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Fabian Fritzsche – Fiscal Cliff vs. Expansive Austerität

21. November 2012

Am Jahresbeginn 2013 droht den USA das sog. Fiscal Cliff, ohne Einigung zwischen republikanisch geführten Repräsentantenhaus und demokratischem Weißen Haus kommt es zu Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen im Volumen von rund 650 Mrd. USD. Dies entspricht etwas mehr als 4% des amerikanischen BIPs und würde nach allgemeiner Auffassung zu einer ausgeprägten Rezession in den USA führen.

Die Argumentation ist leicht nachvollziehbar, eine geringere gesamtwirtschaftliche Nachfrage vermindert das BIP. Überraschend ist jedoch, dass auch deutsche Ökonomen und Medien praktisch einhellig vor dem Fiscal Cliff warnen. So schreibt etwa der Sachverständigenrat im aktuellen Jahresgutachten, dass ein solch abrupter Nachfrageausfall die Konjunktur in den Vereinigten Staaten stark belasten würde und fordert eine Streckung der Konsolidierung. Zugegeben, das Argument auch eine ausbleibende Konsolidierung verursache Kosten, wird noch nachgeschoben, wobei offen bleibt, worin die Kosten bestehen (der Sachverständigenrat nennen als Kosten eine „ noch höhere Staatsverschuldung“). Auch die Mehrheit der deutschen Medien schließt sich der Warnung vor der Fiskalklippe ganz selbstverständlich an.

Die bisherige Argumentation hinsichtlich staatlicher Defizite wird damit vollständig umgedreht. Immer wieder wurde mit Nachdruck die zügige Reduzierung der Neuverschuldung gefordert, um so Vertrauen zu schaffen. Denn Vertrauen wäre der wichtigste Faktor, um das Vertrauend er Investoren zu gewinnen und so letztlich Wachstum und Beschäftigung zu generieren. Eigentlich kontraktive Sparmaßnahmen würden so letztlich expansiv wirken. Nun mag Vertrauen in die Stabilität der Staatsfinanzen tatsächlich nicht zu vernachlässigen sein. Allerdings sind die Unternehmen auch nicht so dumm, zu investieren, nur weil sie dem Staat vertrauen gleichzeitig jedoch eine rückläufige Nachfrage erwarten müssen. Im Hinblick auf die USA scheint diese Erkenntnis nun auch in Deutschland angekommen zu sein, anders lässt sich die Kehrtwende der Kommentatoren in ihrer Argumentation kaum erklären. Doch was für die USA gilt, scheint für Südeuropa noch lange nicht zu gelten.

In Griechenland wurden laut IWF bislang Sparmaßnahmen in Höhe von 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beschlossen, Spanien hat alleine im Haushalt für 2013 weitere 4% des BIPs an Ausgabenkürzungen vorgesehen, zusätzlich zu den bereits bisher beschlossenen Maßnahmen und Portugal bewegt sich in ähnlichen Größenordnungen. Die fiskalische Klippe, von der die südeuropäischen Staaten gesprungen sind, war also wesentlich größer als die maximal drohende in den USA. Bricht jedoch in Spanien, Portugal und Griechenland das BIP immer weiter ein und damit auch die Steuereinnahmen, so dass die angestrebten Sparziele nicht erreicht werden, folgen stets weitere Sparforderungen. So entsteht weder Vertrauen von potentiellen Investoren noch besteht irgendein Anreiz, in der Peripherie der Eurozone zu investieren. Es wird daher höchste Zeit, die absolut richtigen Überlegungen bezüglich des amerikanischen „Fiscal Cliff“ auf die südeuropäischen Länder zu übertragen und die zweifellos notwendige Konsolidierung zu strecken.

 

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  1. 26. November 2012 um 14:22

    @dilbertbrown: Der interessante Punkt von Fabian Fritzsche ist doch, dass es *dieselben* (deutschen) Kommentatoren sind, die in Bezug auf die USA vor dem Fiscal Cliff warnen und in Bezug auf Südeuropa noch mehr Sparanstrengungen fordern. Egal, ob man dahinter Wirtschaftswissenschaft oder Wirtschaftstheologie vermutet: Es ist jedenfalls inkohärent, der Austerität in den USA kontraktive, der Austerität in Europa hingegen expansive Wirkungen zuzuschreiben, ohne dabei zu begründen, worin eigentlich der Unterschied zwischen beiden bestehen soll.

  2. Mahlzeit!
    24. November 2012 um 18:26

    Das is doch alles logisch!

    Stellen wir uns mal vor wir wären ein großer Bauunternehmer ein paar unserer Kunden ist es wirtschaftlich nicht gut gegangen darum haben wir ihnen sehr viele Kredit gegeben um ihren Bankrott zu verhindern. Von diesen Kunden wollen wir natürlich unsere Kredit wieder haben, darum sagen wir spart gefälligst und baut keine neuen Gebäude mehr, auch wenn uns lieber wäre wenn ihr nicht sparen müsstet (weil ihr das Geld von wo anderes habt)und wir euch weiter Gebäude bauen könnten.

    Jetzt gibt es einen anderen Kunden, der hat eigentlich auch viele Schulden, aber die Schulden sind ein bisschen weniger und die Schulden sind zu einen viel kleineren Teil bei uns. Bei diesen Kunden hoffen wir dann natürlich, dass der fleißig weiter baut damit wir noch was verdienen.

    Wenn man akzeptiert, dass auf Finanzmärkten richtige Informationen wertvoll sind, dann muss auch einsehen, dass kaum jemand sie herschenkt.

    Es ist alles so viel logischer wenn man endlich einsieht, dass jeder Eigeninteressen hat.

  3. Methos
    24. November 2012 um 12:26

    Es tut mir leid, aber ich muss Ihrem Artikel widersprechen.
    Es ist doch so, dass ein Großteil des Wachstums und damit des Wohlstandes der gesamten westlichen Welt auf den Schulden der letzten Jahrzehnte begründet ist. Jetzt haben wir es übertrieben und ein Schuldenproblem. In Europa, auch in Deutschland, in Japan und auch besonders schlimm in den USA. Alle Wirtschaftswissenschaftler fordern nun, dass wir aus den Schulden herauswachsen sollen. Und wie erzeugen wir das Wachstum? Durch noch mehr Schulden. Mathematisch abgekürzt heißt dies, dass wir zu hohe Schulden mit noch mehr Schulden bekämpfen. Es tut mir leid, aber das ergibt gar keinen Sinn.
    Schulden bekämpft man nur mit Sparen, sei es ausgabenseitig oder einnahmenseitig. Dass man solch krassen Sparrunden, wie im Süden Europas, niemanden zumuten kann, ist richtig. Aber der „fiscal cliff“ in den USA würde „nur“ 4% BIP kosten. Bei prognostizierten 3% Wachstum heißt das 1% Abschwung.
    1% weniger Wirtschaftsleistung für die Halbierung der in den Bankrott führenden Neuverschuldung – für mich in jedem Fall ein fairer Tausch, auch im Hinblick auf die 20-25% Abschwung in einigen europäischen Ländern, wie z.B. Lettland.

  4. dilbertbrown
    23. November 2012 um 20:53

    Hallo Herr Fritzsche,

    so schwer ist das doch gar nicht. Da stehen einfach unterschiedliche Wachstumsmodelle, man könnt auch sagen, Weltanschauungen oder Religionen dahinter. In Amerika wächst die Wirtschaft durch Konsum und Geldausgeben, welches man notfalls durch drucken erzeugt, siehe QE. Europa, und insbesondere Deutschland, geht von der Grundgleichung aus, dass Wohlstand/ Gewinn gleich Einkommen minus Kosten/Konsum/Staatsausgaben ist. Bei Gott-, also Marktgegebenem, fixiertem Einkommen lässt sich der Wohlstand nur durch Kostensenkung, oder im Privatbereich Konsumverzicht, steigern.

    Somit ist auch klar, dass ein Fiscal Cliff für die Ungläubigen eine Katastrophe, für die Rechtgläubigen hingegen ein Segen ist. Ich spreche in diesem Zusammenhang nicht mehr von Wirtschaftswissenschaft sondern von Wirtschaftstheologie, wobei die heutigen Kreuzzüge zum Glück nicht mehr mit Schwertern und Pferden sondern mit Modellen und Programmfehlern geführt werden; mit der Konsequenz, dass Kollateralschäden bei der Bevölkerung nicht mehr mit Blut, sondern mit Lohnkürzung bezahlt werden. Schon das mag man für zivilisatorischen Fortschritt halten.

    Logisch und rational ist das alles schon lange nicht mehr.

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