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Neues aus dem Forum New Economy – der Newsletter #66

25. März 2022

Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen,

es gibt Pandemien, in denen beraten Virologen Politiker, was zu tun ist. Es gibt Anschläge, da werden Terrorexperten konsultiert. Und es gibt Kriege, in denen wie seit einem Monat plötzlich Leute wieder gefragt sind, die sich mit strategischen Stellungen und der Mannstärke von Armeen auskennen. Wobei in der Regel Virologen recht wenig sagen, wenn es um Krieg geht. Und Militärexperten sich aus Pandemien raushalten. Nur eine Zunft scheint irgendwie immer etwas zu sagen zu haben. Selbst dann, wenn sie gar nicht gefragt wurden: Das sind die Ökonomen und Ökonominnen, die wenige Tage nach Kriegsausbruch schon Analysen und Modellrechnungen vorlegen, mit denen sie dann darzulegen versuchen, was es für Folgen hätte, wenn die Regierung etwas täte, was sie zu tun gar nicht vorhat. Was also in diesem Fall wirtschaftlich in Deutschland passierte, wenn ein kompletter Importstopp von Öl und Gas aus Russland verhängt würde.

Jetzt ist es sicher so, dass es zu vielem im Leben eine wirtschaftliche Dimension gibt – und nicht immer unbedingt eine virologische oder eine militärische (wobei). Das könnte legitimieren, warum Ökonomen bei allen Krisen etwas sagen wollen – und Virologen und Militärexperten nicht. Gut möglich aber auch, dass da auch ein bisschen noch jener zweifelhafte Glaube an das Primat und an feste Gesetze der Ökonomie mitschwingt, der über Jahrzehnte zum gesellschaftlich dominierenden Paradigma gehörte. Was zumindest in seiner Hochzeit zu viel Unsinn geführt hat – und dazu, viel zu viel ökonomisch und über den Markt regeln und auf Heller und Cent bestimmen und dann auch über Modelle mehr oder weniger exakt vorhersagen zu wollen.

Könnte hier und heute heißen: Was ein kompletter Stopp des Imports einer systemisch wichtigen Energie aus einem Land inmitten des Kriegs für die deutsche Wirtschaft bedeutet, lässt sich womöglich auch sehr viel weniger „berechnen“, als es die einen oder anderen gerade vermitteln wollen. Das lässt schon der panikartige Absturz der Geschäftsklima-Werte vermuten, den das ifo Institut für die Wochen seit dem Kriegsbeginn bereits ermittelte. In solchen Zeiten helfen die schönsten Modelle nicht. Und: am Ende geht es vor allem darum, ob sich von so einem Stopp der russische Präsident wirklich beeindrucken ließe. Ökonomen müssen auch nicht alles (ökonomisch) beantworten.

Was der Krieg für die anstehenden Wahlen in Frankreich und die Gefahr eines Sieges der Rechtspopulisten bedeutet, diskutieren wir am 1. April ab 14 Uhr mit der neuen Präsidentin der Hertie School in Berlin, Cornelia Woll, dem früheren Macron-Berater Shahin Vallée, der Ökonomin Anne-Laure Delatte sowie Moritz Schularick, der derzeit nicht nur in Bonn, sondern auch in Paris lehrt.

Ein schönes Wochenende,

Thomas Fricke

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