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David Milleker: Warum der Stillstand in der US-Politik auch nach den Zwischenwahlen weitergeht

4. November 2014

Die Lähmung politischer Entscheidungen durch zunehmende Polarisierung zwischen den Parteien war in den vergangenen Jahren der Standard in der US-Politik. Wird sich daran mit den Zwischenwahlen am 4. November irgendetwas grundsätzlich ändern.

Zunächst einmal zu den Fakten: Bei den Zwischenwahlen werden 36 der insgesamt 100 Senatsmitglieder neu gewählt. Zudem alle 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Bislang stellen die Demokraten den Präsidenten und haben eine leichte Mehrheit im Senat (53 Abgeordnete). Die Republikaner dominieren dagegen das Repräsentantenhaus mit 334 Abgeordneten. Für die meisten Gesetzesvorhaben braucht man die Zustimmung beider Parlamentskammern und einen Präsidenten, der kein Veto dagegen einlegt.

Weil sich die Parteien so antagonistisch gegenüberstehen, ist seit Beginn der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus bei den Zwischenwahlen 2010 politisch kaum etwas zu Wege gebracht worden. Zwei inhaltlich unsinnige Konflikte über die Anhebung der Schuldenobergrenze 2011 und 2013 konnten erst in letzter Minute entschärft werden. Ebenso geriet Ende 2012 die „Fiskalklippe“ fast zum Fiasko und konnte in ihrer dramatischen Kürzung der öffentlichen Ausgaben ebenfalls nur abgemildert, aber nicht vollständig aufgehalten werden. All diese Konflikte endeten damit, dass sich letztlich doch noch ein Teil von republikanischen Abgeordneten fand, der mit den Demokraten stimmte. Wegen der Mehrheit der Demokraten im Senat liefen alle diese Konflikte jedoch als Ping-Pong zwischen den beiden Parlamentskammern ab, ohne dass der Präsident von seinem Veto Gebrauch machte. Die Konsequenz dieser politischen Lähmung war, dass quasi per Zufall der Nicht-Einigung ein recht straffer öffentlicher Sparkurs bei weiterem Verfall der Infrastruktur stattfand. Selbst wo sich die Parteien in der Problemdiagnose einig sind, kommen keine Fortschritte zustande. Das gilt etwa für die Unternehmensbesteuerung: Alle sind sich einig, dass ein Steuersystem, das die Kreditaufnahme zur Zahlung von Dividenden bei massiven Kassebeständen bei Auslandstöchtern begünstigt, wenig Sinn macht. Nur geändert wird daran nichts.

Zumindest nach den letzten Wahlumfragen wie auch nach statistischen Wahrscheinlichkeitsauswertungen etwa durch Nate Silver (hier) dürfte sich die politische Situation mit den Zwischenwahlen dahingehend ändern, dass die Republikaner dann in beiden Kammern des Kongresses die Mehrheit halten und somit den Gesetzgebungsprozess bestimmen, sofern der Präsident kein Veto einlegt. Ein solches Veto kann dann nur mit 2/3-Mehrheit gebrochen werden, was aber nicht absehbar ist.

Die zentrale Frage wird dann sein, wie die Republikaner mit dieser Mehrheit umgehen. 2015 muss ja erneut die Schuldenobergrenze angehoben oder – wie im Moment – für eine bestimmte Zeit ausgesetzt werden.

Ein durchaus mögliches Szenario wäre, dass die dann republikanische Mehrheit künftige Regierungsfähigkeit demonstrieren will. Dafür sprechen könnte immerhin, dass die Partei bei den Vorwahlen die Kandidaten der Tea Party stärker an den Rand gedrängt hat. Diese hatte in den vergangenen Jahren immer wieder die Konflikte mit den Demoraten auf die Spitze getrieben.

Das andere Szenario wäre, dass der Gewinn der Mehrheit im Senat als Bestätigung einer Blockadehaltung an der Wahlurne interpretiert wird. Die Konsequenz könnte sein, dass nach 50 Anträgen im Repräsentantenhaus, die Gesundheitsreform von 2009 zu kippen, weitere 50 folgen. Nur würden diese dann nicht von der Senatsmehrheit, sondern vermutlich durch Präsidentenveto gestoppt. Im Prinzip also die Fortsetzung des Zustandes der vergangenen vier Jahre – nur dass das Ping-Pong dann zwischen Weißem Haus und Kongress stattfinden würde.
Das wäre historisch alles andere als ungewöhnlich: Richard Nixon und Gerald Ford, zwei republikanische Präsidenten mit klaren demokratischen Kongressmehrheiten, legten zusammen 75-mal ein Veto ein. Bill Clinton als demokratischer Präsident mit seit 1995 republikanischen Parlamentsmehrheiten sprach 36-mal ein Veto aus.

So wünschenswert es auch wäre, wenn die US-Politik nach den Kongresswahlen Themen wie die verfallende Infrastruktur oder die Unternehmensbesteuerung anginge: Der Stillstand in Washington geht wohl weiter, wenn auch unter anderen Vorzeichen.

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