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Thomas Fricke: Inflations-Ausblick 2023 – Von Volltrotteln, Bösewichten und Besserwissern

30. Dezember 2022

Glauben Sie den angeblichen Propheten nicht: Die Inflation kam 2022 so unvorhergesehen, wie sie auch wieder verschwinden könnte.

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Um es kurz zu machen: Unter den rund 50 professionellen Prognosen, die regelmäßig öffentlich erstellt werden, gibt es nicht eine einzige, die zumindest so etwas wie vier Prozent erwartet hatte. Sprich: Kein Mensch hat vor einem Jahr auch nur geahnt, dass die deutsche Inflation 2022 so hoch ausfallen würde wie zuletzt in den 1950er-Jahren. Wer das Gegenteil behauptet, reiche bitte den Zahlen-Beleg dafür ein.

Was das heißt? Dass auch die Ursachen dieser Inflation womöglich nicht so klar sind, wie es Altinflationsprognostiker vermuten lassen. Sie sehen den Grund in einer über viele Jahre viel zu laxen Geldpolitik. Bloß warum hat die dann nicht schon früher zu Inflation geführt?

Dass niemand die Teuerung in dem Ausmaß hat kommen sehen, lässt vielmehr einen anderen Schluss zu:

  • Die plötzliche Inflation hat doch eher mit einer historisch einmaligen Gemengelage zu tun, in der eine Jahrhundert-Pandemie nachzuwirken begann, weil die Leute nach dem Ende der Lockdowns Konsum nachholen wollten, viele Firmen aber noch Lieferengpässe hatten, also geneigt waren, die Preise anzuheben.

  • Zeitgleich zog ein historischer militärischer Konflikt auf, der, getrieben von einem der größten Anbieter von Öl und Gas, panische Reaktionen an den Öl- und Gasmärkten auslöste – was nachweislich der Hauptgrund für die zwischenzeitlich so dramatisch gestiegene Inflation war (und immer noch ist).

Das könnte auch auflösen, warum es noch vor zwölf Monaten so keiner hat kommen sehen. Selbst den besten Prognostikern fehlen die Erfahrungswerte, wie sich bei einer Jahrhundertpandemie die Inflation entwickelt. Zumal viel davon abhängt, ob und wie sich das Virus entwickelt.

Dass so viele Firmen das Inflationsambiente nutzten, um die eigenen Preise anzuheben und damit aus der Krise Gewinn zu schlagen, hätten Ökonomen vielleicht ahnen können. Die Dreistigkeit dieser Preiserhöhungen waren indes in keinem Modell vorgesehen.

Noch mehr fehlte den Auguren vor zwölf Monaten das Wissen, dass Wladimir Putin schon ein paar Wochen darauf tatsächlich den Krieg beginnt – und nicht nur mit Säbeln rasselt, wie es die Experten lange dachten – und vor allem, wie dramatisch darauf die erwähnten Marktakteure reagierten, die mit Öl, Gas, Weizen und anderem handeln. Seitdem schossen nicht nur die Kurse, sondern eben auch die Preise für die Verbraucher hoch. Voilà, Inflation.

Unser Gehirn sagt. Haben wir doch gewusst. Die Zahlen sprechen dagegen. Was gut für unser Gehirn ist. Und vielleicht für das neue Jahr. Nicht auszuschließen, dass die corona- und kriegsgetriebene Inflation mit dem Schwinden von Corona- und Kriegseffekten (fast) ebenso flugs wieder schwindet, wie sie 2022 hochgeschossen ist.

Nicht sicher, klar. Sicher ist nur, dass es in zwölf Monaten dann eine ganze Menge Leute geben wird, die genau das schon immer wussten.

Mitarbeit: David Kläffling, Henning Oppermann

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