So viel Konjunkturpaket wie jetzt war selten. Trotzdem muss die Regierung womöglich bald schon nachlegen – denn die 130 Milliarden Euro könnten gegen die Rezession nicht reichen.
Thomas Fricke: Konjunkturpaket der Bundesregierung – Bis zum nächsten Wumms
Der Befund scheint klar: größer, besser, weiter. Und das ist auch gut so. So oder so ähnlich klingt, was die Bundesregierung von fast allen Seiten an Lob für ihr Konjunkturpaket bekommt.
Ein Paket, das mit einem Volumen von 130 Milliarden Euro mehr enthält als vielfach erwartet; auf alles Mögliche zu antworten scheint, was derzeit gefragt ist: vom Kaufkraftschub bis zu Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr; das weiter in die Zukunft reicht (Stichwort Klima); und das trotzdem nicht reichen könnte, um die dringendste Gefahr abzuwenden, die es gerade gibt – eine sich verselbständigende konjunkturelle Abwärtsdynamik. (Eine Analyse zu den Inhalten des Pakets finden Sie hier.)
Gut möglich, dass trotz aller Superlative schon in Kürze noch mehr Wunsch nach Wumms aufkommen wird.
Was die Lage gerade so brenzlig macht, ist, dass nach dem Kollaps vieler Geschäfte während der Pandemie-Hochzeit unklar ist, ob und inwieweit Konsumenten und Firmen ihre Einkäufe jetzt nachholen und auf frühere Niveaus zurückkehren – wenn fast überall nach dem Corona-Schock gerade weniger Geld da ist: bei Kurzarbeitern, in Krisenbranchen und öffentlichen Verwaltungen. Und daraus eine gefährliche Logik zu entstehen droht, weil alle sich gegenseitig das Geld wegkürzen: der Arbeitgeber seinen Beschäftigten, die dann aufs Autokaufen verzichten, was wiederum die Autohersteller bei den Zulieferern und die im Personaletat kürzen lässt.
Auf die Zuversicht kommt es an
Wer das verhindern will, muss schnell dafür sorgen, dass wieder mehr Geld ausgegeben wird – und dass darüber hinaus wieder Zuversicht in länger anhaltende gute Zeiten entsteht.
Dazu beitragen wird sicherlich, wenn Firmen nach Konjunkturpaketplan jene Investitionen beschleunigt abschreiben können, die bis Ende 2021 gemacht werden – ein Anreiz, solche Investitionen vorzuziehen, statt in Wartestellung zu bleiben. Dahin wirkt auch, wenn jetzt die Mehrwertsteuer für ein halbes Jahr gesenkt werden soll. Wer davon profitieren will, muss das Geld fristgerecht zwischen 1. Juli und 31. Dezember dieses Jahres ausgeben.
Manches kommt vielleicht zu spät
Die Frage ist, ob das reicht. Zwar klingt das Paket mit seinen 130 Milliarden Euro mächtig. Nur wird das Geld ja über eineinhalb Jahre verteilt, und gemessen an der Wirtschaftsleistung ergibt das nominell etwa 2,5 Prozent. Nicht wenig. Zumal es ja auch schon Überbrückungshilfen gab. Gemessen an der historischen Dimension des Einbruchs von sieben oder mehr Prozent der Wirtschaftsleistung wirkt das allerdings auch nicht überdimensioniert.
Dabei haben die GroKo-Künstler in die Summe auch Maßnahmen eingerechnet, die sich als Wumms nur bedingt einordnen lässt. Wenn fünf Milliarden dafür veranschlagt werden, die Sozialabgabenquote unter 40 Prozent zu halten, ist das keine Entlastung, sondern eher die Verhinderung einer noch schlimmeren Belastung – für die der Bund aufkommt. Das ist gut, ist nur kein wirklicher Konjunkturschub.
Ähnlich wie bei der Umlage für Erneuerbare Energien, wo mit stattlichen elf Milliarden Euro verhindert werden soll, dass wegen der Coronakrise der nächste Stromkostenschub kommt. Wirklich entlastet werden die Verbraucher gemessen am heutigen Stand kaum; die Umlage soll von 6,5 Cent je Kilowattstunde 2021 auf 6,0 Cent 2022 sinken. Da wird es für die Konjunktur im Zweifel längst zu spät sein.
Wenig Schub wird es an sich auch durch die – per se enorm wichtigen – Liquiditätshilfen für kleine und mittlere Unternehmen sowie bei der Übernahme von Ausfällen für Kommunen geben. Auch hier: das ist gut, damit es nicht noch schlimmer kommt. Nur ist das eher Katastrophenschutz als Kirmesläuten. Zumal die Entlastungen etwa für Bahn und Kommunen nicht groß genug sein dürften, um zu verhindern, dass dort wichtige Investitionen in nächster Zeit gekappt werden, wie Sebastian Dullien vom IMK-Institut in Düsseldorf befürchtet.
Dazu kommen im GroKo-Katalog schöne, aber konjunkturell weitgehend irrelevante Dinge wie die Entbürokratisierung, durch die an sich kein Kaufrausch entsteht. Oder kontraproduktiv wirkende, wie die pittoreske Idee, es Mitarbeitern gerade jetzt attraktiver zu machen, sich an der eigenen Firma zu beteiligen – also mehr zu sparen. In einer Zeit, in der die größte Gefahr darin besteht, dass die Leute aus Angst zu viel sparen.
Selbst die unverhoffte Senkung der Mehrwertsteuer taugt womöglich nur bedingt für den Konsumrausch. Etwa, weil selbst bei hoher Überwälzung ein Teil der Entlastung bei den Unternehmen bleiben wird. Oder weil so eine Senkung bei vielen schlicht zu Mitnahmeeffekten führt, die sich das neue Auto oder Sofa auch ohne Steuerentlastung zugelegt hätten. (Eine Analyse zu der Senkung der Mehrwertsteuer finden Sie hier.)
Positivanreiz statt Sparbrötchen-Mentalität
Gut möglich, dass dabei sogar ein unguter Nebeneffekt entsteht. Gerade wenn die Unternehmen die niedrigere Umsatzsteuer weitergeben und die Preise senken, könnte das in einer Zeit tückisch wirken, in der die Inflation ohnehin schon so niedrig ist, dass die Euro-Notenbank mit neuen Anleihekäufen ein weiteres Sinken verhindern will, wie sie das am Donnerstag erneut angekündigt hat. Da ist nicht gerade hilfreich, wenn im größten Euro-Land die Regierung noch zusätzlich steuerlich dafür sorgt, dass die Preise sinken – wenn auch nur vorübergehend. Da wären Konsumschecks mit Zweckbindung womöglich besser: Nachfrage durch Positivanreiz statt Sparbrötchen-Mentalität.
Keine Frage: All das ändert nichts daran, dass dieses Konjunkturpaket ziemlich viel ziemlich Gutes erhält. Und dass es größer und besser ist, als es angesichts mancher Wortmeldung der vergangenen Wochen zu befürchten war. Und dass es auch großartig ist, in so ein Paket so viele Maßnahmen zu stecken, die wie der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobile oder Investitionen in die Wasserstoffenergie längerfristig positiv wirken – und im Zweifel auch neue Großschocks vermeiden helfen; ob nun neue Pandemien oder Klimaschocks. Alles richtig.
Nur ist eben fraglich, wie schnell all das in den nächsten Wochen zur Erholung von Umsätzen und Investitionen beitragen kann. Da helfen die besten Aussichten auf noch so gute Investitionen in ein, zwei Jahren nur bedingt. Und die Wette erscheint zumindest gewagt. Was, wenn entweder die niedrigere Mehrwertsteuer gar nicht weitergegeben wird – oder sie es zwar wird, das aber nicht reicht, um die Konsum- und Krisensorgen inmitten des nachwirkenden Corona-Schocks wettzumachen? Und was, wenn die Familien den Kinderbonus aus ähnlichen Gründen doch nur sehr zögerlich ausgeben?
Dann könnten der Nachricht von den sieben Millionen Kurzarbeitern im Land schon bald noch dramatischere über massenhafte Entlassungen folgen. Zumal nicht mal so sicher ist, dass die deutsche Wirtschaft so viel weniger getroffen ist als etwa die italienische – trotz deutlich milderer Pandemie. Zumindest hat sich die Stimmung unter Einkaufsmanagern bei uns seit dem Tief im April nicht stärker erholt als bei anderen.
Möglich, dass auch der Wumms bald auf Wiedervorlage kommt. Spätestens dann werden noch bessere und größere Ideen nötig sein.
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