Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen,
es gehört zum Leitmotiv der vergangenen Jahrzehnte, dass Ökonomen sagen, was (rein) ökonomisch richtig ist. Ob das politisch machbar und gut ist, ist ihr Ding nicht, das müssen die Politiker sehen. Das klang schon immer ein wenig, sagen wir, unbefriedigend. Ob das Selbstverständnis überhaupt noch haltbar ist, daran lassen Fälle wie die jüngste Aufregung um das Kippen des Berliner Mietendeckels zweifeln. Rein ökonomisch mag der Mietendeckel kontraproduktiv sein – und rein ökonomisch ließe sich das Problem am ehesten lösen, wenn viel gebaut würde (wobei selbst das nicht sicher ist, da der Boden irgendwann dann ja doch begrenzt ist).
Nur: was hilft das, wenn das viel zu lange dauert – und es den Menschen nicht mehr vermittelbar ist, weil sie hier und heute Miete zahlen müssen? Und wenn das für so viel Unmut sorgt? Einfach ignorieren? Weil es eben ökonomisch richtig ist? Oder dann doch nach Lösungen suchen, die ökonomisch nicht optimal sein mögen, dafür aber vermittelbar? Was sich da an Lösungen für den Mietermarkt anbieten, hat David Kläffling hier zusammengetragen. Was nicht heißt, dass der Mietendeckel gut oder die Globalisierung per se schlecht ist – nur dass es zu wenig ist, nur das Ökonomische zu erkunden.
So eine Ökonomie funktioniert ja auf Dauer nur, wenn die Menschen mitmachen – und es hilft der besten Ökonomie nicht, wenn es politisch irgendwann instabil wird. Und wenn dann das passiert, was die Amerikaner erlebt haben, als die Globalisierung doch nicht so durchweg positiv zuschlug: rein ökonomisch, hätte man meinen können, hat der China-Schock einfach wie ein Schub an Wettbewerb gewirkt – gelobte Globalisierung. De facto sind in der Zeit im Rust-belt ganze Regionen und Städte pleite gegangen, unzählige Existenzen zerstört worden. Von Menschen, die einige Zeit später überproportional viel Trump gewählt und das Land in eine politisch ziemlich kritische Zeit befördert haben.
Auch da drängt sich – wie bei der Mietendeckel-Sache – die Frage auf, ob das alte Paradigma nicht in die Tonne gehört, wonach sich der Ökonom und die Ökonomin nur ums rein Ökonomische zu kümmern haben. Und ob es nicht ein neues Paradigma braucht, das davon ausgeht, dass es um ein gesellschaftliches Gesamtes geht, und das Wirtschaftliche dort integraler Bestandteil ist – und es wenig Sinn ergibt, wie im Labor nur das Ökonomische verstehen zu wollen, wenn es auch um Psychologie, Politik, Soziologisches und Geschichte geht. So wie es jener John Maynard Keynes verstand, der diese Woche vor 75 Jahren gestorben ist:
„Die Rolle, die von den orthodoxen Ökonomen gespielt wurde, deren gesunder Menschenverstand nicht ausreichte, um ihrer falschen Logik entgegenzuwirken, ist bis zum letzten Akt verhängnisvoll gewesen.“
So viel dazu. Im nächsten Newsletter gibt’s dann wieder ein Update zu unserem nächsten großen Workshop Ende Mai – etwa zum Talk zwischen Isabel Schnabel und Laurence Tubiana; oder zu einer neuen Session, in der Philippe Martin, Wirtschaftsberater von Emmanuel Macron, die Vorstellungen zur Reform der europäischen Schuldenregeln vorstellen und diskutieren wird.
Viele Grüße,
Thomas Fricke