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Thomas Fricke: Hohe Benzin- und Dieselpreise – Tankrabatt – warum eigentlich nicht?

18. März 2022

Christian Lindner hat für seinen Vorschlag zur Spritpreisdeckelung eine Menge Kritik bekommen. Dabei ist die Idee gar nicht so blöd. Man muss sie nur zu Ende denken.

Entspannung für die Notenbanker

So ein bedacht gewählter Tankpreisrabatt könnte gerade deshalb wundersam entspannend auch auf Währungshüter wirken, ebenso wie ein Gaspreisdeckel (siehe hier). Auf den Rest der Menschheit ohnehin. Und wenn so eine Lohn-Preis-Spirale abgewehrt wird, könnte damit viel mehr Ungemach verhindert werden als mit so manch anderem Mittel. Immerhin tragen die Energiepreise gerade mindestens zur Hälfte der Inflation bei. Zum Vergleich: Den Leuten ein Energiegeld zu schicken, wäre gut, würde aber an der Inflation nichts ändern. Und: Wenn Währungshüter sich zu vorschnellen Zinsanhebungen drängen lassen, kann das zu viel schlimmeren wirtschaftlichen Rückschlägen führen. Was Ärmere meist am härtesten trifft.

Was als Risiko bliebe: Die Befürchtung, dass so ein Tankrabatt die Bemühungen konterkarieren würde, dem Klima über höhere Preise auf fossile Energie zu helfen. Das klingt erst mal schlüssig. Allerdings könnten allzu schockartige Preisaufschläge sich in dieser Hinsicht sogar als kontraproduktiv erweisen. Es geht ja darum, über höhere Preise den Anreiz progressiv zu erhöhen, zunehmend auf Alternativen wie E-Autos oder Bus und Bahn umzusteigen. Das macht keiner mal eben, nur weil gerade die Ölpreise hochschießen. Dann sorgt es eher für Frust als für Öko-Einsicht – und droht die Akzeptanz der Energiewende zu schwächen, wie das in Frankreich einst durch die Gelbwestenproteste gegen hohe Energiekosten passierte. Zumal so schnell niemand auf ein Elektroauto oder öffentlichen Verkehr umsteigen kann – wenn es weder genug Ladesäulen noch leichter bezahlbare E-Autos oder Busse und Bahnen gibt. Die ersten Protestaktionen von Brummifahrern gab es diese Woche schon in Berlin und drumherum.

Bei der Energiewende auf zappelige Rohstoffmärkte zu zählen, weil die gerade mal in Panik die Kurse hochschießen lassen, ist ohnehin keine schlaue Idee. Das ist schon mehrfach daneben gegangen – wie 2006 bis 2008, als die Ölpreise erstmals über 100 Dollar je Barrel (159 Liter) schossen und bereits über künftige Kurse um die 200 fabuliert wurde. Von wegen: Kurz darauf kippte die Spekulation – und Öl wurde plötzlich nur noch mit 35 Dollar gehandelt. Da war der ganze schöne klimapolitische Anreiz auf Jahre weg; ähnlich wie in der Zeit nach 2014, als die Kurse mal wieder stürzten. So ähnlich wird es – womöglich spätestens mit Ende des Krieges – jetzt auch kommen. Wie zappelig die Märkte sind, hat sich schon in den vergangenen Tagen gezeigt – als die Ölpreise von zwischenzeitlich mehr als 130 auf unter 100 Dollar zurückgingen. Das ist einfach kein verlässliches Mittel, um das Klima zu retten.

All das spricht im Zweifel schon eher für so etwas wie einen Tankrabatt – in Kombination mit ähnlichen Mitteln gegen hochschießende Gaskosten. Nur wäre es angesichts der historischen Erfahrungen gut, die Idee dann auch zu Ende zu denken: Wenn es in Zeiten spekulativ hochgetriebener Öl- und Benzinpreise einen Rabatt gibt, der ab einem gesetzten Höchstpreis von, sagen wir, zwei Euro gezahlt wird, dann spräche umgekehrt auch viel dafür, den Preis nach unten ebenfalls zu begrenzen. Auch, weil das die Umstellung auf alternative Energien kalkulierbarer macht – und vor erratischen Schwankungen der Klimaanreize schützt. Wobei die Grenzwerte mit fortschreitender Energiewende und Verfügbarkeit nicht fossiler Alternativen dann stetig auch noch hochgesetzt werden könnten.

Das Gute an so einem Modell wäre, dass es Wirkung und Ausmaß wie automatisch begrenzt, und das auch noch sehr schnell. Sollte sich die Lage in der Ukraine zuspitzen und die Ölmärkte wieder in Panik geraten, könnte der Rabatt automatisch einsetzen und im Zweifel steigen. Sollten umgekehrt die Öl-(wie Gas-)Preise weiter abstürzen (und die Ölkonzerne das dann freundlicherweise auch mal weitergeben), gäbe es bald auch nichts mehr zu rabattieren. Da richtet sich auch der Aufwand für den Finanzminister ganz eng am Bedarf aus. Würde wegen des Krieges vor allem ein Energiegeld für Ärmere beschlossen, käme das an, wenn die Benzinpreise womöglich gar kein Thema mehr sind. Das würde weder die akute Not lösen helfen, noch die grassierende Sorge vor sich verselbständigenden Inflationserwartungen. Dann wäre Benzin ja immer noch teuer.

Wenn Christian Lindner etwas vorschlägt, ist Vorsicht geboten, klar. Zumal der Mann ein Verkäufer ist, der auch mal Dinge anpreist, die gar nicht so toll sind. Der Tankrabatt gehört womöglich nicht dazu. Zumindest dann nicht, wenn man neben dem Rabatt auf Hochpreise noch einen Stopp für abwegig tiefe Preise einbaut. Das würde in Hochpreiszeiten vor Armutsschüben und gegen wirtschaftliche Abstürze helfen. Und auf Dauer gegen den Klimawandel.

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