Wirtschaftsdienst exklusiv – Wissenschaftliche Politikberatung: Plädoyer für Pluralität
Welche Rahmenbedingungen benötigt die Wissenschaft, damit Politikberatung gelingen kann? Hans-Jürgen Krupp problematisiert den Rückgang an Lehrstühlen für Sozialpolitik in Deutschland, durch den die Basis wirtschaftswissenschaftlicher Politikberatung aus seiner Sicht ausgehöhlt wurde. Ebenso gibt er zu bedenken, dass in den Wirtschaftswissenschaften ein ausreichendes Maß an Pluralität sichergestellt werden muss. Im Vergleich mit den USA sind die Wirtschaftswissenschaften in Deutschland weniger breit aufgestellt.
Einzelne Fachbereiche seien paradigmatisch homogen. Betrachtet man aber die Gesamtheit der Universitäten, finde man durchaus unterschiedliche Schwerpunkte. Zu mehr Pluralität trage insbesondere die Verhaltensökonomie bei. Krupp wirbt dafür die tradierten Grenzen der Disziplin zu überwinden und insbesondere Psychologie, Verhaltensforschung und Soziologie einzubinden, da die Ökonomie sonst Gefahr läuft einseitig zu sein.
Die beschriebenen Defizite bei der Pluralität ökonomischer Ansätze sind für die Politikberatung relevant: Für eine ausgewogene Beratung in Fragen der Wirtschaftspolitik sind Mirko- und Makroanalyse wichtig. Wenn man die Politikberatung auf Modellen fundiert, die beispielsweise Arbeitslosigkeit ausschließen, wird man mit diesen Modellen keine Ansätze zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit formulieren können. Außerdem ist aus Sicht von Krupp methodische Vielfalt für eine gelingende Politikberatung essentiell.
Mit Blick auf die Autonomie der Universitäten hält Krupp fest: „Die Autonomie der universitären Instanzen kann zu Einseitigkeit führen und damit zu einer Aushöhlung der wissenschaftlichen Basis von Politikberatung. Unabhängigkeit von Wissenschaft kann also Politikberatung nicht nur sichern, sondern auch behindern. Man muss sich daher mit der Frage auseinandersetzen, wie wünschbar die Unabhängigkeit von Wissenschaft ist.“ Er hält nach einer historischen Betrachtung fest, dass Autonomie einerseits zu Fehlentwicklungen beitragen kann und andererseits nicht notwendigerweise zu Beeinträchtigungen führen muss. Dennoch stellt Krupp nicht grundsätzlich infrage, dass Wissenschaft unabhängig sein soll.
Für Krupp stellt sich die Frage, wie die Unabhängigkeit der Wissenschaft gesichert werden kann und gleichzeitig Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Pluralität und Praxisorientierung garantieren. Es geht darum, eine Balance zwischen Autonomie von Wissenschaft und gesellschaftlicher Interessen zu finden. Abschließend resümiert Krupp: „Nur wenn die Qualität der Wissenschaft in Breite und Tiefe sichergestellt ist, wird eine wissenschaftliche Politikberatung, an der auch die Institutionen unabhängiger Wissenschaft beteiligt sind, eine Zukunft haben.“