Es gab Zeiten, da wurde noch darüber gestritten, ob der Klimawandel wirklich so schlimm sei. Und ob nicht hier und da ein bisschen Klimapolitik reiche. Heute sind die Warnsignale so dramatisch, dass selbst einstige Skeptiker sich als Freunde radikaler Gegenmaßnahmen präsentieren. Und kaum jemand zweifelt, dass dazu auch gehört, einen großen Teil dessen umzustellen, was bisher mit alt-schmutziger Energie funktionierte: ob früher oder später die gesamte Autoflotte – oder der Energiehaushalt von Gebäuden.
Womit wir mittendrin im deutschen Drama der vergangenen Wochen sind. Das Problem fängt bei der Frage an, wie diese Energiewende am besten hinzubekommen ist. Wobei die Wahl nach gängigem Verständnis klar scheint: entweder über mehr oder weniger schnelle Verbote – Stichwort Verbrennermotor oder Gasheizung; oder, wie gerade ältere Ökonomiegelehrte orakeln, doch besser marktwirtschaftlich, also über höhere Preise auf CO₂-intensiven Konsum, was den Anreiz steigern soll, auf CO₂ -ärmeren Verbrauch umzusteigen, also im Zweifel auf Autos ohne Verbrennermotoren oder Heizungen ohne Gas.
Klima retten und Spaß dabei haben
Jetzt mag das mit dem Markt und der Offenheit erst mal sympathischer wirken. Ökonomen reden so etwas gern vor sich hin. Dabei könnte die wahre Tücke darin liegen, dass am Ende beides ziemlich anstrengend und müßig ist – und dem Klima gerade deshalb gar nicht schnell genug hilft. Dann wäre es viel wichtiger, das alles ganz anders anzugehen: über positive Anreize. Nach dem Leitmotiv: Es kann auch Spaß machen und Geld sparen, das Klima zu retten. Das geht.
Es ist ja nicht nur ziemlich unpopulär, den Leuten irgendetwas zu verbieten. Auch die so romantisch als marktwirtschaftlich und technologieoffen rüberkommende Lösung würde am Ende bedeuten, dass die Leute mit einem enormen Schock konfrontiert werden – zumindest, wenn es wirklich helfen soll. Nur, dass dies halt nicht durch ministeriale Vorlage geschehen würde, sondern durch den (dagegen noch deutlich weniger romantischen) Markt.
Wenn Deutschland seinen CO₂-Ausstoß massiv weiter reduzieren will – und dies über den Druck hoher Kosten passieren soll – müssten die Preise für Benzin oder Gas so dramatisch steigen, dass es einen Gutteil der Menschen im Land in existenzielle Nöte bringen würde. Ähnlich wie dies ansatzweise vergangenen Sommer passiert ist – nur dass Benzin- und Gaspreise danach nicht wieder fallen dürften, wie es zuletzt der Fall war. Sonst schwindet ja auch der Druck, Energie zu sparen wieder – so wie derzeit.
Die Frage ist, ob es da reicht, einfach ein paar Schecks zur Kompensation zu verschicken, wie Ökonomen darauf vorschlagen. Was hilft es dem Autofahrer, dem das Geld am Ende des Monats fehlt, wenn irgendwann dann mal eine Energiepauschale kommt? Zumal er das Geld, das er dann kriegt, im Zweifel ja auch nicht garantiert für CO2-arme Produkte ausgeben würde. Dann ist der Effekt fürs Klima gar nicht mehr so klar.
Die Preise fahren Achterbahn
Überlässt man all das den viel beschworenen Märkten, wird’s auch nicht unbedingt besser: Die Finanzjongleure neigen bekanntlich dazu, zappelig zu reagieren. Studien haben schon vor Jahren herausgefunden, dass etwa im Emissionshandel mit Verschmutzungsrechten immer das Risiko starker Preiskapriolen besteht: Erst waren die CO₂-Preise im europäischen Handel über Jahre viel zu niedrig, dann schossen sie so schnell hoch, dass niemand so schnell reagieren konnte.
Selbiges gilt für die Gasmärkte – erst in Panik absurde Höhenflüge, die schockartig Energiesparreflexe mit sich brachten; danach allerdings der Einbruch auf Niveaus, bei denen der Druck stark schwindet. Jetzt notieren die Kurse plötzlich niedriger als zu Beginn des Ukrainekriegs. Siehe oben.
Das ergibt keinen Sinn für alle, die bei der anstehenden Umstellung auf Klimaneutralität langfristiger planen müssen.
Tendenz zum Trotz
Was sowohl die Anhänger von Verboten, als auch die, die auf marktwirtschaftliche Kostenzucht setzen, womöglich stark unterschätzen, ist der ganz menschliche Widerwille, zu etwas gedrängt zu werden. Eigentlich banal. Und dass es in der Tendenz immer Widerstand und Trotz auslöst, über Schmerz lernen zu sollen, wie das bei den hehren marktwirtschaftlichen Lösungen vorgesehen ist – zumal, wenn es gar keine günstigen und praktikablen Alternativen gibt, also, sagen wir, erschwingliche Elektroautos, für die es schon ein ausgebautes Ladenetz gäbe. Da helfen auch die schönsten Klimaschecks nichts. Gewagte Idee.
Wenn das stimmt, lohnt als Grundprinzip etwas ganz anderes: Die Sache einfach so oft wie möglich umzudrehen und den Umstieg darüber zu beschleunigen, dass den Leuten Anreize geboten werden, aufs Neue zu setzen – statt sie fürs Festhalten an Altem zu bestrafen. Zumal das Neue in vielen Fällen ohnehin auf Dauer günstiger sein wird: weil erneuerbare Energien wie Wind und Sonne per se mit wenig laufenden Kosten zu gewinnen sind; oder weil so ein Elektroauto mit gereifter Technologie und Leichtbatterien ebenfalls günstiger zu unterhalten sein wird als das alte Verbrennerauto; oder so manche Branche über das Erfinden klimaneutraler Technologien auch zu den Gewinnern zählen wird.
Der Umstieg auf, sagen wir, Wärmepumpen lässt sich durch das Verbot neuer Gasheizungen versuchen – und über die Verteuerung von Gas. Schwermut. Oder darüber, den Leuten viel Geld zu bieten, wenn sie eine Wärmepumpe kaufen. So wie das andere Länder seit Jahren machen. Da freut sich jeder, beim Klimaretten auch noch Geld zu sparen – definitiv angenehmer als jedes Verbot, so gut das auch sozial abgefangen würde. Ähnlich positiv würde eine Abwrackprämie für alte Heizungen wirken, wie sie die Bundesregierung jetzt offenbar auch erwägt: Das Prinzip ist das gleiche.
Ähnliches in Sachen Auto: Man kann der »Bild«-Zeitung immer neue Anlässe bieten, den Volksaufstand zu inszenieren, indem man die Benzinpreise hochschnellen lässt. Oder irgendwas verbietet. Mit geringen Chancen, dass das auf absehbare Zeit populär wird. Die Alternative ist, neue Elektroautos massiv zu subventionieren, wie es die Regierung in den vergangenen Jahren geprobt hat – ebenso erfolgreich wie in Ländern wie den Niederlanden oder Norwegen, die auch daraufgesetzt haben.
Das Prinzip ließe sich erweitern – etwa indem man Unternehmen alle Investitionen in CO₂-sparende Technologien und Produktion zum Billigtarif abschreiben lässt. Wie das der Finanzminister eigentlich schon vorhatte.
Wie das geht, erleben gerade die Amerikaner – seit Präsident Joe Biden Multimilliarden an Hilfen zur Verfügung stellt, um etwa Elektroautos oder Windräder zu entwickeln und zu verkaufen, hat in Übersee ein regelrechter grüner Gründerboom eingesetzt. Und vor allem eine Stimmungslage, in der die Rettung des Klimas ziemlich positiv besetzt ist. Und nicht mit dem ewigen Hauch des Verzichts.
Natürlich ist auch das nicht ohne Tücken – und nicht umsonst. Da muss der Finanzminister den einen oder anderen Euro halt vorstrecken – was nur gut investiert ist. Besser als das Geld jetzt zu sparen – und dafür künftig umso größere Klimaschäden beheben zu müssen.
Es könnte sich bald als großes Drama erweisen, dass in Deutschland mehr als anderswo bei der Klimarettung der Hang zum romantischen Untergang durchschlägt. Und es zum guten Ton gehobener Klimaretter gehört, bedeutungsschwanger vor sich hin zu plappern, dass die Rettung des Klimas nun mal für alle unfassbar teuer und unangenehm und schwierig und schmerzhaft werden wird. Und dies den Menschen nun endlich gesagt werden muss.
Mit so viel Feinsinn kann man, ganz im Ernst, das Klima auch gleich kollabieren lassen. Das wird so nicht gerettet.