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Das Drama um die Griechen – wer prüft eigentlich unseren Finanzminister?

16. Februar 2015

Es macht einen ja schon etwas unruhig zu spüren, mit wie viel Wut und Gram und Sturheit da in Brüssel gerade darum gerungen wird, die griechischen Probleme zu lösen oder auch nicht. Da schwingt bei den Griechen viel Argwohn mit. Und da ist ein deutscher Finanzminister, der sich persönlich gekränkt gibt, weil die vermeintlich undankbaren Griechen sich nicht an Vereinbarungen halten. Es wäre deutlich beruhigender, wenn man das Gefühl hätte, es ginge darum herauszufinden, was ökonomisch wie finanziell für Griechen wie Deutsche und andere am besten wäre. Könnte allerdings sein, dass die neue griechische Regierung dann eher auf der richtigen Seite stünde als unser Finanzminister.Schäubles Lesart ist klar wie die übliche Schlagzeile der Bild-Zeitung. Die Griechen haben Geld bekommen, sonst wären sie pleite gegangen. Dafür mussten sie versprechen, hart zu sparen und zu reformieren – ein bisschen aus Prinzip, weil sonst ja jeder kommen könnte (der Urspruch deutscher Mentalität); vor allem aber, damit sie selbst bald wieder wirtschaftlich erstarken und die Schulden dann wieder eigens zurückzahlen können. Zumindest das klingt im Grunde ja auch richtig. Und jetzt? Jetzt wollen sie die harten Reformen plötzlich nicht mehr. Da gibt es auch kein Geld mehr. Punkt. Der schwäbische Hausmann hat gesprochen.

Das Problem ist: die Sache so zu lesen, setzt voraus, dass die Reformen und Kürzungen, die von der Troika und unter starkem Druck aus Deutschland ins griechische Programm geschrieben wurden, auch geeignet sind, die griechische Wirtschaft zu regenerieren. Genau da hakt es. Genau daran haben Skeptiker, darunter etliche Nobelpreisträger, seit Jahren Zweifel geäußert – und sehen sich in der tatsächlichen Entwicklung bestätigt. Erstens hat es ja tatsächlich historisch einmalig dramatische Kürzungen gegeben (30prozentige Lohn- und Rentenkürzungen etwa), die nur unter dem Druck der damaligen Finanzkrise teils in wenigen Wochen wenig durchdacht durchgeboxt worden. Zweitens waren ihre wirtschaftlichen Kollateralwirkungen viel dramatischer, als es die Troika kalkuliert hatte. Und drittens drohte so ein Programm – bei mehr als 25 Prozent Arbeitslosigkeit – auf kurz oder lang darauf stoßen, dass ihm die politische und soziale Stützung ausgeht.

In unabhängigen Gutachten für den Internationalen Währungsfonds sind Experten 2013 zu dem Ergebnis gekommen, dass all das reale Probleme sind. Der Troika habe es an zuverlässigen Modellen gefehlt, wie so ein Programm im Rahmen einer Währungsunion auszusehen habe, schreiben die Experten. Die Rezession sei viel schlimmer gewesen als angenommen, was einen entscheidenden Unterschied macht: wäre der wirtschaftliche Absturz geringer gewesen, hätten die positiven Wirkungen mancher Reform viel schneller spürbar werden können. So aber entwickelte sich eine schier endlose Abwärtsspirale, bei der die gewollten positiven Effekte ausbleiben. Umso dramatischer schwand auch der Rückhalt für den Kürzungskurs. Auch hier, so die unabhängigen Experten, habe der IWF bislang zu wenig einberechnet, wie stark es bei solchen Programmen darauf ankommt, die Bevölkerung zu überzeugen.

Die Frage, um die es sich im Kern dreht, lautet demnach schlicht und einfach: soll ein Reformkurs fortgesetzt werden, der sich mit einiger Wahrscheinlichkeit als das falsche Mittel erwiesen hat, nur weil er einmal in irrigem Glauben (und unter hohem Zeitdruck) vereinbart worden ist, auch wenn er weder demokratisch vor Ort, noch ökonomisch Unterstützung findet. Auch wenn mittlerweile vieles dafür spricht, dass die Skeptiker mit ihren Warnungen nicht so falsch lagen. Es ist ja kein Zufall, dass die deutschen Rettungsskeptiker seit Monaten eigentlich nur noch juristisch argumentieren – ob gegen die EZB oder die Griechen – und nicht mehr ökonomisch. Wie wäre es, wenn Schäuble und Co die Größe hätten einzugestehen, dass das Rezept nicht wirklich funktioniert hat, und ihn jetzt zu korrigieren bereit wären, bevor die politischen Systeme vor lauter juristischer Prinzipienreiterei in Europa noch stärker ins Wanken geraten? In Griechenland wie vielleicht schon dieses Jahr in Spanien und bald in Frankreich?

Klar, ist das ein bisschen viel verlangt, auf Anhieb so viel Abstand zu nehmen, vor lauter Gefühlen. Dann aber wäre es weise, die Antwort zu verschieben – und noch einmal solide und unabhängig prüfen zu lassen, welche Reformen und Kürzungen wirklich ökonomisch wirksam und politisch wie sozial auf Dauer tragbar sind – und welche nicht. Und dann erst zu entscheiden, welches Programm die Griechen künftig erfüllen müssen. Vielleicht wollen die Griechen am Ende ja sogar, dass es ihrem Land bald besser geht.

 

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  1. 17. Februar 2015 um 10:12
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