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Neues aus dem Forum New Economy – der Newsletter #73

24. Juni 2022

Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen,

wie sehr sich das, was als wirtschaftspolitisches Paradigma lange vorherrschte, bereits gewandelt hat, zeigen die doch recht wohlwollenden Kommentare im Land zu der Idee einer Konzertierten Aktion, bei der Regierungsleute mit Gewerkschaften und Arbeitgebern freundlich Antworten gegen die Inflation erörtern sollen. Zu Hochzeiten der orthodox-marktliberalen Agenda 2010 wäre so etwas noch als typisch deutsche „Konsenssoße“ verspottet worden – oder als „Sozialklimbim“. Damals hätte auch sicher noch gegolten, dass, wenn der Markt hohe Inflation macht, man das eben demütig als ein weises Signal hinzunehmen hat, weil es Angebot und Nachfrage optimiert – und nicht endlos darüber sinniert, wie das für die Menschen aufgefangen werden müsste. Und ob Preise womöglich auch mal gedeckelt werden müssen, wie das US-Finanzministerin Janet Yellen gerade für russische Ölexporte vorschlägt.

Heute wagen dem nur hartgesottene Altdenker noch zu spotten. Und die Idee einer konzertierten Aktion finden auch konservative Ökonomen wie Michael Hüther gut. Wie so etwas gehen könnte, hat der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft in unserem jüngsten New Economy Short Cut mit Anke Hassel diskutiert. Nachzuhören und -zusehen im Re-live hier.

Wie wenig sich an eingebläuter Marktgläubigkeit an anderer Stelle geändert hat, lassen derweil die Narrative der vergangenen Tage zur vermeintlich wiederkehrenden Euro-Krise befürchten. Weil die Märkte die Zinsen für Italien sowie (ein bisschen auch) für Frankreich und andere wieder steigen lassen, wird eifrig (um-)gedeutet, warum das natürlich so ist – weil Italien halt hohe Schulden und überhaupt viele Probleme habe. Was insoweit kurios ist, als noch vor ein paar Wochen das Draghi-Wachstumswunder gefeiert wurde, also die neue Stärke Italiens; und auch die Schulden ja nicht erst seit gestern hoch sind.

Nach all dem, was mittlerweile über Kapriolen an Finanzmärkten geforscht wurde, müsste die angemessene Frage bei solchen Marktturbulenzen zumindest immer auch sein, ob dahinter nicht doch weniger reale Anlässe stehen, als SpekulationPanikwellen und Herdentriebe – oder sonstige Faktoren, die einfach dem alten Bild von den immer rationalen Finanzmärkten zuwiderlaufen. Das passt dann natürlich nicht mehr so schön ins Narrativ von den am Ende immer schludernden Südeuropäern.

Ob es an den Finanzmärkten nach dem unklaren Wahlausgang von Sonntag künftig auch für Frankreich höhere Risikoprämien und Panikattacken geben wird, werden wir in unserem nächsten New Economy Short Cut am 4. Juli unter anderem mit Jean Pisani-Ferry diskutieren. Näheres dazu in Kürze.

Ein schönes Wochenende,

Thomas Fricke

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