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Wirtschaftsdienst exklusiv – Infrastruktur finanzieren!

13. Juli 2015

In die öffentliche Infrastruktur in Deutschland muss dringend investiert werden. Darüber sind sich alle einig. Vor allem in den Kommunen hat sich ein gigantischer Investitionsstau gebildet. Wie sollen aber die Investitionen finanziert werden? Sind Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) die rettende Lösung? Welche anderen Maßnahmen sind sinnvoll? Was kann der Bund für die Kommunen tun? Darüber diskutieren renommierte Ökonomen im aktuellen Zeitgespräch.

Die Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ hat im April 2015 ihren Abschlussbericht vorgelegt. Sie schlägt unter anderem eine öffentliche, aber autonom handelnde „Verkehrsinfrastrukturgesellschaft für Bundesfernstraßen“, die in eigener Regie Kredite aufnehmen kann, und einen „Nationalen Investitionspakt für Kommunen“ vor. Der Leiter der Kommission, Marcel Fratzscher, sieht vor allem im Verkehrsbereich eine Investitionslücke von jährlich 7 bis 10 Mrd. Euro. Der gesamte kommunale Investitionsrückstand liegt mittlerweile bei weit über 100 Mrd. Euro. ÖPP sind seiner Auffassung nach nicht als Allheilmittel anzusehen, sie sind aber eine zusätzliche Option, die nicht von vornherein abgelehnt werden sollte.

Holger Mühlenkamp fürchtet, dass ÖPP dafür gut sein sollen, die Schuldenbremse und den europäischen Fiskalpakt zu umgehen. Die Finanzierungsströme bei ÖPP können beispielsweise vertraglich so gestaltet werden, dass sie sich nicht auf das staatliche Defizit auswirken. Die vorgeschlagene Bundesinfrastrukturgesellschaft könnte sich vollständig durch Kredite finanzieren, ohne dass dadurch die Kreditaufnahmegrenzen berührt würden. Dass sich die Politik durch rigide Verschuldungsregeln selbst zu solchen Kunststücken nötigt, findet Mühlenkamp überflüssig. Ehrlicher fände er es, wenn eine Verschuldung für Infrastrukturinvestitionen offen ausgewiesen werden könnte.

Auch Fabian Lindner und Katja Rietzler halten die Kommissionsergebnisse nicht für zielführend. Die Kommunen entwickeln sich insbesondere aufgrund der drastisch steigenden Sozialausgaben immer stärker auseinander. Viele können aufgrund ihrer finanziellen Notlage nicht investieren. Hier hilft nicht die Privatisierung, vielmehr sollte ihnen der Bund stärker als er es derzeit plant unter die Arme greifen. Steuererhöhungen beispielsweise bei der Erbschaftsteuer sollten zudem nicht als abwegig gebrandmarkt werden.

ÖPP haben tatsächlich einen schlechten Ruf. Das sehen aber offenbar kommunale Finanzverantwortliche, die schon einmal Projekterfahrung hatten, nicht ganz so dramatisch. Ein Drittel findet dieses Beschaffungsmodell positiv oder sehr positiv, haben Jeromin Zettelmeyer und Bastian Alm aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in einer Onlinebefragung der Kommunen ermittelt.

Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund gibt zu Bedenken, dass es zwar eine ellenlange Diskussion über ÖPP gibt, dass aber in 20 Jahren Debatte keine 200 ÖPP-Verträge unterschrieben wurden. Auch Landsberg sieht den Bund in der Pflicht, die Kommunen stärker zu unterstützen. Nötig sei eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die derzeit verhandelt wird, aber nicht so recht vom Fleck kommt.

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