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Thomas Fricke: Krise der Demokratie – Mehr Eliten für Deutschland, bitte

26. November 2016

Es hat etwas Groteskes, auf Deutschlands Eliten zu schimpfen. Wäre ja schön, wenn wir wirklich welche hätten! Das könnte uns gegen die eine oder andere Krise schützen.

Seit die Amerikaner ihren Milliardär gewählt haben, herrscht helle Aufregung. Und die Frage bewegt, was oder wer schuld ist. Heiße These: die Eliten. Was intuitiv erst einmal merkwürdig klingt, wenn man gerade einen Superreichen und Fernsehstar gewählt hat. Wobei auch gar nicht so einer gemeint zu sein scheint, sondern Eliten wie, sagen wir, unsere armen Politiker (und Journalisten), die ach so weit weg, abgehoben und abgeschottet sind – und nicht mehr wissen, was das Volk will. Selbstkasteiung.

Jetzt trifft so eine Elitenkritik bei akutem Unmut im Volk natürlich irgendwie immer den Nerv. Beim Fußball ist auch immer der Trainer schuld – wenn der Stoßstürmer seit Wochen auf die Bahngleise hinterm Stadion haut. Und rechte Volksversteher brauchen so ein bisschen Elitenbashing natürlich auch, damit erst einmal nicht auffällt, wie wenig sie selbst zu bieten haben. Der Donald-Trick.

Nur, mal ganz im Ernst: Eliten? In Deutschland? Geht’s noch, Volk? Es dürfte kaum ein Land auf dem globalen Rund geben, das in der jüngeren Menschheitsgeschichte so wenig elitär beherrscht wurde wie unseres. Wir haben weder Elite-Gymnasien, die direkt auf Elite-Hochschulen und von da in hohe Elite-Regierungsposten führen. So wie bei den Franzosen, wo ein und derselbe Politiker auch über mehrere Jahrhunderte hohe Posten haben kann. Noch haben wir Familiendynastien, die von Papa zu Sohn und von Gatte zu Gattin (fast) Präsident der Vereinigten Staaten werden.

Wir haben ja nicht einmal eine richtige Königin, um die wir komische Rituale machen (Gott schütze uns!). Oder Lords. Oder Sprachakzente, die eindeutig bestimmen, welcher Schicht wir angehören. Bei uns müssen ja sogar Adelige zurücktreten, wenn sie, wie Karl-Theodor zu Guttenberg, Zitate kopiert haben.

Bei uns können Gymnasiallehrer wie Hans Eichel Finanzminister werden. Und wandelnde schwäbische Klischees ohne Talent für Fremdsprachen Dauer-Kommissar bei der Europäischen Union. Bei uns heißen Autokonzernchefs einfach Müller. Und die Chefs hiesiger Vorzeige-Unternehmen wechseln seit Ende der alten Deutschland AG gefühlt so oft, dass es kaum lohnt, sich die Namen zu merken. Können Sie die Ministerpräsidenten von mehr als fünf Bundesländern aufzählen, ohne zu googeln? Also.

Weg vom Elitenbashing, hin zu mehr Elite – im besten Sinne

Jetzt mag sein, dass der eine oder andere vor lauter Regieren nicht mehr richtig viel unters Volk kommt. Nur heißt das ja nicht, dass es nicht wichtiger ist, ein zugeteiltes Fachgebiet zu beherrschen. Und die Kunst der Politik. Für gute Politik braucht es auch Abstand und Überblick. Hier beginnt die Kehrseite vom vielen Unelitären.

Im Duden steht, dass Eliten „eine Auslese darstellende Gruppe von Menschen mit besonderer Befähigung und besonderen Qualitäten“ sind. Was ja nichts Schlimmes ist. Nur dass halt in den vergangenen Jahren gelegentlich Zweifel aufkommen konnten, ob, sagen wir, unsere Abgeordneten immer so besonders befähigt wirkten, wenn sie wieder einmal über die Rettung von Banken abstimmten – oder sich wieder einmal über Herrn Draghi und seine niedrigen Zinsen beschwerten. Obwohl es dafür fachlich tausend gute Gründe gibt und unser Sonnen-Finanzminister ohne Niedrigzinsen heute nie und nimmer eine schwarze Null hätte (was ihn nicht davon abhält, sich als Robin Hood jener Sparer aufzuspielen, die darunter leiden).

Es reicht halt nicht, wie, sagen wir, Herr Bosbach volksnah zu reden, wenn arge Zweifel bestehen, ob der die Ökonomie so einer Krise verstanden hat. Das sorgt international für gewisse Irritation über das, was hier mit viel Mut zur fachlichen Lücke so herumargumentiert wird. Da würde man dem einen oder anderen schon so ein klein bisschen Elite-Ausbildung wünschen.

Wenn wir ein Elitenproblem haben, dann nicht so sehr, dass wir zu viele abgehobene Politiker haben. Es gab wahrscheinlich selten Politiker, die so viel Bürgerkontakt hatten. In Wirklichkeit stehen die Volksvertreter bei uns sogar derart unter Beobachtung, ob sie (remember Wulff) nicht mal irgendwas im Leben nicht vorbildlich gemacht haben, dass mittlerweile all die, die wirklich besonders qualifiziert sind, lieber woanders arbeiten. Wo sie im Zweifel auch viel mehr Geld verdienen – weil wir ja vor lauter Neid immer drauf achten, dass unsere Politiker bloß nicht noch mehr verdienen. Kein Wunder, wenn da gelegentlich ein Eindruck von Orientierungslosigkeit entsteht.

Was jetzt nötig ist, ist kein vordergründiges Elitenbashing, sondern mehr Elite – im besten Sinne. Immerhin geht es gerade darum, die Krise jener Globalisierung zu meistern, die einen dramatischen Rückfall in alte Nationalismen auszulösen droht. Und das alte naive Paradigma durch ein neues zu ersetzen. Ziemlich gut qualifizierte Leute, die sich darüber Gedanken machen, wie man die irrsten Folgen dieser Entwicklung beseitigt. Und wie man am besten in die Zukunft investiert – statt kurzfristig auf schwarze Nullen zu starren. Leute, die Ideen entwickeln für eine neue Art Globalisierung, die nicht etliche als Verlierer dastehen lässt. Oder die eine sehr viel radikalere Reform der Finanzmärkte entwickeln. Damit nicht übermorgen die nächste Krise kommt.

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Die neue Kolumne „Die Rechnung, bitte!“ erscheint seit dem 15. April 2016 im wöchentlichen Rhythmus auf Spiegel Online (SPON).

  1. Schaller Peter
    26. November 2016 um 16:32

    Sehr geehrter Herr Fricke
    Das war jetzt mal ein Artikel der Elite auf dem man dringend aufbauen sollte.
    Was nützt es den lieben Hans von nebenan als Politiker an einer Schlüsselposition im Amt zu haben ( wie z.B. von der Leyen die nachweislich ein Departement nach dem andern an die Wand fährt) die oder der von Tuten und Blasen keine Ahnung haben und sich auf einen Beraterstab von Leuten mit glasklaren eigenen interesse von Firmen als Berater mit Ihrer Tätigkeit beinflussen. Es ist schon bedenklich das ein Herr Schulz EU Vize in seiner Funktion mit einem Abschluss eines Buchhändlers und vom Gymnasium geflogen ist da seine Schulnoten nicht mal genügend waren eine solche Position inne hat und jetzt sich noch als Kanzlerkanditat profilieren möchte. Oder der aktuelle Berliner Müller eine katastrophe das er sich auch noch die Wissenschaft einverleibt und Ihm noch ein hochbezahlter Asistent zur Seite gestellt wird so was absurdes aber eben passt genau zur möchtegerne Polit Elite.
    Vielen dank Herr Fricke für Ihren Artikel weiter so unbedingt es ist nur für das wohl Deutschlands und wenn Sie den Mut haben stellen Sie doch mal Alle Minister und Abgeordnete in ein Schaufenster mit Ihrer Ausbildung und Sie werden sehen das es noch viel schlimmer als mit Oettinger bestellt ist da es Kinderhortpädagoginen gibt die wichtige Funktionen in Ländern wahrnemen.
    Zum Abschluss noch es hat mal im Volksmund geheissen wer nichts wird wird Wirt aber ich denke Sie wissen was ich meine. Ja zugegeben haben wir in der Schweiz auch so ein Paradebeisplel mit Frau Somaruga die eine Konzertpianistin ist und das Wichtige Departement der Justiz und Polizeit inne hat eine einzige Katastrophe wie das Departement geführt wird.
    Besten Dank für Ihre Kenntnisnahme und verbleibe weiter so Herr Fricke.
    Peter Schaller

  2. Fred Ehmann
    26. November 2016 um 12:47

    The German/American problem are not their, „elites“, but rather their, „establishments“ that cycle in and out of office. In the USA, these people have turned into themselves for their own power/monetary benefit with bad decisions for the country. Deutschland, Inc., in contrast, has made generally good decisions for the country and its citizenry, especially when the acts are cloaked in EU, Green, Globalization, etc. words and concepts.
    We pray that German opinionators will continue to laugh at our Democratic process that has refreshed itself once again – with a brilliant strategist, no BS, person of proven talent. No, he doesn’t speak high German.

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