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Neues aus dem Forum New Economy – der Newsletter #58

26. November 2021

Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen,

jetzt ist er raus, der Koalitionsvertrag der neuen Ampelregierung. Beginnt damit etwas ganz Neues, womöglich sogar ein neues wirtschaftliches Paradigma? Eine Politik, die den schönen Wunsch vom Wohlstand umsetzt, der mit Klimarettung einhergeht und nicht mehr so ungleich verteilt ist? Die sehr vorläufige Antwort ist vermutlich: kann sein. Allein zur Finanzpolitik wechseln sich im Vertrag Formulierungen gegenseitig ab, aus denen einmal der Wille zu unbedingter Investition in die Zukunft deutbar scheint – und zwei Sätze später eher wieder die schwäbische Hausfrau, die vor allem auf Sparsamkeit setzt, und die der neue Finanzminister locker als Aufforderung deuten könnte, in der nächsten Krise (zu viel und zu früh) zu kürzen, wie das einst Wolfgang Schäuble praktizierte.

Dabei gibt der Vertrag rein finanziell ziemlich viel Potenzial für große Würfe her. Zwar soll die Schuldenbremse bis 2023 wieder eingehalten werden. Die Koalitionäre haben aber etliche Instrumente aufgenommen, die sich nutzen ließen, um trotzdem ganz schön viel Geld für Zukunftsinvestitionen zu mobilisieren. Und sie haben sich dabei ziemlich nah an dem orientiert, was Tom Krebs und die Kollegen von Agora dazu kürzlich für uns aufgeschrieben haben, ebenso wie Philippa Sigl-Glöckner in ihrer Studie für das Forum New Economy vom Frühjahr.

 

Zusammen mit Agora-Experte Janek Steitz hat Tom auf Basis des Koalitionsvertrags jetzt grob geschätzt, wie viel Geld sich unter Ausnutzung all der Optionen – ob durch Kapitalspritzen für öffentliche Unternehmen oder neue Rechenmethoden für die Konjunkturbereinigung – mobilisieren ließe. Ergebnis: genug, um alles zu finanzieren, was etwa an Klimainvestitionen zur Erreichung der Klimaziele 2030 nötig erscheint. Je nach Rechnung fast 200 Milliarden Euro – oder sogar mehr. Detail-Analyse anbei.

 

All das ist zwar eher kurzfristig – und noch kein Paradigmenwechsel in Sachen Fiskalregeln, wie er auch für Europa nicht schlecht wäre. Es könnte nur erst einmal einen Schub geben, der reicht, um doch ziemlich viel Fortschritt auf dem Weg hin zur Klimaneutralität zu bekommen. Ob es dazu kommt, hängt nur davon ab, ob der neue Finanzminister Christian Lindner die Optionen auch aktiv nutzt – oder doch mehr zu jenen Vertrags-Formeln neigen wird, die eher der Schwäbischen-Hausfrauen-Seele entstammen. Siehe oben.

 

Noch nicht entschieden ist, wer nächster Präsident der Bundesbank wird. Was die Bundesbank konzeptionell bräuchte, diskutiert am Montag ab 12 Uhr Berenberg-Chefökonom Holger Schmieding mit dem Politökonom und Geldpolitikexperten Benjamin Braun vom Kölner Max-Planck-Institut – in unserem nächsten New Economy Short Cut – Anmeldung HIER.

 

Ein schönes Wochenende,


Thomas Fricke 

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