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David Milleker: US-Unternehmen im Schraubstock von globaler Disinflation und Dollar-Stärke

3. November 2015

Seit die USA im Jahr 2009 auf einen wirtschaftlichen Erholungskurs eingeschwenkt sind, konnte man eigentlich jedes Jahr das Fazit ziehen: Es gibt keinen Lohndruck. Wir hatten an verschiedenen Stellen hier im Blog (etwa hier und hier) auch Erklärungsversuche gewagt, warum eine fallende Arbeitslosenquote bislang nicht zu einer dynamischen Beschleunigung der Lohnentwicklung geführt hat.

In jüngster Zeit – konkret seit Mitte 2014 – ist allerdings folgendes auffällig: Trotz der allenfalls moderat steigenden Arbeitskosten und sogar Kostenentlastungen auf der Rohstoffseite steht die Profitabilität des US-Unternehmenssektors offenkundig unter Druck. Jedenfalls dann, wenn man sich den im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen veröffentlichten Index „Stückgewinne aus laufender Produktion“ anschaut. Im statistisch korrekten Sinne reden wir hier weniger über US-Unternehmen mit Hauptsitz in den USA, sondern vielmehr über Produktionsstätten in den USA unabhängig vom Hauptsitz des Unternehmens. Die Stückgewinne aus laufender Produktion sind für den Volkswirt insbesondere deshalb interessant, weil sie von allen möglichen Sondereffekten, die sonst Unternehmensbilanzkennzahlen beeinflussen – wie etwa Bewertungsänderungen –abstrahieren. Mit Blick auf die US-Konjunkturzyklen wäre das zugleich ein hoch relevanter Indikator, um zyklische Frühphasen von Spätphasen zu unterscheiden. Konkret wäre der Spitzenwert der Stückgewinne hier die Scheidemarke zwischen beiden.

Wie kann man sich das ökonomisch erklären? Bei fallender Profitabilität der Produktion beginnen die Unternehmen irgendwann, auf Kostenkürzung zu setzen. Wird das von hinreichend vielen gleichzeitig gemacht, wird die Arbeitslosigkeit (deutlich) steigen. Die meisten von uns werden das bereits als Definition einer Rezession gelten lassen, auch wenn natürlich noch andere Definitionen (zwei Quartale Kontraktion in Folge) im Umlauf sind. Erklärungsbedürftig ist natürlich auch, wieso jetzt seit Mitte 2014 die Stückgewinne tendenziell fallen, wenn es keine nennenswerte Beschleunigung der Lohnkosten gegeben hat. Typischerweise wird der Zyklus ja dadurch „alt“, dass irgendwann die Konkurrenzsituation um Arbeitskräfte und der damit verbundene Anstieg der Löhne die Preissetzungsfähigkeit auf dem Gütermarkt übertrifft.

Der Übergang in die reifere Phase des US-Konjunkturzyklus resultiert diesmal allerdings nicht aus steigenden Lohnkosten, sondern aus fallender Preissetzungsfähigkeit auf dem Gütermarkt – ganz speziell daraus, dass in den USA gegenwärtig Export- und Importpreise deutlich rückläufig sind. Unternehmen, die in einer internationalen Konkurrenzsituation – sei es durch Importeure auf dem Heimatmarkt oder selbst als Anbieter im Ausland – stehen, tun sich offensichtlich extrem schwer, steigende Preise durchzusetzen. Im Gegenteil reagieren sie sogar mit deutlichen Preisnachlässen. Sicher ist das zum einen der Stärke des US-Dollar als Währung anzulasten. Zum anderen ist es auch dem globalen Umfeld geschuldet, das alles andere als inflationär ist – immerhin sehen wir insbesondere in Asien ebenfalls das Phänomen von seit längerem fallenden Exportpreisen.

Natürlich bleibt zu hoffen, dass sich mit einer möglichen Stabilisierung – im Sinne eines Endes der Aufwertung des US-Dollar gegenüber einem breiten Währungskorb – der Sinkflug der Stückgewinne nicht weiter fortsetzt. Dann wäre es bis zum nächsten Abschwung noch ein gutes Stück. In jedem Fall ist das Eis für die US-Konjunktur derzeit so dünn, dass man es besser nicht mit einer Zinserhöhung der US-Notenbank zusätzlich belasten sollte.

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