Startseite > Chefökonom > Thomas Fricke: EZB und Teuerung – Vorsicht, Inflation der Rechthaber!

Thomas Fricke: EZB und Teuerung – Vorsicht, Inflation der Rechthaber!

18. Februar 2022
Notorische Kritiker der Europäischen Zentralbank sehen sich durch die jüngsten Inflationszahlen bestätigt. Eine gefährliche Gaukelei, die zu falschen Schlüssen führen kann.

Möglicherweise von der einen Richtung in die andere

Selbst bei den Rohstoffen könnte die Überraschung plötzlich aus dem Reich des Guten kommen. Wie die Kolumnistin der »Financial Times«, Gillian Tedd, diese Woche schrieb, werden die Kurse für Öl, Gas und anderes mittlerweile in hohem Ausmaß durch Roboter getrieben, die den ohnehin gängigen Herdentrieb und die Spekulation verstärkten – was zugleich bedeutet, dass so ein Trend auch rasch kippen kann. So wie nach der Finanzkrise 2008, als dem – damals noch stärker menschlichen – Hochschnellen der Ölpreise kurz darauf ein atemberaubender Absturz folgte. Da war plötzlich die Inflation weg.

Das könnte so oder ähnlich kommen, wenn etwa die Ukrainekrise nicht eskaliert – und viele Nachwirkungen der Coronakrise auf Lieferketten und Aufträge nachlassen. Nach Rechnungen der DZ-Bank könnte der Ölpreis dann, statt auf deutlich über hundert US-Dollar je Fass (im Fall einer russischen Invasion) zu steigen, auf weniger als 68 Dollar fallen. Da wäre die Inflation weg – zumindest ein guter Teil davon, wenn das auch andere Rohstoffkurse mit sich zieht.

Schon in einem moderateren Szenario könnte die Inflation im Euroraum Anfang 2023 wieder unter zwei Prozent fallen, schreiben die Ökonomen der Berenberg Bank.

Gegen die schnelle Rückkehr zu moderaten Inflationsraten spricht zumindest derzeit noch, dass viele deutsche Firmen die gestiegenen Kosten der vergangenen Monate jetzt erst an die Kunden weiterzugeben versuchen werden. Und dass etwa die zeitweise dramatisch gestiegenen Gaspreise wegen des üblichen Abrechnungsmodus erst bei den anstehenden Jahresabrechnungen für das Gros der Verbraucher spürbar werden. Und damit auch in der gemessenen Inflationsrate, die dadurch erst einmal hoch bleiben wird.

Dazu kommt nach jüngster Diagnose der Euro-Zentralbanker, dass die Konjunktur dank glimpflicher Omikron-Welle schneller wieder anziehen könnte, wie EZB-Direktorin Isabel Schnabel diese Woche erklärte – ebenso wie die Nachfrage nach Arbeitskräften. Das wiederum könnte höhere Lohnzuwächse nach sich ziehen. Dann wird die Frage sein, ob das der Anfang einer sinnlosen Spirale aus höheren Preisen und höheren Löhnen ist – oder einfach das, was die Notenbanker mit ihren Interventionen und Niedrigzinsen seit Jahren zu erreichen versucht haben: dass einfach die Wirtschaft endlich wieder normal läuft – mit Einkommensgewinnen nicht nur für Aktionäre und Firmen; und mit entsprechend normaleren Inflationsraten eher mal etwas über als unter zwei Prozent. Kein Drama. Im Gegenteil.

Möglichst schnell Zinsen anzuheben, würde nach aller Erfahrung erst nach einer Zeit wirken

Wer behauptet, schon zu wissen, dass die schlimme Inflation für die absehbare Zukunft zurück ist, der betreibt ebenso Humbug wie die, die meinen, sie hätten den Inflationsschock 2021 aus einschlägigen Gründen kommen sehen. Vorsicht, Gaukler.

Möglichst schnell Zinsen anzuheben, würde nach aller Erfahrung erst nach einer Zeit wirken – und alle Kredite teurer machen, auch die, die Unternehmen für sinnvolle Dinge geplant hatten. Es würde auch dort die Wirtschaft bremsen, wo es gar keine Engpässe oder Coronafolgen gibt. Was umso fataler wäre, da seit Jahren viel zu wenig investiert wird. Und es würde auch wenig daran ändern, wenn Kurse auf den Weltmärkten doch wieder explodieren.

%d Bloggern gefällt das: