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Thomas Fricke: Schulden gegen Putin – Wenn der Staat plötzlich doch Milliarden raushauen kann

4. März 2022
Der Grund wirkt triftig – dass für die Bundeswehr plötzlich so viel Geld da ist, sorgt im Land der schwäbischen Hausfrau trotzdem für Staunen. Was ist mit den anderen Nöten?

Jetzt beim Klimaschutz sparen? Ehrlich?

All das lässt auch jene Kommentare aus den vergangenen Tagen befremdlich wirken, nach denen die Bundeswehr jetzt zwar das große Geld bekommen soll – dafür aber alles andere (erst recht) nun auf den Prüfstand gehöre; und in den nächsten Jahren ebendort umso mehr zu sparen sei. Ernsthaft? Alles? Auch das Geld, das gerade mühsam in Klimapolitik gesteckt wird? Oder in Ämter, damit die in einer Pandemie nicht wieder Faxe verschicken müssen? Oder ins Gesundheitssystem? Und in die Pflege? Oder in Prävention, damit die nächste Pandemie erst gar nicht aufkommt? Oder in Schulen? Und in die Stabilität des Bankensystems, damit nicht zur Abwechslung die nächste Notsituation wieder von dort kommt – und die Regierung sich dann wieder verschulden muss, um Banken zu verstaatlichen?

Selbst der gängige Rat irrlichternder Ökonomen, statt der Investitionen besser Sozialausgaben zu kürzen, könnte sich als verrückt erweisen. Wenn sich bestätigt, was Studien schon länger zeigen, bekommen Populisten gerade dort besonders viel Zulauf, wo die Menschen unter einem Mix aus wirtschaftlichen Brüchen und staatlicher Kürzung von Unterstützung leiden. In Großbritannien haben die Frustrierten in solchen Regionen entscheidend zum Brexit-Votum beigetragen, fand der Ökonom Thiemo Fetzer in einem viel zitierten Paper heraus. In den USA kam Donald Trump aus ähnlichen Gründen einst an die Macht. Wenn das so ist, könnte sich in ein paar Jahren auch bei uns als fatal erweisen, die jetzt angekündigte Ertüchtigung der Bundeswehr durch Kürzen sozialer Ausgaben gegenfinanzieren zu wollen.

Wie derlei Notlagenfinanzpolitik politisch nach hinten losgehen kann, wurde in Deutschland nach der Finanzkrise ebenso spürbar wie 2015, als plötzlich Geld erst für Banken und dann für die Aufnahme von Geflüchteten da war – nachdem es unter Gerhard Schröder kurz vorher noch geheißen hatte, es sei für alles Mögliche kein Geld da. Hochzeit für die AfD.

Was sich mit der Idee des finanzpolitischen Vorbeugens alles legitimieren ließe, darüber lässt sich streiten, klar. So ist das in der Politik. Den Gedanken vorbeugender Schulden gar nicht erst zuzulassen, weil sonst ja – deutsches Totschlagargument – jeder kommen könnte, ist allerdings der denkbar dämlichste Reflex. So dämlich wie der Versuch, eine vernünftige Finanzpolitik dadurch hinzukriegen, dass man nur möglichst harte pauschale Schuldengrenzen einzieht – oder alles »auf den Prüfstand« stellt. Das ersetzt kein Nachdenken darüber, was sinnvolle und unsinnige Ausgaben sind, also auch sinnvolle und unsinnige Schulden. Da hilft alles, aber keine Rumtata-Regel, die nur Schuldensalden setzt – und nicht beantwortet, welche Ausgaben in Zukunft Erträge versprechen und sich so selbst (mit-)finanzieren; oder dazu beitragen, nationale Notlagen erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Ob beim Klima, in der Demokratie oder beim Verteidigen des Landes gegen Tyrannen.

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