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Fabian Fritzsche – Monsieur Hollandes Wunsch nach Abwertung und die Reaktion der deutschen Ökonomenzunft

19. Februar 2013

Anfang des Monats forderte der französische Präsident Hollande eine aktive Wechselkurspolitik, um den Euro vor „irrationalen Bewegungen“ zu schützen. Obwohl Hollande nicht explizit von einer gezielten Abwertung zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gesprochen hat, war klar, worauf der Vorstoß abzielte.

Über eine gezielte Schwächung des Euro-Wechselkurses gegenüber den Währungen der Handelspartner soll die Handelsbilanz der Eurozone verbessert und so das Wirtschaftswachstum belebt werden. Erwartungsgemäß stieß dieser Vorschlag auf breite Ablehnung insbesondere bei deutschen Ökonomen und Politikern.

Tatsächlich lassen sich gute Argumente gegen einen solchen Vorschlag finden. Die Leistungsbilanz der Eurozone insgesamt ist ausgeglichen, der Euro-Wechselkurs weist demnach also keine „irrationale Bewegung“ auf, sondern spiegelt die tatsächliche wirtschaftliche Stärke wider. Die mit einer Abwertung einhergehende Verbesserung der Handelsbilanz, die das Wachstum der Eurozone stärken soll, würde zudem für unsere Handelspartner genau gegenteilig wirken, das Wirtschaftswachstum dort also verschlechtern. Selbst wenn man bereit ist, dies in Kauf zu nehmen und zu Lasten befreundeter Volkswirtschaften zu wachsen, sollte mit entsprechenden Gegenreaktionen gerechnet werden. Darüber hinaus würde eine solche Politik zwar möglicherweise zu einer verbesserten Handelsbilanz der südeuropäischen Länder führen, die größten Zuwächse entfielen jedoch vermutlich auf das Land, welches bereits beim aktuellen Wechselkurs riesige Exportüberschüsse erwirtschaftet, also auf Deutschland. Der Preis für eine leichte Verbesserung in der Peripherie wäre dann ein stärkeres Ungleichgewicht für Deutschland. In einer anderen wirtschaftlichen Situation könnte ein Wechselkursziel zudem im Konflikt stehen mit dem Ziel der Preisniveaustabilität.

Die Liste der Gegenargumente ließe sich vermutlich noch fortsetzen, doch interessant ist die Reaktion vieler deutscher Ökonomen auf den französischen Vorschlag. Das wohl meistgenannte Argument lautet, dass dies ein politischer Eingriff in den Markt wäre. Das ist richtig, genau das ist es und soll es nach französischem Wunsch auch sein. Ein Eingriff in den Markt wäre also schlecht, weil es ein Eingriff in den Markt wäre; kein sehr rationales Argument. Weiter wurde angeführt, eine solche Politik würde zu Verzerrungen führen, was zwar sein kann, doch begründet Hollande seinen Vorschlag explizit mit einer schon vorhandenen bzw. drohenden Verzerrungen für die Realwirtschaft durch den (Finanz-) Markt. Die Möglichkeit, dass eine Verzerrung durch den Markt vorliegt, wird aber offenbar von vielen deutschen Ökonomen ausgeschlossen. Natürlich darf auch der Hinweis nicht fehlen, dass der leichte Weg der Abwertung den besseren Weg der mühsamen Strukturreformen konterkariere. All diesen Argumenten liegt offenbar die Überzeugung zugrunde, der aktuelle vom Markt bestimmte Wechselkurs sei der „richtige“ und „wahre“ Wechselkurs, so als hätte der Markt immer Recht, als gäbe es die Währungsmanipulationen der asiatischen Notenbanken oder den festgeschrieben Wechselkurs etwa des Schweizer Frankens nicht und natürlich auch sonst keine Geldpolitik, die letztlich immer irgendwie auch auf die Wechselkurse wirkt.

Wie dargestellt, gibt es handfeste ökonomische Gründe gegen eine aktive Wechselkurspolitik. Viele deutsche Ökonomen argumentieren jedoch nicht ökonomisch, sondern dogmatisch und setzen die perfekte Funktionsfähigkeit des Marktes voraus. Unter dieser Annahme ist selbstverständlich jeder Eingriff schädlich. Wer einen perfekten Markt jedoch für realistisch hält, sollte sich besser aus der Politikberatung raushalten und sich nur um theoretische Modelle kümmern. Alle anderen hingegen sollten das Für und Wider rational abwägen. Insbesondere in einer Welt, in der andere Notenbanken aktiv versuchen, den Wechselkurs zu beeinflussen, könnte tatenloses Zusehen negative Folgen für die Eurozone mit sich bringen.

  1. Umdenker
    20. Februar 2013 um 18:41

    @Spekulant
    Ich weiss nicht auf was Sie Ihre Aussage beziehen, aber was sinnvolle Wechselkurspolitik (objektiv gesehen) damit zu tun haben soll, ob diese Ideen von einem Politiker sozialistischer, kommunistischer, liberaler oder was auch immer einer Partei kommt, kann ich nicht nachvollziehen. Das ist allgemein so ein Unding unserer Zeit. Vergesst doch bitte den Überbringer und analysiert öfter mal den Inhalt der Botschaft. Wenn es gescheite Vorschläge sind, dann ist es doch irrelevant von wem sie kommen.

    Ich sehe viele Gründe für die Ungleichgewichte, aber einen Nenner, welcher Antrieb hierfür war, nämlich Protektionismus. Denn egal ob Lohndumping, Wechselkursmanipulation (z.B. durch Anwerfen der Notenpresse), Wachstum durch Blasen (z.B. kreditfinanzierter Immobilienboom), usw. Durch all die Massnahmen entsteht eben KEINE sinnvolle Preisbildung und der Markt ist sehr wohl verzerrt. Das Dumme ist leider, dass hierzu noch EU/USA komplett neoliberal fahren und da gibt es dann nochmal viele irrationale Entscheidungen, die unabhängig von der Wechselkurspolitik sind, aber zu immer stärkerer Verarmung von grossen Teilen der Bevölkerung führt und man Zweifel am vernunftbegabten Menschen bekommt.

  2. Spekulant
    20. Februar 2013 um 02:39

    Der Markt hat natürlich nicht immer recht. Aber selbst dem schlechtesten Markt ist eine bessere Preisbildung zuzutrauen, als dem Politiker einer sozialistischen Partei.

    • John Doe
      20. Februar 2013 um 21:31

      Hm, wie der das wohl auf die Reihe kriegt!

      Also, beim LIBOR wissen wir inzwischen, wie der Markt das macht. In Asien ist man inzwischen auch dahinter gekommen, wie deren Leitzinsen vom Markt gebidet worden sind.

      Der Kakaomarkt musste inzwischen auch zugeben, dass der Preis durch Abssprachen unter den marktbehrrenschenden Unternehmen zu Stande gekommen ist.

      Wozu hat eigentlich die Regierung Merkel die Preisüberwachung auf dem Benzinmarkt eingeführt?

      Wie war das doch nochmal mit dem Kupferpreis vor einigen Jahren, dem Silberpreis?

      Für wie krimminell veranlagt halten Sie eigentlich den Markt?

    • John Doe
      22. Februar 2013 um 12:15

      Nachklapp:

      Guten Morgen Spekulant,

      wen treffen Sie eher an, wenn es um den „Marktpreis“ geht,

      homo oec. oder Homer Simpson?

  1. 20. Februar 2013 um 09:58
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