konsumtive Investition oder investive Konsumtion anfangen? Wieviel Geld müsste das Fed drucken, bis die Unternehmen und Privathaushalte die Schwäche der Wirtschaft in den USA ausgeglichen haben? Vergleiche Paul Krugman: Vergesst die Krise. Zu vermuten ist, dass weitere 5 Tausend Mrd. $ nicht ausreichen werden. Sollte das zutreffen, gibt es keine Marktwirtschaft mehrt, weil das Wachstum dann ausschließlich vom Staat ausgeht.
    Ihr Gästeblock bringt nicht einmal eine neue Idee in die Debatte geschweige denn einen Lösungsansatz für die genannten Probleme. Das liegt jedoch an ihrer theoretischen Grundposition, die keine Lösungsansätze mehr ausweisen kann.
    Schwören Sie dem Monetarismus der neoliberalen Wirtschaftslehre ab.

  3. merijnknibbe
    19. Oktober 2012 um 15:27
  4. Fabian Fritzsche
    19. Oktober 2012 um 11:07

    Fleischer :

    Kurz bevor am 1.Juli 1990 hier bei uns die DM eingeführt wurde,waren alle Waren mit
    2 Preisschildern ( in M und in DM ) versehen worden..das selber passierte kurz vor der
    € –

    Wenn die Unternehmen so einfach die Preise verdoppelt könnten, wieso warten sie dann bis zu einer Währungsumstellung?

    Zur Umstellung von DDR-Mark auf DM kann ich wenig sagen, bei der Euroeinführung wurden jedoch ganz sicher – auch wenn es offenbar das Gefühl vieler Menschen widerspiegelt – nicht sämtliche Preise mal eben verdoppelt. Das statistische Bundesamt arbeitet sehr akurat und transparent, es gibt keinerlei Grund, an diesen Angaben zu zweifeln und auch unabhängige Überprüfungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

    Googeln Sie z.B. mal nach Preisen von Ende der 90er, gerade bei Lebensmitteln hat sich da wenig verändert. Und selbst Benzin, wo es einen durchaus kräftigen Anstieg gab, ist zwischen Ende der 90er Jahre und heute um „nur“ 5,5-6% pro Jahr teurer geworden.

    Dass man hingegen heute von 500 Euro weniger kaufen kann, also vor einem Jahrzehnt mit 1000 DM ist unbestritten, im Schnitt ist die Kaufkraft dieses Betrages um etwa 20% gesunken.

    • John Doe
      22. Oktober 2012 um 10:47

      „Dass man hingegen heute von 500 Euro weniger kaufen kann, also vor einem Jahrzehnt mit 1000 DM ist unbestritten, im Schnitt ist die Kaufkraft dieses Betrages um etwa 20% gesunken.“

      Wie kommt sowas zu Stande?

  5. Fleischer
    19. Oktober 2012 um 10:07

    Sehr geehrter Herr Fritzsche,
    alle Berichte,die ich zum Thema Inflation..nicht nur in den letzten Wochen..gelesen habe,gehen vom Future aus.Aber wir,vor allem in den sogenannten NBL haben schon
    seit 22 Jahren massive Kaufkraftverluste..und nichts anderes ist eine Inflation!
    Kurz bevor am 1.Juli 1990 hier bei uns die DM eingeführt wurde,waren alle Waren mit
    2 Preisschildern ( in M und in DM ) versehen worden..das selber passierte kurz vor der
    € – Einführung.In beiden Fällen handelt es sich bis heute um strafrechtlich relevanten,millionenfachen Währungsbetrug! Denn jedesmal erfolgte die Umrechnung nicht nach dem gesetzlichen Kurs.Von offizieller und dafür mit verantwortlicher Seite wird das immer wieder abgestritten.Aber wer,wie ich mit sehr wenig Geld auskommen muß, weis
    ganz genau, ob man von 500,-€ genau so gut oder schlechter lebt als damals von 1.000,-DM.
    Ein arbeitsloser,verwitwerter Kleinunternehmer aus der „Heldenstadt“ Leipzig

  1. 19. Oktober 2012 um 15:32
  2. 19. Oktober 2012 um 05:15
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