David Milleker: Zu „alternativen Fakten“ nun die „alternative Statistik“?
Donald Trump ist schon während des Wahlkampfs mit einigen eher außergewöhnlichen statistischen Aussagen etwa über die Höhe der US-Arbeitslosenquote, der Kriminalität oder des Außenhandels aufgefallen. Dafür gibt es inzwischen den von seiner Beraterin kreierten Ausdruck der „alternativen Fakten“.
Es kommt jetzt zwar nicht vollkommen überraschend, dass es seitens der Trump-Administration scheinbar Überlegungen gibt, statistische Verfahren grundlegend anzupassen, allen voran die Berechnung des US-Außenhandels.
Hier kann man sich seitens des Weißen Hauses vorstellen, etwa Importe, die anschließend wieder exportiert werden, nur noch als Ein- aber nicht mehr als Ausfuhr zu verbuchen. Bislang werden diese auf beiden Seiten der Außenhandelsstatistik gebucht – im Außenbilanzsaldo heben sie sich dann wechselseitig auf. Mit der statistischen Umstellung würde sich dagegen das Handelsdefizit im Niveau um rund 300 Milliarden US-Dollar oder 1,8 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen.
Hierzu sei vorweggeschickt: Jede gesamtwirtschaftliche Statistik ist zunächst einmal eine Konvention. Erhoben werden solche Statistiken ohnehin meist über Stichproben, die dann hochgerechnet werden. Eine Vollerhebung wäre viel zu zeit- und ressourcenintensiv. Zudem lässt sich über vieles trefflich streiten. Etwa, ob Ausgaben für Forschung und Entwicklung– wie bis vor wenigen Jahren – ein gesamtwirtschaftlicher Input (und damit nicht in der Wirtschaftsleistung erfasst) oder eine Investition (und damit Teil der Wirtschaftsleistung) sind. Das gleiche gilt für die offizielle Preisstatistik – etwa ob bei Computern nur der Ladenpreis zählen sollte oder ob dieser um den Zuwachs an Prozessorleistung (hedonische Preismessung) zu bereinigen ist. Statistik hat hier einen Hauptzweck: Nämlich da, wo strikte Objektivität nicht möglich ist, zumindest eine zwischen Personen gleiche Bezugsbasis herzustellen. Nur so ist eine aufgeklärte Diskussion über und Interpretation von Daten möglich.
Der Vorstoß der Trump-Administration macht allerdings nicht den Eindruck, dass es hier um ein anderes Erhebungsverfahren oder eine durchaus sachlogisch begründete, andere Verbuchung handelt. Vielmehr scheint die Stoßrichtung ausschließlich darauf gerichtet, zu einem höheren statistischen Ausweis des Handelsdefizits zu kommen.
Wozu das gut sein soll, erschließt sich nicht wirklich. Natürlich ist es naheliegend, dass man auf Basis solcher Zahlen politisch noch stärker argumentieren kann, die USA würden im internationalen Handel „den Kürzeren ziehen“. Dies wäre dann ein Argument, protektionistische Maßnahmen weiter zu rechtfertigen. Allerdings würde es sich negativ auf die gemessene Wirtschaftsleistung auswirken, ließe man das so ausgewiesene höhere Handelsdefizit nun in die Berechnung einfließen. Und zwar sowohl im Niveau als auch (minimal) auf die Wachstumsrate, da in der Vergangenheit die re-exportierten Importe schneller gestiegen sind als der sonstige Außenhandel (auf beiden Seiten der Handelsbilanz). Natürlich könnte man hier bei der Statistikumstellung sogar noch einen Schritt weitergehen und bei der ausgewiesenen Handelsbilanz bei solchen re-exportierten Importen nur die Importe und für die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts nur die Exporte einrechnen. Dann hätte man sowohl eine schlechtere Handelsbilanz als auch eine höhere Wirtschaftsleistung. Frei nach Pipi Langstrumpf: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“.
Solange jedoch die Rohdaten zur Verfügung stehen, lassen sich solche fragwürdigen Praktiken ohnehin recht gut durchschauen. Die US-Statistik ist hier (bislang?) vorbildlich. Es ist sowieso alles andere als einfach, Wirtschaftsdaten in sich schlüssig zu manipulieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist die chinesische Statistik in den Jahren 2014 und 2015. Damals wurde das Wachstum des BIP systematisch höher ausgewiesen als dies andere Daten zum Wirtschaftsgeschehen nahegelegt haben. Zu deutsch: Verschleiern lässt sich das nicht.
Vor allem ist die politische Beeinflussung von Daten und deren Erhebung eine Entwicklung, der man energisch entgegentreten sollte.