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Thomas Fricke: Vermeintliche Handelseinigung – Zärtlichkeiten ohne Wert

30. Juli 2018

Es ist naiv, den „Deal“ zwischen EU und US-Präsident überhaupt als Hoffnungswert einzustufen. Trumps ganzes Wirken baut darauf, Feinde zu haben. Und Deutschland bleibt sein schönster Gegner.

Als Amerikas Präsident Ende vergangenen Jahres ein großes Steuersenkungspaket verabschieden ließ, herrschte (auch) bei deutschen Konzernchefs große Freude – klar, sie bekamen ein paar Milliarden geschenkt. Sie freuten sich so sehr, dass sich in Davos der Siemens- und der SAP-Chef mit dem Dealmaker und Möchtegernautokraten strahlend ablichten ließen, in etwa so honigkuchenbeglückt wie kurz darauf, Sie wissen schon, dieser weltbekannte deutsche Fußballer mit dem echten Autokraten vom Bosporus (was bekanntlich bislang nur bei einem der Beteiligten zum Rücktritt geführt hat).

Ein paar Wochen später wird den steuerentlasteten deutschen Trump-Fans das Lächeln eingefroren sein – als derselbe Kuschelfreund Donald, für den sie gerade noch so herzlich werbewirksam in die Kameras gegluckst hatten, seinen Feldzug gegen die deutsche Wirtschaft begann: mit Schimpftiraden gegen die Deutschen und ihre vielen Autos auf den Straßen Manhattans und mit Strafzöllen und mit ordentlich Drohungen, noch mehr Strafzölle zu erheben. Feind Deutschland.

Ein typisches Muster rechter Erlöser

Nun scheint zumindest der Siemens-Chef seither deutlich vorsichtiger darin geworden, einem gefährlichen US-Präsidenten dabei zu helfen, sich als erfolgreicher Dealmaker zu gerieren. Eine Wiederholung des Wechsels aus Freud und Schock droht trotzdem, spätestens seit Donald Trump am Mittwoch dem EU-Kommissionschef sinkende statt steigende Zölle in Aussicht gestellt hat – mit anschließender Umarmung und Kuss auf die Backe. Worauf die ersten Analysten schon wieder freudig kommentieren, dies sei ein Hoffnungswert.

Klar ist es unter allen Umständen gut, eine Eskalation im Handelsstreit (erst einmal) zu stoppen. Trumps Wirken mit den üblichen Maßstäben ökonomischer Analyse zu begutachten (weniger Zoll ist mehr Wettbewerb ist immer gut), hat trotzdem etwas hochgradig Fahrlässiges. Es ist ja nicht so, als könne der US-Präsident tatsächlich die Verzweifelten und Verunsicherten, die ihn gewählt haben, dadurch flugs ausgeglichen und zufrieden machen, dass es mehr Zölle auf deutsche oder chinesische Importe in die USA gibt. Oder dadurch, dass es – huch! – ganz plötzlich alternativ keine Zölle mehr gäbe, wie es per Deal mit Herrn Junker nun angestrebt würde. Humbug.

Was Trump seit eineinhalb Jahren tut, folgt ziemlich eindeutig einem ziemlich typischen Muster rechter Erlöser: Erst werden große Verheerungen diagnostiziert, Feindbilder geprägt und durch (meist) selektive Wahrnehmung verstärkt; dann wird die große Bedrohung beschworen; um schließlich die große Erlösung per Ich-AG zu versprechen. Für Trump sind die Feinde mal die Mexikaner, mal der Islam, mal die Chinesen, mal der Nordkoreaner, mal die EU, und mal die Germans. Eigentlich ist das arme Amerika umzingelt vom Bösen. Wobei allen Bösen gemein ist, dass sie die USA auf irgendeine Art bedrohen. Und der Einzige, der das noch stoppen kann? Ist, klar, der Dealmaker.

Wunderdealer Trump

Wer gerade Feind ist, lässt sich je nach Land und Lage und WM-Leistung natürlich flexibel gestalten. In Frankreich wie Italien droht den Rechten zufolge der Islam, Schuld sind aber auch die Deutschen. In Deutschland reicht dank der vielen Flüchtlinge, die zwischenzeitlich kamen, im Moment zur Mobilisierung der Wütenden offenbar der Flüchtling. Zusammen mit dem Türken. Dass der Rechte auch hier bei der Feindeswahl zur Flexibilität neigt, hat sich in Phase eins der AfD gezeigt. Da gab es gerade kaum Flüchtlinge. Und schuld an allem war der Euro.

Wenn das Muster zutrifft, lässt sich so recht gut erklären, warum Donald Trump den nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un erst wüst beschimpfte – um ihn dann unversehens zum großen (Schein-)Erlösungsgipfel zu treffen. Ähnliches Muster beim Russen. Oder eben jetzt bei Küsschen-Kumpel Juncker, dessen EU er vor ein paar Tagen noch zum Feind erklärte – um jetzt, hallelujah, zu befinden, dass sich EU und USA „lieben“ (was auch wieder keine schöne Vorstellung hergibt). Dank Wunderdealer Trump.

Wenn das stimmt, hängt Trumps Erfolg bei den eigenen Wählern tief und fest davon ab, ob und wie es gelingt, die Masche immer wieder neu zu starten – und immer wieder neue (oder neue alte) Feinde zu finden. Was wiederum ungeachtet jeder sonstigen Pathologie erklären könnte, warum aus dem erlösenden Dealmaker so scheinbar irrational abrupt wieder der Kriegstreiber wird, der die Deutschen (oder Chinesen oder wen-auch-immer) unversehens erneut zu furchterregenden Wesen erklärt, die es heroisch zu bekämpfen gilt. Gehen Sie zurück zum Start.

Aus Verlierern werden so schnell keine Gewinner

Weder Strafzölle, noch ein Nullzolldeal werden viel daran ändern, dass die USA viel mehr im Ausland (und auch aus Deutschland) kaufen, als sie selber dort verkaufen. Die Zölle auf Stahlimporte haben der US-Autoindustrie eher sogar zugesetzt, weil die Konzerne eben jetzt auch mehr für jenen Stahl zahlen müssen, den sie brauchen, um ihre Autos herzustellen. Von einem Abbau von Zöllen würden umgekehrt – und wenn überhaupt – die Deutschen ähnlich profitieren wie die Amerikaner. Auch dadurch würde das enorme US-Außenhandelsdefizit nicht kleiner. Es könnte sogar größer werden, zumal wenn die gesunkenen Steuern dazu führen, dass die Amerikaner mehr Geld ausgeben und dann automatisch auch mehr importieren. Aus Verlierern der Globalisierung werden so schnell keine Gewinner werden.

Küsschen hin, Küsschen her.

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Die Kolumne „Die Rechnung, bitte!“ erscheint seit dem 15. April 2016 im wöchentlichen Rhythmus auf Spiegel Online (SPON).

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