Neues aus dem Forum New Economy – der Newsletter #85
Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen,
ob in der Corona- oder in der Energie-Krise; beim Kampf gegen den Klimawandel oder bei den Versuchen, allzu arge Ungleichheit abzubauen: überall scheint derzeit vor allem einer gefragt – der Staat. Steckt dahinter nur ein unvernünftiger Modetrend, wie vor allem jene schimpfen, die immer eher an den Markt glaubten. Oder reift da ein ganz neues Verständnis von der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Markt – ein neues Paradigma?
Gibt es so einen gesellschaftlich relevanten Wandel im ökonomischen Denken bereits? Und wie weit ist dieser gereift? Das hat das Forum-Team in einem großen Bericht auszuloten versucht, den wir diese Woche vorgestellt und mit Journalisten und Journalistinnen von SPIEGEL, FAZ, Süddeutscher Zeitung, Tagesspiegel und anderen diskutiert haben. In dem Report haben wir aufzuzeichnen versucht, welche neuen Denkströmungen sich unter dem neuen Motiv bereits entwickelt haben, das marktliberale Dogma der vergangenen Jahrzehnte zu ersetzen. Wir haben systematisch ausgewertet, wie sehr sich wichtige internationale Institutionen wie die OECD oder der Internationale Währungsfonds schon von ihren alten Positionen gelöst haben – und wie stark neuere Ansätze in die Politik der Ampel-Koalition und anderer Entscheidungsträger eingeflossen sind.
Herausgekommen ist etwas, was uns hilft, besser zu verstehen, wie es um diesen Paradigmenwechsel steht – und wer dazu beiträgt, neues Denken zu entwickeln. Titel: „Mapping the state of a shifting paradigm“. Quintessenz: der Wandel ist weiter fortgeschritten, als man es denken würde – und doch noch nicht so weit, bereits ein so mächtiges neues Paradigma zu sein, wie es das marktliberale einst mit Einzug von Reagan, Thatcher und Washington Consensus wurde. Noch nicht.
Wie so ein neues Denken aussehen kann, ist an Beispielen wie dem Inflation Reduction Act der USA zu beobachten, der gerade für so viel Aufsehen sorgt. Es geht um jene Industriepolitik, die lange tabu war – sich aber angesichts der enormen Herausforderung drohender Klimakatastrophen aufzudrängen scheint, wie Tom Krebs in seinem neuen New Economy Working Paper zu einer „Modernen Klimapolitik“ darlegt. Danach reicht eben nicht, wie einst die Marktliberalen einfach auf CO2-Bepreisung zu setzen. Da braucht es mehr: samt öffentlicher Investitionen und Infrastruktur und sozialer Absicherung. Das vorläufig fertige Paper steht hier.
Was all das für die europäische Antwort auf den IRA bedeutet, hat Tom auf ProjectSyndicate hier beschrieben. Botschaft: Europa sollte mitmachen, statt dagegen zu kämpfen – nur besser.
Ein schönes Wochenende,
Thomas Fricke