Ob in gängigen Umfragen oder bei wiederholten Wahlversuchen in der Hauptstadt – der Trend scheint klar: Die CDU erlebt mit ihrem Chef Friedrich Merz gerade eine jähe Wiederbelebung. In Berlin reichte es gerade sogar für die Rückkehr an Platz eins, nach sage und schreibe 20 Jahren .
Und wie das so ist, wird seither nachdiagnostiziert, warum das so ist – und natürlich kommen musste. Weil die Union doch irgendwie die Sorgen der Menschen verstehe. Zum Beispiel. Plötzlich gilt selbst der notorische Friedrich Merz als doch begabt. Und sei es, weil er so raffiniert boshaft mit den Grünen ist, wie Kollege Nikolaus Blome diese Woche schrieb .
Nahen jetzt neue Zeiten? In der die raffinierte CDU wieder überall das Sagen hat? Oder erinnert das so nicht erwartete Hoch eher an die Zeit vor knapp zwei Jahren, als so mancher Großwetterkommentator das ebenso jähe (Zwischen-)Hoch (damals) der FDP als logische Konsequenz der großen Neuerfindung der Liberalen zu feiern begann? Was sich inzwischen als nicht so nachhaltig erwiesen hat .
Dann könnte sich das bei der CDU wiederholen – sollte früher oder später auffliegen, dass das Aufregen über nervige Grüne und Migranten noch keine Antwort auf die akut-gefährliche Krise der Globalisierung, drohende Klimadesaster oder das Auseinanderdriften von Reich und Arm ersetzt.
Als im März 2021 die kurz zuvor noch tief kriselnde FDP in den Umfragen zuzulegen begann, folgte ähnlich wie jetzt eine nachträgliche Begründung – und immer so, als hätte es gar nicht anders kommen können. Wie das bei Berliner Politjournalisten so ist. Obwohl diesen Aufschwung der FDP bis zum Tag keiner erwartet hatte. Was allein schon wunderlich ist. Egal. Die Liberalen seien eben liberal – und daher wichtig, klar – und punkteten so mit Widerstand gegen die Coronamaßnahmen. Christian Lindner habe die Partei eben herausragend aus der Krise geführt. Und geeint. Und das Image gewandelt. Dazu Magenta statt Blau-Gelb. Plötzlich wollten 16 Prozent sie wählen, ergab eine Forsa-Umfrage im Juni 2021 – statt gerade einmal fünf, wie ein Jahr zuvor.
Wo sind die vielen Jüngeren, die bei der Bundestagswahl die FDP wählten?
Nur dass eben der Aufschwung so endlos lang nicht hielt – und die Partei mittlerweile wieder bei sechs oder sieben Prozent liegt. Und seit vergangenem Jahr gleich fünf Landtagswahlen hintereinander versemmelt hat. Neuerung kaputt? Magenta? Image? Wo sind die gut 20 Prozent unter den Jüngeren im Land, die bei der Bundestagswahl noch so erstaunlich viel FDP wählten?
Jetzt kann natürlich sein, dass all das auch so war und geblieben wäre, wenn nur die Partei im Bund nicht in so eine blöde Koalition mit SPD und Grünen eingetreten wäre und ihr Eigenes dort angeblich verkaufen musste . Dagegen spricht, dass die anderen auch ständig klagen, wie sehr die FDP sich hier und da durchgesetzt hat. Eine andere Deutung könnte sein, dass das Hoch von 2021 gar kein so fundamentales war. In Wirklichkeit fiel der Beginn des Aufstiegs damals fast auf den Tag mit dem historischen Absturz der CDU zusammen – in der Merkel-End-Krise samt Fundamentalkrise des Coronamanagements (Osterpaket).
Jetzt kann natürlich sein, dass all das auch so war und geblieben wäre, wenn nur die Partei im Bund nicht in so eine blöde Koalition mit SPD und Grünen eingetreten wäre und ihr Eigenes dort angeblich verkaufen musste . Dagegen spricht, dass die anderen auch ständig klagen, wie sehr die FDP sich hier und da durchgesetzt hat. Eine andere Deutung könnte sein, dass das Hoch von 2021 gar kein so fundamentales war. In Wirklichkeit fiel der Beginn des Aufstiegs damals fast auf den Tag mit dem historischen Absturz der CDU zusammen – in der Merkel-End-Krise samt Fundamentalkrise des Coronamanagements (Osterpaket).
Während die Union damals in atemberaubend kurzer Zeit in den Umfragen von 33 auf 21 Prozent abstürzte, stieg die FDP im Grunde taktgleich von sieben auf 14 Prozent – wenig später sogar 16. Kurios, oder? Fiel da nur zufällig die Großerneuerung der FDP mit der Großkrise der CDU zusammen? Unwahrscheinlich. Zumal die FDP ja nicht jäh im März 2021 erneuert war. Viel plausibler ist, dass Lindners Partei als Krisenprofiteur damals einfach eine Menge frustrierter CDU-Wähler abbekam – gemessen am Unions-Verlust von mehr als zehn Punkten sogar eher wenig. In Normalzeiten – und wenn sie wirklich so überzeugend neu dastünden – hätten die Liberalen sehr viel mehr gewinnen müssen.
Hier könnte dann auch der Grund liegen, warum die Liberalen ihr Hoch nicht halten konnten. Irgendwann fing sich bekanntlich auch die Union. Und die FDP verlor den CDU-Frustrationsbonus wieder.
Was umgekehrt jetzt die CDU achtsam stimmen sollte. Dass sich die Partei so richtig überzeugend neu aufgestellt hat, scheinen selbst ihre Freunde nicht zu finden. Ein Teil des Zuwachses könnte wie umgekehrt vor zwei Jahren bei der FDP nur daher kommen, dass die anderen, also jetzt die FDP, inzwischen wieder schwächeln. Gegenüber der Hochzeit und als Stimmenanteil um die Hälfte – auf seit Monaten nur noch sechs bis acht Prozent.
So eine Art kommunizierendes Röhren: Nimmt man beide Parteien zusammen, kriegen sie in Summe (und mit Ausnahme von ein paar Monaten) schon seit zwei Jahren um die 34 bis 36 Prozent Wählerabsichten. Nur dass mal die CDU abstürzte – wovon die FDP profitierte. Und jetzt umgekehrt. Mit dem eher ernüchternden Befund, dass die früheren Best Friends zusammen eben ziemlich konstant nur gut ein Drittel der Wähler noch für sich bewegen.
Wenn das stimmt, könnte auch gut sein, dass beiden jenseits konjunktureller Hochs und Opportunitäten die wirklich mitziehenden Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit noch fehlen. Dass es nicht reicht, wie Lindner und Merz in jedem dritten Satz marktwirtschaftliche Lösungen zu preisen – wenn ein größerer Teil der globalen Unsicherheiten und Krisen heute eher mit einem Zuviel von ungeregelten Märkten zu tun hat als per se mit einem Zuwenig.
Ob auf deregulierten Digitalmärkten mit ihren übermächtigen Konzernen; oder in Anbetracht einer Globalisierung, die neben vielen Gewinnern so viele Verlierer und Ohnmachtsgefühle mit sich gebracht hat, dass der simple Ruf nach mehr Freihandel burlesk klingt. In einer Zeit, in der weder Chinesen noch Amerikaner da mitmachen. »Die Zeiten des unbekümmerten Freihandels werden nicht wiederkehren«, schreibt der renommierte Blogger Noah Smith. Darauf bräuchte es neue liberale und christdemokratische Antworten. Da hilft auch der Abbau der kalten Progression wenig.
Ebenso wie auf eine Klimakrise, die durch noch so berechtigte Aufregung über Protestler nun mal nicht weggeht. Auch durch noch so viel marktwirtschaftliches Gebet nicht. Da braucht es einen starken Staat. Und moderne Industriepolitik. Ebenso wie für die Neudefinition des deutschen Exportmodells, das so naiv wie früher einfach nicht mehr funktionieren wird. Und neue Ideen. Auch zur Frage, wie sich das zunehmend vererbte Gefälle zwischen Reich und Arm noch mal umkehren ließe. Das hat ja mit konservativen Werten und liberalem Glanz wenig zu tun. Und es trifft auch die eigene Klientel, die ja nicht nur aus den Top-1-Prozent besteht.
Die Liberalen erleben gerade, wie offenbar wenig überzeugend sie sich wirklich erneuert haben. Den Unionsparteien könnte das noch bevorstehen. Sobald die Polit-Konjunktur mal wieder gegen sie kippt. Und wenn sie die Hochzeit dieser Tage als Beleg dafür (fehl-)deuten, dass sie sich ums große Erneuern nicht mehr kümmern müssen. Fortsetzung folgt.