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Wirtschaftsdienst exklusiv – Brexit und die Zukunft Europas

12. Dezember 2016

Nach der Entscheidung der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Union stellt sich die Frage, wie die Beziehungen neu gestaltet werden sollten. Bei den Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU geht es darum, welche Strategie die beste ist – für die Briten und für die EU. Eine Autorengruppe aus dem Institut der deutschen Wirtschaft um den Direktor Michael Hüther  untersucht das Thema spieltheoretisch. Die Autoren zeigen in der aktuellen Ausgabe des Wirtschaftsdienst, dass die EU – was auch immer kurzfristig vorteilhaft ist – auf jeden Fall langfristig am meisten von einer kompromisslosen Verhandlungsführung profitiert.

Die britische Premierministerin Theresa May hat im Oktober verkündet, dass sie bis Ende März 2017 wie es den EU-Vorschriften entspricht den Antrag nach Artikel 50 EU-Vertrag auf Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union stellen werde. Die Briten  haben die rote Linie eingezogen, dass Großbritannien die Kontrolle über die Einwanderung erhalten möchte. In welche Art Beziehung Großbritannien zur EU eintreten möchte, ist aber bisher vollkommen unklar. Die Autoren sehen als wesentliche Eckpunkte, über die geredet werden muss: den Zugang zum europäischen Binnenmarkt, die Personenfreizügigkeit und die britischen Zahlungen an die EU.

In einem spieltheoretischen Tableau werden die Folgen möglicher Entscheidungen für vier Konstellationen beschrieben:

  • Exit-Welthandelsorganisation (WTO): Führen beide Parteien kompromisslose Verhandlungen, kommt es zu einer Zusammenarbeit analog zu anderen WTO-Mitgliedern. Das würde bedeuten, dass Großbritannien den Zugang zum europäischen Binnenmarkt vollständig verliert, aber es muss EU-Bürgern keine Personenfreizügigkeit gewähren und keine Zahlungen an die EU leisten.
  • Sonderlösung GB: „Führt Großbritannien hingegen harte Verhandlungen und ist die EU bereit, Zugeständnisse zu machen, könnte Großbritannien seine Forderungen komplett durchsetzen.“ Dann würde Großbritannien weder Personenfreizügigkeit gewähren noch müsste es Zahlungen leisten.
  • Norwegen: Die Beziehungen werden analog zu denen mit Norwegen organisiert, das hieße die Personenfreizügigkeit bliebe erhalten und Großbritannien leistet weiter Zahlungen an die EU.
  • Norwegen+: Großbritannien „würde geringere Zahlungen leisten, müsste die Personenfreizügigkeit nicht im vollen Umfang gewährleisten, könnte uneingeschränkt am EU-Binnenmarkt partizipieren, hätte jedoch kein politisches Mitspracherecht.“

Was wären die Folgen dieser vier Alternativen? Bei der Exit- WTO-Lösung würde Großbritannien mehr leiden als die EU, da sie den Zugang zu 27 EU-Staaten verliert, der Handel würde mit WTO-Zöllen belegt und die Finanzbranche wäre mit komplizierten bürokratischen Hindernissen konfrontiert. Bei der „Sonderlösung GB“ würde langfristig die EU Nachteile  in Kauf nehmen, da sie Nachahmer auf den Plan rufen könnte, was in der EU zu massiven Verwerfungen führen würde. Die Norwegen-Lösung hätten beide Parteien wohl nicht so negative Folgen zu erwarten, allerdings ist mit Wachstumseinbußen für Großbritannien zu rechnen. Bei der Norwegen+-Lösung würde sich Großbritannien gegenüber der Norwegen-Lösung besser stellen. Allerdings würde das Land auch hier die Regulierungen und Vorschriften aus Brüssel vorgesetzt bekommen ohne mitbestimmen zu können.

Langfristig stellen sich alle Partner besser, wenn die EU kompromisslos verhandelt und Großbritannien kompromissbereit ist, d.h. die Norwegen-Lösung. Kurzfristig allerdings ergeben sich aus den spieltheoretischen Überlegungen sowohl die Norwegen-Lösung als auch die Sonderlösung-GB als dominant. Die Norwegen-Lösung wäre also sowohl kurz- wie langfristig die beste. Allerdings würden die Brexit-Befürworter dann ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Zum Beitrag

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