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Neues aus dem Forum New Economy – der Newsletter #79

7. Oktober 2022

Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen,

es sind ja oft so zwei, drei wirklich große Ideen, die man von einem Workshop mitnimmt. Zu denen zählt für mich ein Satz, den Anke Hassel diese Woche auf unserem XI. New Paradigm Workshop zur Rückkehr der „good jobs“ gesagt hat – sinngemäß: Hätten wir in Deutschland nicht so einen übergroßen Niedriglohnsektor entstehen lassen, bräuchten  sich Politiker, wie in der Corona-Krise oder dem Energiepreisschock, auch nicht ständig darüber Gedanken machen, wie wir mit Energiepreispauschalen oder Mindestlöhnen die Leuten retten, die zu wenig Lohn haben. Da ist etwas dran. Und so besehen ist umso absurder, dass gerade orthodox-konservative Ökonomen heute lautstark für solche Pauschalen plädieren – statt etwa für einen Gaspreisdeckel, der die Leute erst gar nicht so arm werden ließe, dass sie große Pauschalen brauchen.

Vor zwanzig Jahren wären bei so einem Workshop rund um die Arbeit standardgemäß Ökonomen wie Hans-Werner Sinn, Wolfgang Franz und Klaus Zimmermann aufgetreten – und alle mit der ziemlich einheitlichen Botschaft, dass dringend Schutzmechanismen abgebaut werden, die Tarifbindung aufgelöst und Löhne per se nach unten flexibler sein müssten. Wie sehr sich die Zeiten hier geändert haben – dürfte zu den eindrucksvollsten Quintessenzen der beiden Tage gehören. Heute gebe es einen weitgehenden Konsens in der internationalen Fachschaft, dass freie Arbeitsmärkte nicht automatisch gute Arbeit schaffen – und Mindestlöhne deshalb wichtig sind. Noch so ein Satz. Der kam auf dem Panel mit Jutta Allmendinger von Simon Jäger, einem aus der neuen Generation, bis vor Kurzem am MIT und jetzt Chef des IZA in Bonn.

Wie sehr der Paradigmenshift selbst etablierte Institutionen erfasst hat, zeigt ein Vergleich: zwischen der legendären Job Study der OECD von 1994 – und dem kürzlich von derselben OECD veröffentlichten neuen Employment Outlook 2022. In ersterem stand viel von der dringenden Notwendigkeit sinkender Löhnen – heute von Mindestlöhnen, und dass es wichtig ist, starke Gewerkschaften zu haben. Was auf dem Panel neben Anke Hassel auch der RWI-Boss und frühere Chef des Sachverständigenrats Christoph Schmidt so kundtat.

Besonders (nach-)sehenswert außerdem: der Talk zwischen Good-Jobs-Vordenker Dani Rodrik und Jörg Kukies, dem Chefökonomen des Kanzleramts – im re-live hier.

Weitere einzelne Sessions gibt es im Re-live in den nächsten Tagen auf unserer Website – den gesamten Workshop von Anfang bis Ende im Re-live – Tag 1 und Tag 2.

Ein schönes Wochenende,

Thomas Fricke

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