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Fabian Fritzsche: Brexit – na und?

22. Juli 2016

Als am Morgen nach dem EU-Referendum in Großbritannien klar war, dass die Mehrheit recht überraschend für den Brexit gestimmt hatte, war die Aufregung an den Märkten groß. Das britische Pfund wertete über Nacht rund 11% gegenüber dem USD und gut 8% gegenüber dem Euro ab. Auch die Aktienmärkte brachen europaweit ein, der DAX verlor am Tag nach der Abstimmung fast 10%, der Eurostoxx 50 über 11% und der britische FTSE-100 fast 6% (in Pfund gerechnet, in Euro also über 13%). Auch die Umfragen nach der Abstimmung deuteten überwiegend die Erwartung deutlich negativer Auswirkungen an. Bei der Bloomberg-Konsensumfrage wurde etwa vor dem Referendum noch ein BIP-Wachstrum von 2,1% für 2017 erwartet – danach waren es nur noch 0,6%. Zuletzt senkte der IWF die Wachstumsprognosen aufgrund des Brexits nicht nur für Großbritannien, sondern auch für die Handelspartner klar nach unten. Ganze Horrorszenarien des ökonomischen Untergangs Großbritanniens werden an die Wand gemalt.

An den Märkten scheint sich die Stimmung allerdings bereits wieder gedreht zu haben. Die Börsen haben sich zumindest wieder auf die Niveaus von vor dem Referendum erholt, was jedoch auch auf die Erwartung noch niedrigerer Zinsen bedingt durch den Brexit zurückgeführt werden kann. Unbestritten ist die Austrittsentscheidung Großbritanniens ein einschneidendes Ereignis und m.E. überwiegen die ökonomischen Nachteile die ökonomischen Vorteile. Dennoch stellt sich die Frage, was sich nun eigentlich ändert, dass das Wachstum regelrecht einbricht und dann auch dauerhaft niedriger bleibt.

Das wohl am meisten vorgebrachte Argument für den kurzfristigen Wachstumsrückgang ist die Unsicherheit, die nun durch das Referendum entstanden ist. Diese würde zu geringeren Investitionen führen. Das klingt durchaus logisch und nachvollziehbar. Zu berücksichtigen ist jedoch z.B. wie hoch eigentlich der Anteil der Investitionen ist, die von der Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der EU abhängen. Das ist schwer zu beurteilen, doch dürfte bei kaum einer Investition die Mitgliedschaft das einzige oder auch nur das Wesentliche Entscheidungskriterium sein. Für die Autowerkstatt oder den Friseursalon dürfte das sogar ziemlich irrelevant sein. Andere Investitionen werden vermutlich verschoben, bis Klarheit herrscht, wie der Prozess weitergeht und sich andeutet, wie die künftigen Beziehungen des Landes zur EU aussehen werden. Das belastet dann zwar das Wachstum bis dorthin, werden diese geplanten Investitionen dann aber nachgeholt, ist der Gesamteffekt im Zeitablauf weitestgehend neutral. Darüber hinaus ist die Pfund-Abwertung, die in den Medien als ein Alarmsignal nach dem Brexit-Votum gedeutet wurde, positiv für die britische Wirtschaft: Importe verteuern sich und Exporte werden billiger. Das verbessert die Außenhandelsposition, was direkt das BIP-Wachstum stützt und es macht auch Investitionen in Großbritannien ceteris paribus attraktiver. Welcher dieser Effekte kurzfristig überwiegen wird, ist schwer auszumachen. Klar ist aber, dass die Unsicherheit nicht ewig anhalten wird. Das ist also in jedem Fall nur ein vorübergehend belastender Faktor.

Welche langfristigen ökonomischen Folgen der Brexit dann haben wird, hängt stark von der Ausgestaltung ab. Die wirtschaftliche Integration des Vereinigtes Königreichs mit den EU-Volkswirtschaften wird sicherlich geringer sein als bisher, was eher negativ für das langfristige Wachstum ist. Aber es ist kaum davon auszugehen, dass die britische Wirtschaft zukünftig vollständig abgeschottet von der EU agieren wird. Die EU wird es den Briten einerseits nicht zu leicht machen wollen, um nicht Austrittsanreize für andere Staaten zu schaffen – wieso Mitglied bleiben, wenn ich die Vorteile auch so haben kann? – andererseits sind niedrige Handelshemmnisse natürlich auch im Interesse der EU. Sehr viel Veränderung in ökonomischer Hinsicht zum Status quo wäre daher eher überraschend. Sobald die erste, noch immer anhaltende Aufregung verflogen ist, wird es dann vielleicht heißen: Brexit! – na und?

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