David Milleker: Die OPEC ist ein „Schönwetter“-Verbund
Eine Vielzahl von Kommentatoren scheint deutlich überrascht von der Unfähigkeit des OPEC-Kartells (Organisation erdölexportierender Staaten), den Ölpreisrückgang durch Produktionseinschränkungen zu stabilisieren. Tatsächlich zeigt sich in der historischen Erfahrung, dass die OPEC nur in bestimmten Phasen „Biss“ hat. Nämlich genau dann, wenn der Rohölmarkt sich in einer Situation steigender Preise befindet. In einer Situation fallender Preise sind dagegen die ökonomischen Interessenkonflikte innerhalb des Kartells zu groß, um den Markt effizient zu stabilisieren.
Der Mythos von der Effektivität der OPEC rührt aus den 1970er Jahren und den beiden Ölkrisen. Zwischen Februar 1973 und Dezember 1979 stoppten die Staaten des Kartells die Ausweitung ihrer Ölproduktion bei einem Fördervolumen von 30 Mio. Barrel am Tag. Dies fiel zusammen mit einem strukturellen Produktionsrückgang in den USA aus der Erschöpfung der Ölfelder etwa in Pennsylvania und einer weitgehend nicht auf Preisänderungen reagierenden Nachfrage in den Industrieländern. Mithin ein Umfeld, in dem der Ölpreis ökonomisch ohnehin hätte steigen müssen.
Die OPEC hat aber ein relativ chronisches Problem, in einem Umfeld hohen Angebots und schwacher Nachfrage Produktionssenkungen faktisch durchzusetzen. Ein gutes Beispiel hierfür ist etwa die Asienkrise. Zwar verkündete das Kartell mehrere Kürzungen der Produktionsquoten für die Mitglieder von 26 Mio. Barrel am Tag auf gut 20 Mio. Barrel am Tag. Die faktische Produktion stieg aber von 29,5 Mio. Barrel auf etwas über 31 Mio. Barrel.
Das ökonomische Grundproblem hinter der Diskrepanz zwischen Worten und Taten gleicht dem Gefangenendilemma. In der Summe würde zwar gemeinsames Handeln zu einem besseren Gesamtergebnis führen. Der individuelle Vorteil ist aber noch höher, wenn andere die Produktion kürzen (und damit der Preis höher liegt als sonst), man selbst aber nicht. Und noch einmal höher, wenn man unter der Bedingung von Produktionskürzungen der anderen die eigene Produktion ausweitet.
Entsprechend sind Förderquoten der OPEC auch in den meisten Fällen Makulatur. Die tatsächliche Förderung liegt in den meisten Fällen deutlich darüber. Während der Asienkrise stieg die „Übererfüllung“ etwa von 5 Mio. Barrel am Tag auf 11 Mio. Barrel am Tag.
Es ist also durchaus nachvollziehbar, wenn gerade kleinere Ölproduzenten wie etwa Venezuela immer wieder für eine Senkung der Förderquoten plädieren, deren Umsetzung aber dann primär vom Schwergewicht Saudi-Arabien zu erbringen wäre, das sich dem hartnäckig verweigert. Es macht für die Saudis schlicht keinen Sinn, über eigene Produktionskürzungen für steigende Preise zu sorgen, deren Vorteile dann überwiegend anderen zu Gute kommen.
Andere Überlegungen mögen durchaus auch eine Rolle spielen, aber es braucht sie eigentlich nicht. Es ist ein individuell absolut rationales Verhalten für jedes einzelne OPEC-Mitglied, seine eigene Produktion nicht einzuschränken, solange diese positive Gesamterträge bringt.
Entsprechend wird weniger eine schnelle Anpassung des Angebots durch Produktionskürzungen der OPEC als eine langsame Anpassung des Angebots durch weniger Investitionen in neue Förderanlagen den Markt ins Gleichgewicht bringen. Denn effektiv handlungsfähig ist die OPEC eben nur dann, wenn der Rohölmarkt unterversorgt ist. Heute ist er dagegen überversorgt.
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15. Januar 2016 um 09:52Hinweise des Tages | NachDenkSeiten – Die kritische Website