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Wirtschaftsdienst exklusiv – TTIP – Jenseits von Handelsfreiheit

12. März 2016

2016 wollen die USA und die EU das Abkommen zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP abschließen. In der europäischen Bevölkerung gibt es vehemente Proteste dagegen. Die Kritik bezieht sich vor allem auf die mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen, das Investitionsschutzabkommen und manche Auswüchse der Standardisierung von Lebensmittelvorschriften. Befürworter sehen in gemeinsamen Regeln entscheidende Vorteile für die beteiligten Länder. Im aktuellen Zeitgespräch des Wirtschaftsdienst diskutieren Experten über das Für und Wider von TTIP.

Früher standen Güter im Fokus von Abkommen wie dem GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) und es ging dabei um Zollsenkung. Zu hohe Zölle sind heutzutage jedenfalls kein Handelshemmnis mehr: Im Handel zwischen den USA und der EU beträgt der Durchschnittszollsatz nur noch 3%. Auch der Kreis der Verhandlungspartner hat sich geändert: Auf multilateraler Ebene findet nichts Wesentliches mehr statt. Nach der Uruguay-Runde 1994 scheiterten die weiteren multilateralen Bemühungen, während bilaterale Abkommen boomten. Das schadet immer den Staaten, die nicht dabei sind.

Die Themen, über die verhandelt wird, haben sich ebenfalls geändert. Mittlerweile sind Investitionsschutz, Kapitalmarktregulierungen und Wettbewerbspolitik dazugekommen und das weite Feld der Dienstleistungen wird beackert. Durch die gegenseitige Anerkennung von Produktstandards, Kennzeichnungs- und Testverfahren soll der Handel erleichtert werden. Die neuen Abkommen zielen entsprechend auf eine weitaus tiefere Integration als frühere präferenzielle Handelsabkommen. Solche Abkommen wurden mittlerweile mit Kanada ausgehandelt (CETA). Die USA und asiatische Länder haben sich auf eine Transpazifische Partnerschaft (TPP) geeinigt. Hier gibt es durchaus Sorgen der Europäer, langfristig benachteiligt zu werden.

Aber TTIP hat eben auch seine Fallstricke. Beispielsweise stehen sich beim Verbraucherschutz unterschiedliche Kulturen gegenüber: In der EU gilt weitgehend das Vorsorgeprinzip, während die USA Produkte solange als sicher ansehen, wie Gefahren nicht dokumentiert sind. Kritiker befürchten, dass über TTIP das europäische Prinzip aufgeweicht werden könnte. Unterschiedliche Standards müssen ja nicht immer angeglichen werden, es reicht, wenn man sie gegenseitig anerkennt. Dies ist tatsächlich vorgesehen. Ein weiteres Problem sind die gerade im Dienstleistungsbereich sehr unterschiedlichen Regulierungen innerhalb der EU, die nun durch die TTIP-Verhandlungen decouvriert werden. Dort wo es Regelungsbedarf gibt, soll aber ein regulatorischer Kooperationsrat für Einigung sorgen.

Am heftigsten wird die Schiedsgerichtsbarkeit im Investitionsteil des Abkommens kritisiert. Hier bahnen sich aber Verbesserungen an. Für die Streitbeilegung soll beispielsweise eine Institution mit öffentlich bestellten Richtern geschaffen werden. Mittelfristig soll es einen internationalen Investitionsgerichtshof geben. Bedenken haben die Autoren des Zeitgesprächs allerdings, dass Parlamente durch die mangelnde Transparenz des Verfahrens nicht ausreichend informiert werden und somit auch nicht wirklich über strittige Fragen entscheiden können. Der institutionellen Struktur der regulatorischen Kooperation werden Demokratiedefizite bescheinigt.

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