David Milleker: Einige Gedanken zu Libra
Im kommenden Jahr soll die Kryptowährung des sozialen Netzwerks Facebook mit dem Namen Libra starten. Im Folgenden sollen einige, noch nicht abschließende Gedanken zum dahinterliegenden Konzept vorgestellt werden.
Zunächst einmal definiert sich Geld im ökonomischen Sinne über drei Eigenschaften: Geld ist Verrechnungseinheit (Preis für Güter), Tauschmittel (statt x Äpfel gegen einen Stuhl zu tauschen, verkauft man erst die Äpfel gegen Geld und kauft sich von diesem dann einen Stuhl) und bietet die Möglichkeit, hierüber Vermögenswerte aufzubewahren. Libra kommt von seiner Konzeption her allen drei Geldfunktionen wesentlich näher als bisherige Kryptowährungen wie etwa Bitcoin. Es ist dafür konzipiert, als elektronische Verrechnungseinheit für Gütertransaktionen per Smartphone oder Internet verwendet zu werden. Darin ähnelt es Zahlungsdiensten wie PayPal oder Alipay (China). Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu Bitcoin und Co. ist die Anbindung an einen Korb gesetzlicher Zahlungsmittel (Dollar, Euro, Yen, Britisches Pfund, Schweizer Franken) und die Bindung an einen Deckungsstock aus Staatsanleihen. Wechselt beispielsweise jemand von Euro in Libra um, wird der entsprechende Euro-Betrag in europäische Staatsanleihen investiert und dem Deckungsstock zugeführt.
Damit entspricht Libra ökonomisch ziemlich exakt einem Currency Board mit vollständiger Reservedeckung. Entsprechend gestalten sich damit auch die Herausforderungen für das Management der Währung bzw. umgekehrt die Vorteile für die Nutzer. Generell gilt, dass die Schwankungen zwischen einem Währungspaar, z.B. Dollar zu Euro, stärkeren Schwankungen unterliegen als jeweils zu einem Währungskorb. Exemplarisch lässt sich dies an der Kunstwährung des Sonderziehungsrechts des Internationalen Währungsfonds nachvollziehen. Die typische Jahresschwankung (gemessen an der Standardabweichung) des Euro gegenüber dem US-Dollar lag seit 2010 mit rund 7% deutlich höher als gegenüber den Sonderziehungsrechten mit rund 4%.
Der Nutzen, Libra zu verwenden, kann also unter anderem darin liegen, die persönlichen Wechselkursrisiken zu mindern, wenn man viel außerhalb des eigenen Währungsgebietes unterwegs ist oder dorthin viele Geschäftsbeziehungen unterhält. Umgekehrt stellt sich für das Management von Libra die Herausforderung, wenn beispielsweise in Region A viel lokales Geld in Libra getauscht und in einer anderen Region B viel aus Libra in lokales Geld zurückgetauscht wird. Die Zusammensetzung des Reservebestandes muss stetig an die jeweilige Nutzung angepasst werden. Das bislang veröffentlichte Konzept sieht daher auch explizit vor, dass im Zweifelsfall eine Anpassung des Wechselkurses (von Libra zum Währungskorb wie auch von Libra zu Einzelwährungen) vorgenommen werden kann. Libra selbst schützt dies davor, dass das Volumen der Einlösungen in Euro das Volumen der entsprechenden Reserven deutlich übersteigen könnte.
Bis zu diesem Punkt wirkt das Konzept von Libra wesentlich durchdachter und schlüssiger für ein Zahlungssystem als etwa Bitcoin und Co. Allerdings birgt die Facebook-Währung durchaus ihre Probleme und Risiken für die reale Welt, etwa mit Blick auf die Funktion eines Bargeldersatzes. Was auf den ersten Blick unproblematisch erscheinen mag, kann unter bestimmten Umständen Krisen zuspitzen. Was wäre beispielsweise passiert, wenn es in der Euro-Krise möglich gewesen wäre, Bankdepositen in den Peripherieländern problemlos in Libra umzuschichten? Vermutlich hätte sich die Krise dramatisch verschlimmert, da es nicht nur zum Kapitalabzug von Ausländern, sondern zu Bank Runs gekommen wäre. Ähnliche Risiken für die Finanzstabilität könnten etwa in vielen Schwellenländern auftreten, in denen es immer wieder dazu kommt, dass Inländer ihrer eigenen Währung den Rücken kehren und das Geld im Ausland parken wollen. Auch das System des Reservefonds schützt nicht davor, dass jemand auf die Idee kommen kann, etwa Libra-Kredite nach dem Grundsatz der Bodensatztheorie zu vergeben – und damit mittelbar als Bank ohne Banklizenz. Das zu verhindern wäre eine Aufgabe der Finanzregulierung. Und nicht zuletzt gibt es natürlich datenschutzrechtliche Herausforderungen. Zwar ist konzeptionell nicht vorgesehen, die Zahlungsdaten mit anderen Daten aus dem Facebook-Konzern (Facebook, WhatsApp, Instagram) zusammenzuführen. Das galt allerdings anfänglich auch für den Austausch zwischen diesen Diensten, ist aber inzwischen Makulatur.
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass es sich bei Libra durchaus um eine weitaus durchdachtere Variante der Kryptowährungen im Zahlungsverkehr handelt als es bei vorherigen. Allerdings gibt es noch gewaltige Herausforderungen im regulatorischen und datenschutzrechtlichen Bereich.
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Zum Autor: David Milleker ist Senior Economic Advisor bei Union Investment.