Die FDP sieht sich durch Gutachten in ihrem Loblied für sinkende Unternehmensteuern bestätigt. Dabei ergeben die Untersuchungen in Wirklichkeit eher das Gegenteil. Ein Aufklärungsversuch.
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Die FDP schlägt vor, Steuern für Unternehmen deutlich zu senken. Das werde so viel Wachstum und Beschäftigung bringen, dass langfristig auch die Steuereinnahmen wieder so hoch sind wie vorher, sich die Sache also von selbst finanziert. Da könne man anfangs auch ein paar höhere Staatsdefizite in Kauf nehmen, also auf Pump finanzieren. Märchenhaft.
Jetzt will es wahrscheinlich der Zufall, dass die Forscher des Ifo-Instituts in München just diese Woche in ihrem wissenschaftlichen Bestreben nach Erkenntnisfortschritt zu der Erkenntnis gelangt sind, »niedrigere Steuern für Unternehmen« brächten »mehr Beschäftigung und höheres Wachstum«. Und dass die Steuereinnahmen sogar langfristig auf die Ausgangshöhe zurückkehren. Das führt Ifo-Präsident Clemens Fuest zu der Empfehlung, der Staat könne die zwischenzeitlichen Steuerausfälle als eine Art Investition sehen, also hinnehmen. Zufälle gibt’s. So kurz vor der Bundestagswahl.
Jetzt wäre es natürlich blauäugig anzunehmen, dass Forscher nicht auch gelegentlich den Hang spüren, ihre eigenen Überzeugungen in den Ablauf des politischen Willensbildungsprozesses einer Bundestagswahl einzubringen. Klar. Bisschen blöd ist, wenn die Ergebnisse der eigenen Berechnungen bei näherer Betrachtung gar nicht so gut zur Botschaft passen.
Zwei Varianten, zwei Wirkungen
Was die Ifo-Forscher in Wirklichkeit berechnet haben, ist, wie sich zwei unterschiedliche Varianten auswirken, Unternehmen zu entlasten. Bei der Ersten geht es darum, dass die Firmen per se geringere Steuersätze zahlen müssen – egal, was sie mit dem Geld machen. Eine zweite Möglichkeit ist, die Entlastung sehr viel stärker daran zu knüpfen, was die Unternehmen damit machen beziehungsweise, dass sie das Geld für künftige Investitionen nutzen. Beim Ersten geht es darum, etwa den Körperschaftssteuersatz zu senken, den Unternehmen auf ihre Einkommen zahlen müssen. Beim Zweiten können die Firmen Geld sparen, wenn sie investieren – dadurch, dass sie die Investitionen schneller abschreiben dürfen.
Was die Forscher herausfanden ist, dass zwar beides zu mehr Investitionen und Jobs führt. So richtig beeindruckend ist das aber nur bei der zweiten Variante – wenn das Geschenk vom Fiskus an Investitionen gebunden ist. Klar: Nur wer investiert, profitiert auch. Nach den Schätzungen verliert der Finanzminister zwar bei einer Verkürzung der Abschreibungszeiten von zehn auf vier Jahre erst einmal 17 Milliarden Euro an Einnahmen. Auf Dauer bringe das aber so viel Wachstum, dass die Einnahmeausfälle irgendwann auch wieder ausgeglichen sind. Es kommt sogar ein Plus heraus. Prima.
Deutlich weniger toll ist das Ergebnis bei der Steuersatzsenkung. Um es vorsichtig auszudrücken. Sinkt der Körperschaftssteuersatz um fünf Prozentpunkte, fehlen dem Fiskus auf Anhieb knapp 14 Milliarden Euro. Und: Es kommt bestenfalls ein Drittel wieder rein, so die Ifo-Modellrechnung. Weil die Unternehmen einen Großteil des Geldes dann auch nicht investieren (müssen). Der Rest bleibt als staatliche Verschuldung.
Wie war es noch mal nach Reagan und Trump mit den Staatsschulden?
Das wirft die Frage auf, ob das Geld dann gut angelegt ist – und die Ifo-Rechnungen für die FDP wirklich Bestätigung sind: Zwar finden auch die Liberalen gut, wenn Abschreibungen erleichtert werden; im Programm setzen sie nur ziemlich klar auf die Steuersatzvariante, die nicht ans Investieren gebunden ist – und alles andere als sich selbst finanziert. Das Ding droht wenig zu bewirken, dafür aber teuer zu enden.
Anders als es die hauseigene Schlagzeile vermuten lässt, taugt der Erkenntnisfortschritt der Münchner Forscher bei näherem Hinsehen nicht so richtig als Bestätigung des FDP-Diktums, wonach Steuer(satz)senkungen so eine Art Selbstläufer sind. Die These ist in den USA – dort damals über die Laffer-Kurve bekannt geworden – schon vor ein paar Jahrzehnten von der Realität versenkt worden. Nach den Reagan’schen Steuersenkungen standen die USA über Jahre mit staatlichen Rekordschulden da. Ähnlich wie nach den noch rumpelnderen Steuersenkungen von Donald Trump 2017 – auch danach gab es kaum höhere Investitionen, dafür mehr Staatsschulden. Oder nach der Steuerreform von Rot-Grün: Investitionsschub? Von wegen. Da hilft auch nicht darüber zu sinnieren, dass niedrigere Steuersätze trotzdem ja irgendwie ein Signal im Steuerwettbewerb sein könnten, wie das die Ifo-Forscher zum Schluss ihrer Studie noch orakeln.
Es hat etwas Irreführendes, darzulegen, dass niedrigere Sätze und bessere Abschreibungsbedingungen zusammen sich selbst finanzieren. Das ist etwa so, als würde man jemandem, der Schnupfen hat, Nasivin und Fußcreme empfehlen – und darauf hinweisen, dass beides zusammen ja hilft. Die Fußcreme kann man dann auch weglassen.
Die harten Modellschätzungen sprechen gegen jede Wunderwirkung, wenn es um die Senkung der Steuersätze für Unternehmen geht. Und ziemlich unzweideutig dafür, es eher über vergünstigte Abschreibungsmöglichkeiten zu versuchen. Bei denen geht es nicht um Geschenke, die im Zweifel an die ohnehin schon recht gut ausgestatteten Aktionäre ausgeschüttet werden, sondern darum, gezielt und nur denen Vergünstigungen zukommen zu lassen, die das auch in neue Anlagen und Jobs investieren – und damit (in der Regel) etwas unmittelbar Sinnvolles für Wirtschaft und Gesellschaft tun.
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