Wirtschaftsdienst exklusiv – Erfolg oder Misserfolg von Rettungsprogrammen
Griechenland ist aktuell etwas aus dem Fokus des öffentlichen Interesses verschwunden. Was die richtigen Maßnahmen sind, wenn ein Staat in Zahlungsschwierigkeiten gerät, bleibt jedoch eine Frage, die sehr schnell wieder akut werden kann. In der August-Ausgabe 2015 des Wirtschaftsdienst hatten Jens Boysen-Hogrefe und Ulrich Stolzenburg vom Institut für Weltwirtschaft (ifw) untersucht, warum Griechenland im Kontrast zu anderen Programmländern die Ziele der jeweiligen Rettungsprogramme so deutlich verfehlte.
In seiner Replik im aktuellen Wirtschaftsdienst bezweifelt Ernst Niemeier nicht nur die Ergebnisse dieser Studie sondern wirft die grundsätzlich Frage nach dem Nutzen von Anpassungsprogrammen auf.
Die ifw-Wissenschaftler hatten vor allem zwei mögliche Ursachen für das schlechte Abschneiden Griechenlands identifiziert: Entweder waren die Fiskalmultiplikatoren unterschätzt worden, d.h. die konjunkturelle Entwicklung hatte weitaus stärker auf die Kürzung bei den Staatsausgaben reagiert, als es prognostiziert worden war. Oder die geringe gesellschaftliche Akzeptanz der Maßnahmen hatte ein so unsicheres ökonomisches Umfeld geschaffen (die „Ownership“ fehlte), dass private Investoren erst einmal abwarteten und der Aufschwung ins Stocken geriet. Im Vergleich zu Irland und Portugal, die ihre Anpassungsprogramme beenden und sich wieder regulär auf dem Kapitalmarkt finanzieren konnten, gelang dies Griechenland nicht. Sie kommen zu dem Ergebnis, „…, dass die vermeintliche Fehleinschätzung des Fiskalmultiplikators, …, zumindest teilweise auf nicht antizipierte politische Unsicherheitsschocks zurückgeht.“
In seiner Replik in der Januar-Ausgabe bezweifelt Ernst Niemeier, dass von einem Erfolg gesprochen werden kann, wenn allein das Wachstum sich wieder erholt. Die nach wie vor hohen Arbeitslosenraten in Irland und Portugal sprechen seiner Meinung nach gegen einen Erfolg. Zudem würden vor allem in Rezessionen regelmäßig die Fiskalmultiplikatoren deutlich unterschätzt. Die Kürzungen der Staatsausgaben hätten zum Teil desaströse Wirkungen auf die Konjunktur. In wirtschaftlichen Talsohlen sei es deshalb auch nicht sinnvoll, echte institutionelle Reformen anzugehen. Niemeier weist außerdem auf eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hin, die festgestellt hatte, dass ohne die Austeritätsprogramme die wirtschaftliche Lage in den betroffenen Ländern weitaus besser aussähe.
In ihrer Erwiderung geben die ifw-Autoren zu bedenken, dass Niemeier unterstelle, das griechische Problem sei rein konjunkturell bedingt. Ohne Austeritätsprogramm wäre aber ein „…massiver Zustrom von Finanzmitteln aus dem Ausland zum Zweck der kurzfristigen Nachfragestabilisierung“ erforderlich gewesen. Und da die Ursache des griechischen Problems eben vor allem die geringe Wettbewerbsfähigkeit sei, die sich in hohen Leistungsbilanzdefiziten manifestiere, „..wäre Griechenland mit einer vorübergehenden Stabilisierung der Binnennachfrage keineswegs geholfen gewesen.“ Entsprechend würde Niemeier auch das Ziel der Austeritätsprogramme verkennen. Es käme vor allem darauf an, dass es den Staaten wieder gelänge, sich auf dem privaten Kapitalmarkt zu finanzieren.