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David Milleker – Meine elf Jahre mit Ben Bernanke

7. Januar 2014

Ende Januar 2014 tritt Ben Bernanke als Chef der US-Notenbank ab. Bevor er im Februar 2006 dort den Chefposten übernahm, hatte er schon von 2002 bis 2005 als Mitglied im Offenmarktausschuss an der US-Geldpolitik mitgewirkt. Rückblicke auf Amtszeiten sind eigentlich Routine. Für mich hat dieser dennoch eine stark persönliche Note, da Bernanke beinahe meine gesamte Zeit als Konjunkturökonom (seit 2001) durch intellektuelle Anregungen und praktisch geprägt hat.

Aus dieser ganz persönlichen Sicht ist auch hervorzuheben, dass Bernanke gerade in seiner Zeit als „einfaches“ Mitglied im Offenmarktausschuss eine starke Quelle intellektueller Inspiration war. Zu nennen wären da zum einen die These von der globalen Ersparnisschwemme, zum anderen seine Gedanken zur unkonventionellen Geldpolitik zur Verhinderung von Deflationsrisiken. Letztere hatte mich damals zu einer kleinen Studie angeregt und zu dem Schluss gebracht, dass die frühzeitige Festlegung auf ein Inflationsziel unter den Aspekten von Effektivität, Glaubwürdigkeit und anschließendem Ausstieg die bessere Alternative zu dem damals von Bernanke angedachten „Renditedeckel“ wäre (pdf-Fassung hier).

Seine Zeit als Notenbankchef verdient aber eine besonders ausführliche Würdigung. Unter dem Strich ließe sich als Fazit festhalten, dass er in diesem Amt alles ausprobieren konnte, was er in seiner akademischen Karriere erforscht hatte. Vor allem die Festlegung der Fed auf ein explizites Inflationsziel und die Erprobung unkonventioneller Geldpolitik. Das stimmt zwar, würde aber nicht die historischen Umstände angemessen würdigen.

Vor acht Jahren, zu seinem Amtsantritt als Fed-Chef, schrieb ich: „Ben Bernanke übernimmt die Fed zu einem Zeitpunkt, an dem die US-Wirtschaft nach wie vor von erheblichen inneren Ungleichgewichten gekennzeichnet ist, nachdem ein extrem expansiver Policy Mix die in Rezessionen übliche Bereinigung von Ungleichgewichtslagen vorübergehend nicht zuge-lassen hatte. Der neue US-Notenbankchef bekommt somit kein einfaches Erbe und dürfte in nicht allzu ferner Zukunft entweder mit einer Reihe von Jahren unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums oder einer Rezession konfrontiert werden (pdf-Fassung hier, S. 20).“

Gemessen an dem, was sich gerade einmal zwei Jahre später ereignen sollte, war das eine grandiose Untertreibung. Die Reaktion der US-Notenbank kam in der sich verschärfenden Krise 2008/09 manchmal holprig und mit technischen Fehlern daher. Zum Teil auch dadurch, dass die Fed gar kein Mandat hatte, „Finanzinstituten ohne Einlagen“ Liquiditätshilfen zu gewähren. Sie war dennoch in der Summe erfolgreich, die Liquiditätsrestriktionen im nationalen und internationalen Finanzsystem zu lockern. Vor allem ist hervorzuheben, dass die USA im Gegensatz zu den europäischen Volkswirtschaften schon 2010 wieder über einen offenen Kreditkanal verfügten. Insofern kann diesem entschlossenen Handeln auch zugeschrieben werden, dass sich die US-Wirtschaft in den anschließenden Jahren zwar deutlich langsamer erholte im Vergleich mit normalen Rezessionen. Aber überdurchschnittlich stark im Vergleich mit Erholungen nach Finanzkrisen.

Natürlich kann man diese Erfahrung damit kontrastieren, dass Bernanke 2002 in einer Geburtstagsansprache für Milton Friedman seinen Optimismus über die Steuerungsfähigkeit der Geldpolitik ausdrückte. Soweit die reine Krisenbewältigung gemeint ist, hat dies sicher seine Berechtigung. Allerdings ist Geldpolitik allein nicht hinreichend, um jeden gewünschten gesamtwirtschaftlichen Zustand zu erreichen. Gerade in der schleppenden Nachkrisenerholung war nach meinem Empfinden auch Frustration aus Bernankes Reden herauszuhören. Etwa wenn er sich über die fehlende Unterstützung durch die Fiskalpolitik beklagte.

In seiner Amtszeit war Bernanke als „Helikopter-Ben“ verschrien, der aus dem Hubschrauber Geld über der Wirtschaft abwirft. Die Crux hierbei ist aber, dass die Fed lediglich den Geldsack am Flughafen abstellen kann. Die Rollen des Helikopters und des Abwerfers müssen aber andere Wirtschaftsakteure übernehmen. Konkret die Banken sowie der Staat und/oder der Privatsektor.

Entsprechend dünn sind auch die Belege für die Wirksamkeit der weiteren Stimulierungsversuche der US-Geldpolitik ab 2010 für die Realwirtschaft. Es wurde zwar viel Zentralbankgeld geschaffen. Dieses fand aber nicht den Weg in die Realwirtschaft. Umgekehrt traten aber auch nicht die Befürchtungen über die (hyper-)inflationären Wirkungen dieser Politik ein.

War seine Amtszeit also erfolgreich? Eine noch viel schlimmere Krise hat er verhindern können. Und er hinterlässt eine Wirtschaft, die strukturell deutlich weniger Schieflagen aufweist als zu Beginn seiner Amtszeit. Oder kurz: Danke, Ben!

 

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