Seit sich die FDP im Umfragetief zur Retterin etablierter Autotechnik und großen Freundin von Altheizungs-Betreibern aufgeschwungen hat, scheint auch der dazugelieferte Glaubenssatz in Deutschland wieder Konjunktur zu bekommen: dass der Klimawandel ohnehin am besten durch freien Wettbewerb und offene Technologiesuche zu stoppen ist – nicht durch Vorgaben.
Da schwärmt der Maschinenbauer-Präsident von der leider zuletzt so wenig geschätzten Schwarmintelligenz von Unternehmern und Verbrauchern. Und der Porsche-Chef möchte Technologieoffenheit , also E-Fuels – zumindest für kleinere Serien, die künftig noch mit Verbrennermotoren sausen können sollen. 911-offen sozusagen. Süß. Soll doch der Markt am Ende entscheiden, was sich durchsetzt.
Nun ist es einfach, der FDP deshalb gleich Klientelpolitik vorzuwerfen. Dafür gibt es so gut wie keine Beweise. Hüstel. Schlimmer ist, was im Sog des Kampfes für E-Fuels und alte Gasheizungen hierzulande gerade ein kurioses Revival zu feiern scheint: der Glaube, dass die Umstellung auf klimaneutrales Wirtschaften irgendwie besser gelänge, wenn legendäre deutsche Ingenieure freudig technologieoffen austüfteln, was wohl am besten funktioniert. Dabei gibt es von den USA über China bis nach Europa ja gerade deshalb so viel staatliches Nachhelfen, weil immer mehr darauf hindeutet, dass es der Markt eben nicht oder viel zu langsam hinbekommt.
Warum? Weil es nicht um, sagen wir, die Innovation neuer Varianten des Gummibärchens geht – oder des Staubsaugerroboters. Das können die allein – oder eben nicht. Es geht darum, ein ziemlich komplexes System mit etlichen Lieferketten, landesweiter Infrastruktur und hohen Kosten umzustellen – nach Jahrzehnten, in denen von der Herstellung bis zur Endnutzung alles auf fossile Energien ausgerichtet war. Nun kommt etwas Neues, das genauso komplex erst zu wirken beginnen muss. Dafür braucht es Wettbewerb um die besten Lösungen, klar: wenn es etwa darum geht, ganz neue Generationen von leichteren Batterien zu entwickeln, die in Elektroautos eingesetzt werden.
Das deutsche Beispiel zeigt, wie es nicht geht
Die Frage ist nur, ob auch über die großen Technologieoptionen ganz romantisch im Schwarm entschieden werden kann, wenn – je nach Technologie – ganz andere Kombinationen und Systeme nötig sind: von den Rohstoffen bis zur Endfertigung, samt Batterieherstellung und Ladestationen fürs Fahren. Gerade die Deutschen haben ja viel Zeit mit dem vergeblichen Versuch verloren, all das tatsächlich durch die Autokonzerne im Wettbewerb entscheiden zu lassen – mit dem Ergebnis, dass sich über Jahre nichts richtig durchgesetzt hat.
Erst als die Botschaft klar war, dass man auf Elektroautos setzt, kam Bewegung in die Sache.
Die Krux bei solchen großen Umstellungen ist: Weil es an einem hinreichenden Absatzmarkt anfangs logischerweise mangelt, fehlt auch der Anreiz, mehr herzustellen und zu forschen; und gibt es auch wenig Bedarf an Ladesäulen. Und weil nicht viel produziert werden kann, fehlt auch die Möglichkeit, über große Mengen und Skaleneffekte den Preis zu senken und so etwa Elektroautos längst erschwinglich zu machen. Was wiederum dazu führt, dass kaum einer solche Autos kaufen kann. Und will. Zumal auch die Ladeinfrastruktur fehlt. Was wiederum die Autokonzerne zögern lässt, ihre riesigen Werke komplett umzustellen. Siehe oben.
Das erklärt auch, warum alle Versuche, die Konzerne selbst die Ladeinfrastruktur aufbauen zu lassen, in der Vergangenheit gescheitert sind.
Das Heizungsdilemma
All das gilt bei der großen Elektromobilität ebenso wie bei der großen Frage nach den Heizungen – nur etwas weniger komplex. Auch da geht es um große und teure Anschaffungen; auch da hängt viel von der sonstigen Infrastruktur (der Energieversorgung) ab. Was im freien Schwarmwettbewerb kaum überschau- und lösbar ist – zumindest solange die Richtung nicht klar und genug Nachfrage da ist.
Es spricht viel dafür, dass so eine Umstellung nur klappt, wenn irgendwann alle möglichen Beteiligten mehr oder weniger fest davon ausgehen können, wohin es gehen soll – und welche Technologieart die auserwählte ist. So wie es die EU-Kommission mit ihren Vorgaben für Elektroautos gemacht hat – und die Bundesregierung eigentlich auch. Erst dann lohnen die Investitionen, die dann Menge schaffen, die Preise sinken und die Nachfrage steigen lassen.
Seitdem stellen alle möglichen Hersteller ihre Werke um. Seitdem gibt (oder gab) es Subventionen für Elektroautos, die spürbar gewirkt haben. Und seitdem wird allmählich auch der Eifer größer, tatsächlich ein ganz großes Netz an Ladesäulen für E-Autos aufzubauen.
Seitdem hat auch das Tempo der Innovationen für Elektroautos deutlich zugenommen, ist plötzlich die Rede von Leichtbatterien, die alle bisherigen schweren Annahmen widerlegen. Da entwickeln Autozulieferer wie ZF enorme Kreativität, für die Autoarbeiter neue Jobs zu finden – im Wissen, dass die alte Zeit bald vorbei ist. Da investieren im Sog von Tesla plötzlich kanadische Hersteller von Lithium für Batterien im fernen Guben. Und da rückt auch der Punkt näher, an dem Elektroautos so günstig und praktikabel werden, dass sie für das Gros der Leute tatsächlich eine kaufbare Alternative sein können.
Die Technologieoffenheit wird zum Nervenkitzel
Hier liegt das potenziell Fatale an dem, was die Glaubenskämpfer des offenen Technologiewettbewerbs im Übereifer zu produzieren drohen: Wenn es stimmt, dass die klaren Vorgaben bei so einer hyperkomplexen Umstellung in einer stark verflochtenen Wirtschaft für Hersteller und Verbraucher ziemlich entscheidend sind, dann ist es fahrlässig, die Subventionen für E-Autos schon wieder zurückzufahren – wie es die FDP in der Regierung durchgesetzt hat –, bevor die E-Mobilität zum Selbstläufer und es schick geworden ist, ein E-Auto zu fahren. Und dann könnte es fatal sein, wenn via FDP jetzt die Botschaft hängen bleibt, es könne doch auch künftig Verbrenner geben. Zumal wenn Verbraucher dann noch eher daran verzweifeln, ob sie nun gut daran tun, schon ein Elektroauto zu kaufen oder nicht.
Es geht für Autofahrer ja schon in Kürze darum einzuschätzen, wie hoch der Wiederverkaufswert eines neuen Verbrennerautos in ein paar Jahren noch ist. Da wird ein vermeintlich so tolles technologieoffenes Schwanken zum Nervenkitzel.
Es spricht viel dafür, weiter an neuen Technologien zu forschen, auch an grundlegenden – und bei allem, was heute vorgegeben wird, so gut wie möglich mitzudenken, dass künftig noch ganz andere technologische Möglichkeiten aufkommen könnten, um Autos anzutreiben; und vielleicht noch klimafreundlicher zu machen. Eine Gratwanderung: Wenn man die Verbraucher und Industrie nun irgendwie daran zweifeln lässt, ob die Elektromobilität auf absehbare Zeit erst mal das Maß der Dinge ist, droht das im Desaster zu enden.
Hier liegt der Grund, warum es selbst ökonomisch sinnvoll sein kann, im Zweifel auch mal ein Enddatum für neue Verbrennerautos festzulegen. Oder massiv Elektroautos zu fördern. Oder Wärmepumpen. Damit Verbraucher wie Konzernplaner kalkulieren können, wo es langgeht, wodurch erst Innovationen beschleunigt werden und Absatzmärkte entstehen. So wie das Joe Biden in den USA über jenen Inflation Reduction Act (IRA) gemacht hat. Gerade dank enormer Subventionen in erneuerbare Energien oder E-Autos hat er damit einen regelrechten Hype ausgelöst. Nicht dank Markt. Sondern staatlicher Vorgabe. In China: ebenso. Und die EU: Green Deal. Da lässt sich über das Wie im Detail streiten. Egal. Was nicht hilft, ist romantisches Fabulieren über Technologieoffenheit – im Gegenteil. Und es wäre gut, wenn Deutschland da nicht im Retroreflex ausschert.
Die Vorstellung, man könne eine historische Umstellung, wie wir künftig mobil sind und wirtschaften und heizen, irgendwelchen Schwärmen überlassen, klingt nett, ist aber nicht nur fürs Klima, sondern auch ökonomisch naiv. Auch wenn die Chefs von Firmen oder Parteien gelegentlich das Gegenteil suggerieren.