In der Finanzkrise fehlte plötzlich Geld, weil Banken irgendwo in der Welt vor dem Kollaps standen. In der Coronakrise waren es plötzlich Masken und Medikamente aus China, die nicht kamen. Oder Chips für Autos. Jetzt sind es ukrainische Kabelbäume und, wer weiß, bald vielleicht auch russisches Gas.
Das Phänomen ist das gleiche. Jedes Mal scheint plötzlich etwas infrage zu stehen, was über Jahrzehnte als selbstverständlich galt – Zauberformel Globalisierung: dass wir Deutschen unsere guten Autos und Maschinen auf der Welt verkaufen, die Firmen dafür auch gesichert Geld bekommen – und wir dafür all das anderswo kaufen, was wir entweder nicht können oder bei uns in der Herstellung zu teuer wäre.
Mag sein, dass die Deutschen gerade arg unbeholfen wirken, wenn es um militärisch-sicherheitspolitische Antworten auf den Krieg von Wladimir Putin gegen die Ukraine und den Westen geht. Als mindestens ebenso kritisch erweist sich in diesen Tagen aber der Jahrzehnte geübte Glaube an den Wohlstand, der wie wundersam von globalem wirtschaftlichem Wettbewerb und sich rechnender Arbeitsteilung kommt. Wenn sich dieser Glaube in Krisen wie jetzt immer wieder als tückisch erweist, haben womöglich gerade die Deutschen als (ehemalige) Exportweltmeister das größte Interesse, weit mehr Sicherungen gegen politische und andere Schocks einzubauen. Eine neue Globalisierung, die weniger naiv ist als in den vergangenen Jahrzehnten.
Natürlich ergibt es ökonomisch betrachtet erst einmal Sinn, wenn jedes Land und seine Betriebe sich darauf konzentrieren, was sie im Vergleich am besten können – und sich darauf dann auch spezialisieren. Das hilft Kosten sparen. Und sichert viel Angebot. Das hat in den Jahrzehnten der beschleunigten Globalisierung seit den Neunzigerjahren stark dazu beigetragen, dass die Deutschen immer kräftiger davon profitierten, wie gut und präzise und zuverlässig sie Autos und Maschinen bauen – während sich etwa die Konkurrenz aus Asien auf das Herstellen von (einfacheren) Elektrogütern konzentrierte. Den Asiaten hat das aus der Armut geholfen, den Deutschen aus der Krise Mitte der Nullerjahre.
Soweit zum Märchenhaften. Der Haken ist, dass all das nicht automatisch zu immer stabilen Ergebnissen führt – zumal in einer Welt, die eben nicht immer nur friedlich wirtschaftlich nach Angebot und Nachfrage funktioniert.
Das haben viele asiatische Länder Ende der Neunzigerjahre zu spüren bekommen, als die Finanzmärkte sie erst in einem Hype als Exportwunder feierten, um dann in Panik abzuziehen, weil sich der Hype doch als ein bisschen übertrieben entpuppte. Das haben die Deutschen zu spüren bekommen, wenn auch anders, nachdem der vermeintlich schöne Wettbewerb über Jahre immer wieder damit endete, dass die Deutschen sehr viel mehr in den Rest der Welt verkauften, als die anderen bei uns absetzen konnten – was ökonomisch auf Dauer keinen Sinn ergibt und auch eher mit falscher deutscher Kniepigkeit als mit tollen Exporteuren zu tun hat.
Das animierte einst einen Donald Trump dazu, auf deutsche Produkte dann eben Zölle zu erheben. Nix mehr mit hehrem Wettbewerb. So etwas Ähnliches will übrigens der Linke Jean-Luc Mélenchon, der in den Umfragen zur Präsidentschaftswahl in Frankreich immerhin an dritter Stelle steht.