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Thomas Fricke: Debatte über CO2-Abgabe – Eine Steuer wird das Klima nicht retten

10. Mai 2019

Die einen preisen als Klimaretter den Markt – die anderen schwören auf eine Steuer auf das Böse. Dabei hat auch die Tücken. Denn durch höhere Preise allein wird sich zu wenig ändern. Ein Aufklärungsversuch.

Die Sache ist offenbar klar: Im Kampf gegen ein Klimadesaster wäre es am allerbesten, alles teurer zu machen, was schlecht ist fürs Klima – also viel CO2 ausstößt. Ob Autos, Industrieanlagen, Flugzeuge, pupsende Kühe oder schlecht gedämmte Häuser. Die Frage scheint nur, ob das am besten über den heiligen Markt geht – wie die handelsüblichen Ultras und Markt-Prophet Christian Lindner meinen. Oder über jene CO2-Steuer, die als Königsidee seit Tagen durchs Land geistert, allerdings wohl nun doch kein Wohlwollen bei der Christlich Demokratischen Union zu finden scheint.

Dabei spricht die Erfahrung der vergangenen Jahre einerseits eher für die Steueridee als für das Marktvertrauen. Andererseits droht auch dieser Glaube etwas Naives zu haben – zumindest, wenn mit der Steuer die derzeit gelegentlich zu vernehmende Erwartung verknüpft ist, dass sich so das Klimaproblem ganz elegant lösen ließe.

Vieles spricht dafür, dass so eine Steuer auf CO2-haltiges Wirtschaften erst richtig wirken würde, wenn die Leute im Land schneller mehr Möglichkeiten bekämen, auf weniger schädliche Alternativen umzusteigen – ohne dass sie das finanziell gleich ruiniert.

Wunderbare Theorie, schwierige Praxis

Die Theorie hinter der Idee von den steigenden Preisen oder Steuern klingt wunderbar: Würden alle, die (viel) CO2 ausstoßen oder verbrauchen, dafür auch extra etwas bezahlen müssen, würden sie sich gut überlegen, ob sie nicht auf CO2-ärmeres Verhalten umsteigen, auf das es keine Extrakosten gibt. Eher mal, sagen wir, das Rad nehmen. Oder ein Auto, das weniger (oder keinen) Sprit verbraucht. Die finanzielle Bestrafung müsste auf kurz oder lang dazu führen, dass Firmen, um Geld zu sparen, viel mehr in alles investieren, was wenig Treibhausgas mit sich bringt – etwa Stahl durch leichtere Materialien ersetzen. Klima gerettet.

Um so einen CO2-Preis zu ermitteln, galt es lange als top, Zertifikate am Markt handeln zu lassen, mit denen Unternehmen sich das Recht kaufen, CO2 auszustoßen. Die Idee dahinter: Je weniger Zertifikate im Laufe der Zeit ausgegeben werden, desto höher wird bei zunehmender Knappheit der CO2-Preis im freien Handel – und Schluss mit Klimawandel.

Von wegen. Mittlerweile räumen selbst frühere Verfechter ein, dass das System nicht so richtig funktioniert. Weil am Markt eher wirre Vorstellungen davon kursieren, wie sich das Geschäft auf lange Sicht entwickelt, bewegten sich die CO2-Preise im EU-Emissionshandel erst über lange Jahre auf viel zu niedrigem Niveau – eine Einladung zum CO2-Ausstoß und damit kontraproduktiv.

Jetzt sind die Preise hochgeschnellt – weil die Spekulation auf die künftige Klimapolitik offenbar steigende Preise erwarten lässt. Das Risiko beschreibt Ottmar Edenhofer, Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung: So eine spekulative Erwartung kann schnell wieder kippen – und dann drohen die Händler sich zu unterbieten. All das ist für Unternehmen keine Kalkulationsgrundlage, die nötig wäre, um Verhalten dauerhaft zu ändern.

Wenigstens Mindestpreise müsste es geben. Oder gleich besagte Steuer. Die ließe sich politisch in Schritten absehbar anheben. Den Rest könne, so frohlocken Experten, wieder der Markt regeln – also Firmen und Verbraucher, die ermitteln, welche Technologie sich durchsetzt.

Ist das besser? Wahrscheinlich. Nur hat auch diese Variante Tücken. Mal unabhängig davon, wie gut sich eine Steuer sozial für diejenigen auffangen ließe, die auf dem Land leben, aufs Auto angewiesen sind und alternativlos am stärksten belastet würden.

Den Reichen sind ein paar Euro mehr egal

Nicht sicher ist, wie effizient so eine Abgabe wirken würde. Die Steuer könnte Experten zufolge zwar relativ schnell dazu führen, dass sich etwa das Verhalten derer ändert, die professionell Strom produzieren. In den Kraftwerken könnte von CO2-intensiver Kohle einiges auf Gas umgestellt werden, wenn Kohle steuerbedingt nicht mehr so billig ist.

Schwieriger wird es anderswo. Schon weil so eine Steuer je nach Reichtum unterschiedlich Druck ausübt. Wie bei Knöllchen. Ein paar Euro mehr – etwa fürs Fliegen – zu zahlen, wird Betuchtere nicht so treffen, dass sie aus Geldnot auf die Bahn umsteigen – oder vom Großraumschlitten auf ein Oma-Auto. Weniger Betuchte trifft die Steuer stärker, die verursachen aber alles in allem gar nicht so viel CO2.

Das lässt sich durch Ausgleichszahlungen womöglich teilweise auffangen – wenn der Finanzminister die Einnahmen aus der CO2-Steuer per Scheck an Leute mit kleineren Einkommen auszahlt. Nur würde auch das wieder das Tempo des CO2-Abbaus bremsen, wenn zumindest ein Teil des verschickten Gelds doch wieder fürs Autofahren oder Fliegen ausgegeben wird.

Je erfolgreicher umgekehrt die Steuer wirkt, desto stärker droht die Wirkung durch – sozusagen marktwirtschaftlich natürliche – Gegeneffekte gebremst zu werden. Gerade wenn die höheren Kosten für schmutzigen Konsum dazu führen, dass saubere Alternativen stärker gefragt werden, wird auch der Marktpreis für das Saubere entsprechend steigen (und das Schmutzige wird relativ wieder billiger). Was marktwirtschaftlich sinnvoll ist, nur nicht ganz so fürs Klima, weil es den Anreiz wieder schwächt, umzusteigen.

Der Flop mit der Elektro-Prämie

All das spricht nicht per se gegen die CO2-Steuer, die allemal mehr verspricht als der Emissionshandel. Es lässt nur befürchten, dass das gepriesene Instrument weit zäher zu wirken droht, als das so manche Empfehlung gerade vermuten lässt – dabei bleibt nach gängiger Schätzung nicht mehr so viel Zeit, um das Risiko größerer Klimakatastrophen abzuwenden.

Das könnte selbst das Positivbeispiel der Schweden bestätigen, die schon 1991 eine CO2-Steuer eingeführt und seither stetig angehoben haben. Davon ist die schwedische Industrie nicht zugrunde gegangen, und jeder Schwede stößt statistisch heute weniger CO2 aus als im Schnitt die Deutschen. Gut. Und zurückgegangen ist der Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen auch anderswo (in Deutschland seit 1990 um 25 Prozent), nur halt in Schweden stärker (37 Prozent).

Dass Preissignale nicht auf Anhieb Klimawunder bewirken, lässt auch die jüngste deutsche Erfahrung mit der Prämie auf die Anschaffung von Elektroautos erahnen. Auch das ist ja so ein Lenkungsversuch via Preis, nur dass es einen positiven Anreiz für den E-Mobil-Kauf gibt – und die Kosten für schädlichere Automobile dadurch indirekt (relativ) steigen.

Wenn von dem staatlichen Geschenkangebot kaum jemand Gebrauch gemacht hat, dürfte das daran liegen, dass erstens der Preis für Elektroautos trotz Prämie noch deutlich höher ist. Und dass zweitens kaum einer so ein Ding haben will, solange man die nicht an jeder Ecke auftanken kann. Da hilft dann der tollste Preisanreiz wenig.

Klar, wird es höhere Preise geben müssen – und eine Steuer auf CO2 würde auch Anreize dafür schaffen, ein Stromtankstellennetz aufzubauen oder noch günstigere E-Autos zu entwickeln, wenn herkömmliche Fahrzeuge zunehmend teuer bis unerschwinglich würden. Womöglich würde das dann aber die wirtschaftlich und vor allem gesellschaftlich nicht nur teuerste, sondern auch potenziell riskanteste Art, die Welt vor dem Klimakollaps bewahren zu wollen.

Zum großen Wandel braucht es auch positive Anreize, in CO2-ärmere Technik zu investieren – etwa in die Infrastruktur für neue Antriebsarten. Oder in die Sanierung von Gebäuden, wo ein großer Teil der Emissionen herkommt. Oder in den (Wieder-)Aufbau eines Schienennetzes im Land. Das alles wird sich so schnell nicht über Preissignale einstellen. Da braucht es politische Entscheidungen.

Erst wenn die Menschen eine reale Chance haben, als Alternative günstig und einigermaßen flächendeckend Bahn zu fahren, ergibt es wirklich Sinn, sie über eine höhere CO2-Steuer dazu zu drängen, das Auto stehen zu lassen. Und: Erst wenn die Autoindustrie erschwingliche und leicht tankbare Alternativen zu herkömmlichen Fahrgeräten bieten kam, wird es sich auszahlen, zur Beschleunigung des Umstiegs eine Steuer auf CO2 und Altwagen zu erheben.

Sonst droht die wunderbare Steuer schnell eher als Foltermittel denn als guter Zweck für eine bessere Welt herüberzukommen.

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Die Kolumne „Die Rechnung, bitte!“ erscheint seit dem 15. April 2016 im wöchentlichen Rhythmus auf Spiegel Online (SPON).

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