David Milleker: Frühzeitiges Ende der Bilanzrückführung durch die Fed?
Im Herbst 2017 startete die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) die Rückabwicklung ihres durch die quantitative Lockerungspolitik aufgebauten Wertpapierportfolios. Faktisch tut sie dies, indem fällig werdende Anleihen nicht neu angelegt werden. Bis dato ist sie damit auch langsamer vorangekommen als sie sich ursprünglich vorgenommen hatte. Jetzt steht die Frage im Raum, ob sie den Prozess nicht sogar vorzeitig beenden könnte. Bei der Frage nach dem Warum muss man ein wenig tiefer in die Historie und die Art, wie Zentralbanken den Geldmarkt steuern, einsteigen.
Zunächst einmal zur Frage der Steuerung: Faktisch setzt die Notenbank einen Referenzzins, den sie aus gesamtwirtschaftlichen Gründen für sinnvoll hält. Sie kann diesen ziemlich präzise steuern, indem sie auf (mindestens) einer Marktseite zu einem vorgegebenen Zins in unlimitierter Menge zur Verfügung steht. Dementsprechend sind Geschäfte zwischen Finanzinstituten über (Zentralbank auf der Verleiherseite) oder unter (Zentralbank auf der entleihenden Seite) diesem Refernzzins nicht sinnvoll. Die Zentralbank stellt ja in diesen Fällen immer die günstigeren Konditionen als Gegenpartei. Im Falle der Europäischen Zentralbank (EZB) waren schon immer beide Seiten instrumentell verfügbar (Korridor aus Spitzenrefinanzierungsfazilität und Einlagenfazilität).
Bei der Fed war das traditionell anders. Es gab vor 2008 ausschließlich ein Ausleihmodell bestehend aus Fed Funds Target Rate und Diskontsatz. Die Nutzung von Wertpapierkäufen (quantitative Lockerung) änderte die Rahmenbedingungen und zwang auch zu institutionellen Anpassungen bei der Geldmarktsteuerung. Da die Geschäftsbanken nun durch die Wertpapierkäufe mit Zentralbankgeld überversorgt wurden, mussten sie sich auch bei der Zentralbank kein Geld mehr leihen, um ihren Reserveverpflichtungen nachzukommen. Entsprechend wurde auch der Ausleihzins irrelevant. Entsprechend musste zur sinnvollen Geldmarktsteuerung auch ein Einlagezins geschaffen werden, die sog. Verzinsung von Überschussreserven. Zusätzlich stellte sich das Problem, dass diese Überschussverzinsung wegen des Zentralbankstatus nur Instituten mit Einlagengeschäft zur Verfügung steht. Für Banken ohne Einlagengeschäft wurde das Äquivalent zu einer Einlagenverzinsung durch die Möglichkeit von Reverse Repos geschaffen.
Seit 2015 steuert die Fed nun den Geldmarkt ausschließlich über den Korridor aus Überschussverzinsung (Ober-) und Reverse Repos (Untergrenze). In der Praxis hat dieses Modell ebenso gut funktioniert wie vorher die Ausleihsteuerung. Während in den ersten beiden Wellen der quantitativen Lockerungspolitik klar war, dass man langfristig wieder zur Ausleihsteuerung zurückwollte, ist das heute nicht mehr zwingend der Fall.
Allerdings dürfte der Fed diese Entscheidung in Kürze aufgezwungen werden. Erstens hat sich der relevante Interbankenzins seit Jahresbeginn zunehmend am oberen Ende des Einlagenkorridors bewegt. Zweitens zeigt sich, dass es wieder zunehmend direkte Ausleihungen bei der Fed gibt und Reverse Repos eigentlich gar nicht mehr genutzt werden. Das deutet stark darauf hin, dass der Geldmarkt kurz davor steht, wieder zum Ausleihzins als relevanter Größe zurückzukehren. Das mag überraschen, weil das Wertpapierportfolio der Fed gerade erst begonnen hat, merklich zu schrumpfen und immer noch 1,8 Billionen US-Dollar an Überschussreserven im System sind.
Mögliche Erklärungen hierfür sind zum Beispiel eine ungleiche Verteilung dieser Überschussreserven im Banksystem. Während einige Banken noch sehr viele halten, sind andere bereits wieder auf die Fed angewiesen. Oder regulatorische Anforderungen implizieren eine viel höhere Reservehaltung als zuvor.
Was auch immer der Grund sein mag: Für die Fed stellt sich nun schon viel früher als gedacht die Frage, wie sie künftig steuern möchte. Und auch wenn sie sich wieder für die Ausleihsteuerung entscheidet, wäre die Implikation eine enorm viel größere Zentralbankbilanz als vor der Krise.