Immer neue Multimilliarden gegen die Krise? Wer davor Angst hat, sollte darauf achten, dass damit nur das finanziert wird, was wirklich gegen Rezession und Dauerstagnation hilft. Ein Leitfaden.
Thomas Fricke: Corona-Konjunkturpaket – Damit die vielen Milliarden nicht verpuffen
Seit die Bundesregierung gesagt hat, dass sie noch ein Konjunkturpaket gegen die drohende tiefe Rezession machen will, geht es ein bisschen zu wie auf dem Jahrmarkt. (Sie erinnern sich, das sind die Orte, wo Menschen früher gesellig beisammen waren.) Da vergeht kaum ein Tag, ohne dass irgendwer meint, er habe jetzt noch etwas, was unbedingt ins Paket gehört. Weil nur das helfe. Da müssen selbst Steuergeschenke für Reiche, die Erhöhung von Frauenquoten und weniger Mindestlohndokumentation her.
Was man so oder so finden kann. Nur dass man angesichts der Dramatik der drohenden Misere versucht ist, unsere weise Kanzlerin zu zitieren: Hallo, das ist ernst – bitte nehmen Sie das auch ernst.
Es bringt ja nichts, Maßnahmen zu ergreifen, die zwar für irgendwen gut sind, aber die Rezession gar nicht aufhalten. Zumal, wenn gerade Schuldenpanik um sich greift, angesichts all der Billionen, die gerade in irgendwelche Pakete kommen sollen. Und in Deutschland schon die bange Frage umgeht, ob Enkelchen Frieda die Billion dann von ihrem Sparkonto wird abstottern müssen (was ja an sich schon Quatsch ist) – also würde jemand die Beatmung von Oma abstellen, weil’s zu teuer wird.
Also sollte das, was ins Paket kommt, wenigstens optimal wirken. Und dann ist umso wichtiger, vorab zu bestimmen, was genau damit verhindert werden soll. Die genauere Diagnose lohnt.
Seit die Pandemie abflaut, laufen die Geschäfte zwar überall wieder an; nur bleiben die Leute beim Geldausgeben vorsichtig, auch weil etliche noch auf Kurzarbeit sind oder mit der Angst leben, bald arbeitslos zu werden. Gleichzeitig haben Firmen und Behörden begonnen, Ausgaben zu kürzen. Und: In den Firmen werden etliche Projekte erst einmal zurückgestellt, weil niemand so recht sagen kann, wie lange die Krise noch anhält. Etwas verkürzt: Es wird vor allem zu wenig Geld ausgegeben.
All das droht in diesen Wochen eine gefährliche Abwärtsdynamik zu entwickeln. Wenn die einen Ausgaben kürzen, die sonst andere bekommen, fehlt diesen anderen das Geld, um die Wirtschaft anzukurbeln. Und: Das Problem droht zum Dauerdrama zu werden – wenn die Perspektive auf Besserung fehlt. Dazu kommt, dass viele, die gerade per Hilfskredit gerettet werden, künftig einen großen Teil ihres Geldes dafür brauchen, Schulden zurückzuzahlen, statt zu investieren oder Leute einzustellen. Nächste Krise.
Wenn das stimmt, gilt es mit einem Konjunkturpaket nicht irgendwelche Konzerne per se zu beschenken, sondern vor allem eins zu bewirken: dass möglichst viele relativ bald und dann auf Dauer wieder mehr Geld ausgeben, ob Privathaushalte, Firmen, Arbeitgeber oder staatliche Einrichtungen. Und weil es dabei nicht nur um eine kurze Überbrückung geht, empfiehlt es sich, jede konjunkturell sinnvolle Maßnahme auch darauf zu prüfen, ob sie dazu beiträgt, uns bald schon die nächste große Krise zu bescheren – etwa, weil sie die Wahrscheinlichkeit eines nächsten Klima- oder Epidemieschocks erhöht. Was wiederum den Charme hat, aus dem Ganzen auch ein Wiederaufbauprogramm zu machen, von dem die Enkel noch etwas haben.
Mit dem Effizienzcheck fällt gleich eine Reihe von Vorschlägen wieder weg. Etwa die Forderung nach Bürokratieabbau – immer toll; nur dass keiner plötzlich sehr viel mehr ausgeben wird, nur weil es ein paar Regeln weniger gibt, während gerade Rezession ist und keiner Geld ausgibt. Oder die Gaga-Idee, jetzt mal den Mindestlohn zu kürzen – so etwas können auch nur Erbsenzähler fordern: Da hätte zwar das eine oder andere Unternehmen mehr Geld übrig, aber der Beschäftigte dafür entsprechend weniger. Thema verfehlt.
Soli-Abschaffung würde nicht wirklich helfen
Oder die alte Standardforderung, die deutsche Wirtschaft müsse jetzt mit irgendwelchen Entlastungen „wettbewerbsfähiger“ gemacht werden. Gegenüber wem denn? Gegenüber den bitter getroffenen Konkurrenten aus Italien? Ist jetzt die Zeit, sich gegenseitig auch noch wegzuschieben? Was für ein Irrsinn. Wie kann man denn aus einem Nachfrageschock, der alle trifft, herauskommen wollen, indem man anderen, die auch getroffen sind, noch Marktanteile wegnimmt?
Nach Schätzungen kommt fast die Hälfte aller Hilfen, die in den vergangenen Wochen von Regierungen in den Ländern der EU zugestanden wurden, ohnehin deutschen Firmen zugute. Da braucht Deutschland jetzt alles, nur keine Senkung der Unternehmensteuern.
Als ziemlich dünn erweist sich in der aktuellen Lage auch der Vorschlag, nicht nur den Solidaritätszuschlag für die Bezieher mittlerer bis gehobener Einkommen abzuschaffen (die unten zahlen den sowieso nicht), sondern auch für Topverdiener, deren Konsum noch weniger davon abhängt, ob sie ein paar Euro mehr oder weniger haben.
Im Moment ist ein Problem ja auch, dass in Pandemiezeiten eher zu viel gespart wird, aus Vorsicht oder mangels Optionen. Schon im ersten Quartal, als die Epidemie begann, ist die Sparquote in Deutschland auf den höchsten Stand seit Jahrzehnten gestiegen. Da droht es nur sehr bedingt konjunkturell rettend zu wirken, den Leuten einfach Geld zur Verfügung zu stellen – ob über Steuersenkungen oder pauschale Familienprämien.
Womit wir bei der Frage wären, welche Hilfe dazu führt, dass tatsächlich relativ schnell relativ viel davon ausgegeben wird; möglichst in den Branchen, die es am dringendsten brauchen – und zudem noch so, dass es, sagen wir, dem Klima hilft.
Eine Familienprämie? Würde tendenziell jenen zugutekommen, die umständehalber in den vergangenen Wochen durch die Schließung von Schulen und Kitas eher hohe Ausfälle oder Kosten hatten. Nur dass nicht gewährleistet ist, dass das Geld auch ausgegeben wird, erst recht nicht klimafreundlich.
Das wäre zwar wiederum eher wahrscheinlich, würde zur Ankurbelung die Stromsteuer gesenkt, wie es ebenfalls erwogen wird. Mit guten Gründen. Nur ist auch da nicht sicher, wie die gewonnene Kaufkraft verwendet wird. Und ob überhaupt.
Die Abwrackprämie, über die so viel gestritten wird? Könnte konjunkturell ziemlich viel bewirken, wie einst 2009, weil die Autobranche nun mal zu denen zählt, von denen angesichts der enormen Verflechtung die größte Wirkung auf den Rest der Wirtschaft ausgeht. Nur würde die Prämie wie damals eher dazu beitragen, relativ klimaschädliche Autokäufe zu fördern – während die Option, sie auf Elektromobile zu beschränken, wiederum konjunkturell wenig brächte, weil die Hersteller mit dem Herstellen der unverhofft beliebten E-Autos in jüngster Vergangenheit schon nicht mehr nachkamen.
Das Mittel der Wahl
Wahrscheinlich wäre eine Kombination am besten – mit starkem Klimafokus. Hilft ja nichts. Würde die Autobranche dauerhaft nicht wieder deutlich mehr Autos verkaufen als nach den dramatischen Einbrüchen der vergangenen Wochen, wären in ein paar Monaten Hunderttausende arbeitslos – und Deutschland hätte eine ziemlich dramatische Krise. Dann würde sich erst recht keiner mehr fürs Klima interessieren.
Wundermittel? Ziemlich gut würde es treffen, jedem Deutschen einen Konsumscheck zu schicken, der aber nur oder vor allem für Ausgaben genutzt werden dürfte, die möglichst klimaneutral wirken – ob energieeffiziente Kühlschränke, die Dämmung der eigenen vier Wände, die Umweltbahnkarte oder das CO2-arme Auto. Und der nach einer bestimmten Zeit verfällt – damit er nicht unterm Kopfkissen landet.
So ein Scheck ließe sich spätestens nach Ablauf der Kontaktbeschränkungen auch für alles einsetzen, was jetzt wochenlang nicht ging: Restaurants, Kino, Theater, Konzerte.
Eine ähnliche Logik lässt sich auch auf Ausgaben von Unternehmen anwenden – etwa wenn es darum gehen soll, dass Unternehmen für einen fixen Zeitraum Investitionen besonders günstig abschreiben können. Was in unsicheren Zeiten zögernde Manager bewegen könnte, wackelnde Projekte freizugeben. Warum nicht einen großen Sonderbonus auf alle Investitionen bieten, die besonders klimafreundlich sind? Die Iren machen so etwas übrigens seit Jahren.
Wenn dazu käme, dass Bund, Länder und – finanziell entlastete – Kommunen zu jenem großen Innovationsprogramm ansetzten, das schon vor der Coronakrise im Land der verfallenden Schulen, ollen Schienen und schlechten Brücken ziemlich dringlich war, könnte das stark dazu beitragen, die Lethargie zu brechen, die sich nach dem Schock der vergangenen Wochen derzeit festzusetzen droht.
Ob für Konsum oder Investitionen – das Geld würde per definitionem auch ausgegeben. Für Sachen, die uns nicht nur kurzfristig vor einer tieferen Rezession schützen, sondern auf Dauer auch vor neuen Krisen.
Eine ähnliche Logik lässt sich auch auf Ausgaben von Unternehmen anwenden – etwa wenn es darum gehen soll, dass Unternehmen für einen fixen Zeitraum Investitionen besonders günstig abschreiben können. Was in unsicheren Zeiten zögernde Manager bewegen könnte, wackelnde Projekte freizugeben. Warum nicht einen großen Sonderbonus auf alle Investitionen bieten, die besonders klimafreundlich sind? Die Iren machen so etwas übrigens seit Jahren.
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